Donnerstag, 6. Juli 2017
Offener Kommentar an die Frau Novemberregen!
WFN. Danke für ihre tatkräftige Unterstützung. Ich hoffe ihr Bein bewegt sich schon ein Stückchen weiter in die richtige Richtung also in ihre. Von meinem Kommentarblog kann ich Selbiges ja derzeit nicht behaupten. Das hängt übel angeschlagen in den Seilen. Ich erlebe da gerade mein Pearl Harbor, mein Waterloo, den Sturz des Erzengel Gabriel in einem Topf mit Tomatensauce, die Invasion eines Barbaren, einen Lächerlichmachung-Exzess, mein kleinstbürgerliches Armageddon, meine ganz persönlich Heuschreckenplage wie in der Bibel prophezeit. Die Sache ist ja unter anderen Umständen so gestaffelt, in der Substanz anders beschaffen, mit etwas Grauen beschichtet und mit Heiterkeit beschallt. Einfach gesagt. Die Situation was den Zahlenmacher, jetzt auch Fleischmacher betrifft, ist naturgemäß hoffnungslos aber nicht ernst. In meiner Kärntner Heimat findet derzeit das diesjährige Bachmannpreis-Wettlesen statt. Seit ein paar Jahren nennt sich diese traditionsreiche Veranstaltung „Tage der deutschsprachigen Literatur“. Heuer sind die 41. Tage der deutschsprachigen Literatur ausgebrochen. Das der Bachmannpreis nicht mehr den Namen Bachmann trägt, sondern sich in Tage deutschsprachigen Literatur umbenannte, wie eine Person die ihren Namen ändern ließ weil sie Hitler heißt und nicht mehr den Namen einer großartigen österreichischen Schriftsstellerin vorne weg trägt wie eine Auszeichnungm, ist glaub ich was hoch Politisches. Dem FPÖ-BZÖ-Komplex, der einst mein Herkunftsland, in den monetären und moralischen Ruin führte und den Staat Österreich immerhin an den Rand, (Österreich als Versuchsstation des Weltuntergangs/Karl Kraus) war die Ingeborg Bachmann doch immer a bisserl zu viel Weltbürger, immer etwas zu viel Kosmopolitin. Die sah weder einen Grund noch eine Veranlassung in die Fußspuren ihres Vaters zu steigen. Logisch dass sie vor diesem Österreich zeitlebens auf der Flucht war. Beim Bachmannpreis-Wettlesen wird ja öffentlich und vor Publikum gelesen. Livestream ist auch im Angebot. Das interssierte Publikum sitzt da schweigsam in den Stühlen und hört den vortragendenden Autorinnen recht aufmerksam zu. 14 Autorinnen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Serbien, Italien und den USA sind es heuer die gegeneinander antreten. Wobei so ein wirkliches gegeneinander ist das ja nicht. Trotzdem bleibt irgendwer auf der Strecke. Ist eine ziemlich prestigeträchtige Angelegenheit der Bachmannpreis. Im Grunde nur etwas für die schreibende Sprach-Elite. Nicht dass Elite in diesem Fall was Schlechtes ist. Im Sport oder unter Köchinnen gibt es auch eine Elite und niemand regt sich darüber großartig auf. Wer beim Bachmannpreis reüssiert und einen Preis einstreicht hat sich als Schreibender zumindest mal einen Namen gemacht. Unter den 14 Autorinnen gibt es nicht eine Person in deren Vita steht. „Pflichtschulabschluss ja-aber nur mir Vorbehalt“. Beinahe geschlossen machen die 14zehn was mit Uni. Scheint irgendwie von Vorteil zu sein. Soweit ich Bescheid weiß ist es beim Bachmannpreis-Wettlesen Usus dass auch die Jurorinnen oder Jurymitglieder, die Autorinnen erstmals aus ihrem Werk vorlesen lassen und nicht andauernd dazwischenrufen. Es scheint da eine stille Übereinkunft zu geben, Autorinnen beim Vortragen nicht zu unterbrechen. Ich weiß jetzt nicht ob es da ein offizielles Regelwerk gibt wie man sich bei so einer Veranstaltung zu benehmen hat. Möglicherweise gibt es auch eine Regelwerkpolizei und einen Regelwerkgeheimdienst. Bei mir in der Bude gibt es derzeit ein Insekt das andauernd gegen die Mauer fliegt. Total irre das Vieh. Im Mittelpunkt des Geschehens stehen eindeutig die Autorinnen und weniger die Zuseher, obschon die einen Preis vergeben. Diesen Publikumspreis vergeben sie aber wiederum an einen der Autorinnen. Es sind die Autorinnen, die im Schweinwerferlicht sitzen und sich ausstellen, mit einem Bein immer am Abgrund des Scheitern. Die sitzen auch völlig zu Recht dort an diesem Platz im Lichte der Aufmerksamkeit. Diesen Platz haben sie sich redlich erschrieben. Warum genau die 14zhen und nicht andere 14zehn kann ich von der Bronx aus natürlich nicht abschließend beantworten. So ein literarischer Text, dass sich Ausstellen, am Rand des Scheiterns, ist ja auch immer eine enorme Kulturleistung. Nicht jeder der wagt gewinnt. Die Jurorinnen oder Jurymitglieder halten es wie das Publikum. Ich kann mich nicht entsinnen, das es unter den Jurorinnen oder Jurymitglieder mal eine Person gab, die den vorgetragenen Text eines Schreibenden, einfach mit dem Vortrag eines Kochrezepts redigierte oder von 100 herunter zählte, um so seinen Unmut oder Ekel Ausruck zu verleihen.

Bloggen ist ja nicht unbedingt Bachmannpreiswettlesen der Elite. Da darf auch mal die Schattenwelt ran. Regeln gibt es beim Bloggen auch nicht so viele. Als Leser kann man schon mal dazwischen rufen, laut schnarchen, seine Jause auspacken und mit seinen fettigen Fingern, das Kommentarblog versauen, sich seinen Rausch ausschlafen oder das Thema verfehlen und sich rücksichtlos in den Mittelpunkt rücken und rücken und rücken bis man den Schreibenden ganz aus dem Raum gedrängt hat. Denn seit 05 46 wird zurückgeschossen. Rülpsen geht auch. Sogar rein scheißen kann man. Heute habe ich etwas über den geistigen Heimatverlust gelesen und über Menschen die ihren Geborgenheitstraum verloren haben. Oh, dachte ich mir, gibt einige, die nachdem ihnen ihre geistige Heimat verlustig ging, Trost im Netz suchen, diesem unendlich scheinenden Verlorenheitsraum. Die Sehnsucht nach Zugehörigkeit, siehe Zahlenmacher, wird in Zeiten radikaler Individualisierung nicht weniger. Wobei ich nicht unbedingt nach Zugehörigkeit strebe. Nach Anerkennung ja. Freilich ist Anerkennung auch eine Form von Zugehörigkeit. Was einst der analoge Stammtisch war ist heute eine Filterblase. Wenn ich könnte wie ich wollte würde von hier weggehen ohne mich umzudrehen. Leider fehlen mir dazu die Mittel. Ich sitze hier hübsch in der Falle und schau der Sanduhr wie die in mein Hirn rein rieselt. Um nicht vom Thema abzukommen, dass ich ja nur ganz selten habe. Im Netz ist noch nicht alles so entsetzlich gesetzt, vorgekaut und weichgekocht. Da herrscht viel mehr Freiheit und Anarchie. Ein Übermaß an Anarchie und Freiheit herrschat da wie einst Idi Amin über Uganda. Da wird viel weniger soziale Kontrolle ausgeübt, was auch dazu führt, dass sich die Leute bald einmal ihre Alltagsmaske herunterreißen, und sich so geben wie sie noch sind, nämlich weniger verfälscht. Was ja sehr belebend sein kann, wenn der Mensch in dumpfer Gehorsamroutine erstarrt wieder zu leben beginnt und seinen Unterwürfigkeitsballast für einen Moment abstreift. Muss aber nicht zwangsläufig so ein. Blitzartig kann diese Freiheit des Unverfälschten in Destruktivität umschlagen, so wie manchmal das Wetter in den Bergen umschlägt. So ist der Mensch nun mal. Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Andere haben wir scheinbar noch nicht. Wir zerstören Aleppo und dann bauen wir es wieder auf. Im Hirn wird es dafür sehr wahrscheinlich unterschiedliche Areale geben, aber die Hände sind die Gleichen. Das gehört zu seinem Wesen. Wo Licht ist hat auch der Schatten eine offene Forderung. Im Netz stinken die Leichen hin und wieder in den Himmel und verpesten die Luft über sozialen Medien. Da müffelt es manchmal übel aus Kommentarblogs. Auf der analogen Donauinsel herrschen ganz andere Gesetze. Auf der Donauinsel komme ich besser zu recht. Ich musste heute mal in die Büsche. Gibt kein Klo in der Nähe wo ich derzeit sitze. Beim tollsten Inselklo sitze ich ja nicht mehr. Zu heiß. Guckte mir ein Kerl auf den Schwanz. Demonstrativ guckte der hin. Keine Ahnung was seine Motivation war. Vielleicht Umweltschutz. „Was ist Mongo“, rief ich hinüber, „du hast doch selber einen oder nicht“. Und schon verließ dieser Mensch meinen analogen Kommentarblog und war auch nicht wieder gesehen. Digital gibt es auch einige, die dir unentwegt auf den Schnidel starren. Nur wirste die nicht so einfach los. Das ist es auch was mich stört. Wer Blogs liest kann starren, muss nicht still dasitzen, andächtig hinhören wie bei einer Predigt und sich an alle möglichen Regeln halten wie bei einem Wettlesen der Elite. Trotzdem stellt sich die Frage, ob man Texten von Bloggerinnen, als Leser wie auch als Kritiker/Jurymitglied in eigener Sache, diese Funktion hat man ja auch inne, wenigstens so viel Achtung für ihr Schaffen entgegenbringen sollte, dass man ihr Austellen, das manchmal auf ziemlich wackeligen Beinen steht, nicht mit einem Kochrezept verspottet und so der Lächerlichkeit preisgibt. Kann gut sein dass das Anarchische an so einem Punkt längst ins Würdelose gekippt ist. Mir ist der Zahlenmacher, heute Fleischmacher, morgen vielleicht Eisenmacher oder Wettermacher, aber nie Kleinstkunstmacher, ehrlich gesagt schon ziemlich peinlich.

Ende.

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