Freitag, 26. Mai 2017
Der Kommentar-Tiger
Ich habe heute seitenweise bei anderen kommentiert. Alles hab ich denen vollgekritzelt. Nicht nur weil mich die Themen interessieren und die Menschen dahinter, sondern weil ich keine Blog-Kleinstkunst mehr beschreiben kann. Ich saß vor dem Gerät und der erste Satz lautete, dass ich mit sechzehn ein molliges Mädchen in einen Selbstmordversuch getrieben habe. Schreiend bin ich aufgestanden und von mir selbst davon gelaufen. Ich weiß gar nicht mehr wie oft ich die Schwabbi hier im Blog schon in einen Selbstmordversuch getrieben habe. Sicherlich schon 2500 Mal. Wie die schon aussehen muss. Grauenhaft. Zusammengeflickt wie der Frankenstein. Dabei lebte die ja nach dem Versuch munter weiter. Der ging es sogar so gut, dass sie Kraft hatte, mich ein paar Wochen als ihren Knecht dienlich zu machen. Ich kann nur hoffen das war über vier-fünf Ecken auch was Sexuelles. In meiner Not habe ich bei anderen die Kommentarspalten vollgerotzt und kleine Romane geschrieben. Ein Großblogger antwortete mir freundlich, dass er bei mir nicht entspannt lesen könne. Zu viele Smileys. Ich kann mich nur wiederholen. Wir erfinden uns alle Geschichten die wie maßgeschneiderten zu unserem Tun passen. Ich hab dann geantwortet dass ich bei ihm auch lese, obschon er gerne mal in sanfter Melancholie zerfließt und kein harter Hund ist wie ich. Wurden wir nicht handelsein. Muss auch sein dass man nicht handelsein wird. Trotzdem muss ich meine Ausflüge in die Lichtwelt-Bloggemeinde klug dosieren. Schreiben mir dann alle ihre Gründe warum sie bei mir nicht lesen können. Krieg ich dann irgendwann übel Selbstzweifel und beginne eine Aversion gegen meine Bettkante zu entwickeln. Bettkante ist aber Heimat wie Klappstuhl. Auf der Insel beim Radfahren hab ich dann eine Frau gesehen, die sah mir sehr linksliberal aus. Die hat irgendwas aus dem Büschen gepflückt. Weiß war sie obendrein. Hatte ich den nächsten Schreikrampf. Leni Riefenstahl, habe ich gebrüllt, ein Königreich für eine verfickte Leni Riefenstahl. Logisch dass die Leute groß guckten. Im aktuellen Spiegel, schreibt im Kulturteil der Volker Weidemann über den Karl Ove Knausgård, der nach 4500 Seiten schonungslose Großkunst endlich sein Ziel erreicht und seine Ehefrau endlich in die Scheidung hinein geschrieben hat, der Herr Großkünstler. Ich wäre schon froh wenn ich wüsste wie ich es anstellen könnte, dass ich mir eine Frau in die Kleinstkunst hineinschreibe. Wo war ich. Ach ja. Der Herr Weidemann schreibt: "Er weiß", also der Karl Ove, der seine Frau in die Großkunst hinein, aber aus dem gemeinsamen Leben hinausgeschrieben hat, "dass unsere rundumsorgte Saturierheit auf dem Elend der sogenannten Dritten Welt basiert, dass die wohlfeile Übertoleranz der westlichen Mittelschicht in Wahrheit repressive Intoleranz ist, die alle kulturellen Unterschiede negiert. Die die willkommen geheißenen Einwanderer in Trabantenstädte jenseits unserer Wohlfühlgürtels verbannt und ihre Kinder, sobald sie in die Schule kommen, vor den so willkommenen Ausländern bewahren will". Davon ist einiges schon ziemlich wahr. Aber man muss nicht Ausländer sein um in die Verbannung zu geraten. Ich wurde von meiner eigenen Familie in die zerfransten Ränder ausgelagert. Schon als Kind wurde ich herumgeschickt wie ein Paket. Also bitte. Es war Hochsaison und ich noch zu klein zum Knecht. Fragte die Um2 den Goadfather. "Was machen wir jetzt mit dem?" Mir ging es in dem Text weniger um Norwegen, sondern um die Dritte Welt, auf deren Elend wir uns sonnen. Dass ist auch so typisch Lichtwelt. Mit dem Finger eifrig in der Wunde herum rühren und dabei einen Caipirinha schlürfen. Mich würde ein Kunstprojekt interessieren, das wirklich mal richtig in die Tiefe unserer Schuld geht und die Verbindungen des Einzelnen hier mit der Dritten Welt ganz genau offen legt. Oder das zumindest versucht. Wie weit ist der Einzelne hier wirklich für das Elend in der Dritten Welt verantwortlich. Wir sind ja nicht alle gleich belastet. Gibt auch Menschen die hier nicht so viel haben. Da müssten mal schön alle Verschachtelungen offen gelegt werden. Wer, wann, wo und wie. Alle Verträge die abgeschlossen werden, Arbeitsverhältnisse, Rohstofflieferungen + Plus dem Versuch die Schäden aus dem Kolonialismus in eine Maßeinheit zu fassen. Was ist Rechtens, was nicht mehr, und was ist nur unmoralisch. Wo und ab wann setzen wir uns hier tatsächlich ins Unrecht. Die weltökonomischen Verstrickungen in die wir verwickelt sind offen legen und alles gläsern machen bis zu den Handelsabkommen bei der WTO. Das wäre mal was. Ich stelle mir das so vor dass man dann so eine Art Dritte Welt Uhr am Handgelenk trägt, in der alle möglichen Megadaten abgespeichert sind. Big Data mal mit Sinn. Und jedes Mal wenn einer was kauft, das laut Meta-Daten-Indizienlage sehr dafür spricht, dass ein Käufer einen Menschen in der Dritten Welt konkret übervorteilt oder gar abzockt und ins Elend stürzt wie über einen Abgrund, dann piepst das Ding fröhlich. Sitzt du dann schön am und bist gut am drücken und schon geht das Scheißteil an. Natürlich gibt es dann auch eine Funktion mit der man das Gepiepse lautlos schalten oder ganz abstellen kann. Übel wird es aber wenn man nichtsahnend und frohen Mutes durch einen schönen Wald spaziert und trotzdem piepst es die ganze Zeit, weil das Übermaß an Freizeit auf Ausbeutung beruht. Aber diese Vorwürfe von allen Seiten, dass ich meine Tage damit zubringe die Dritte Welt zu verelenden. Was soll ich damit. Da kann ich ja gleich wieder darüber schreiben, dass ich mit sechzehn ein molliges Mädchen in einen Selbstmordversuch getrieben habe.

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Interessanter Gedanke. Es gab vor etlichen Jahren mal ein Dossier in der Zeit, in dem der Autor (oder das Redaktionsteam) den Verästelungen und Verflechtungen ganz normaler Geldanlagen nachgegangen ist, um herauszufinden, wie groß die Verbindungen zu Geschäften sind, die man gemeinhin als moralisch fragwürdig betrachtet. Das zielte jetzt nicht direkt in Richtung Dritte Welt, sondern mehr so darauf, wer finanziert eigentlich Hersteller von Streubomben, und da kam dann raus, dass harmlos klingende private Altersvorsorgeprodukte über irgendwelche Fonds und dergleichen eben auch Wertpapiere und Optionen von Firmen im Portfolio haben, mit deren Produkten wir uns als kritische Verbraucher eher nicht schmücken würden.

Kurzum: Um da moralisch halbwegs einwandfrei unterwegs zu sein, müsste man im Prinzip leben wie Diogenes in der Tonne. Und mit Bick auf die dritte Welt wird das nicht anders sein. Ich selber fische den Afrikanern ja nichts vor der Nase weg, aber Fischstäbchen brate ich schon ab und zu mal. Und das ist ein Beispiel, wo mir der Zusammenhang halbwegs bewusst ist, die meisten Sachen, die der dritten Welt schaden, hat man gar nicht so prominent auf dem Zettel, wenn ma nicht permanent irgendwelche Greenpeace-Dokus guckt, die einem suggerien,für jedes Glas Nutella müsse ein Orang- Utan oder ein Gorilla dran glauben.

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Aha auch sehr interessant. Rohstoffe + Dritte Welt und so auch oft Pensionsfond. Afrika ist ja Europas Elektromülldeponie. Rostige Kähne gehen nach Indien glaub ich. Ich mache da einfach eine unglaubliche große Lust an Kritik aus, die wie Regenwolken herumschweben, dann ein kurzes Gewitter und dann warten wir auf die nächste Front. Überbleibenn tut dann so was.

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Carbon Footprint gibt es ja schon, Dritte-Welt-Footprint ist natürlich komplexer.

Wenn es piepst könnte auch sofort eine Meldung aufploppen, dass man Betrag X wohin spendet und damit kauft man sich frei. Moderner Ablasshandel.

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Sehr komplex aber machbar. Wird ja höchste Zeit dass sich da wer mal dahinterklemmt, völlig Ideologie befreit. Uns andauernd ein schlechtes Gewissen einreden und keine Lösungsvorschläge anbieten ist auch nicht des Pudels letztes Lorbeerblatt.

Hab gerade gesehen sie haben auch beim Herrn M. kommentiert. Sehr schön. Zu saftg fällt mir auf die Schnelle ein Pfirsich ein und im nächsten Atemzug auch schon eine Strafe.

Ich glaub das bei der Frau iii ist tatsächlich ein angedeuteter Penis. Bei der anderen Figur stehe ich vor einem Rätsel. Wie sie ja wissen WFN habe ich es ja nicht so mit Bildchen. Bildchen sind so unentspannt .

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Sobald man das macht wird es natürlich umgehend Streit um die Berechnung geben. Ist ja beim Carbon Footprint auch so.

Es ist kein Penis sondern ein ausgestreckter Mittelfinger (wurde mir verraten), Sie Bildchenspezialist. Das daneben ist ein Kopf, wie ich jetzt auch ganz selbst erkenne. Sehen sie es auch? Ich frage mich jetzt, wie ich es vorher nicht sehen konnte.

Wo kommt das her mit den unentspannten Bildchen, ich hab dazu keinen Kommentar gesehen?

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Wenn wir schon am Erklärbären sind: Das bezog sich auf Herrn Kid37, der meinte, er könne hier nicht so recht entspannt lesen aufgrund der vielen Smileys.

Was ich nebenbei bemerkt nachvollziehen kann. Aber da ich hier ja schon gelesen habe, bevor das solche Ausmaße annahm, lasse ich mich davon nicht abschrecken.

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jede, die nicht alles,
was sie nicht zum überleben braucht, den kranken und hungernden gibt, jede, die nicht jede sekunde ihrer wachen zeit, in der sie sie nicht um ihre eigene gesundheit kümmern muss, damit verbringt, den armen und kranken zu helfen, oder den ausgestoßenen und eingesperrten, den verfolgten und gefolterten, ist schuldig am leid der leut, nicht nur in der dritten welt. finde ich jedenfalls, obwohl ich nicht "schuldig" sagen würde, das ist mir zu nah an "sündig" und religion krieg ich plaque von. "verantwortung" ist auch ein sehr strapaziertes wort, aber ein besseres fällt mir gerade nicht aus dem hut. es wäre allerdings immer noch schwierig einen genauen wert der verantwortung zu ermitteln. da gibt es so viele unklarheiten. was ist mit psychischem leid, dass auch killen kann, das man aber nicht einfach mit geldspenden wegzaubern kann? oder krankheiten, die im moment unheilbar sind, wo man aber mehr zu forschen könnte? wenn alle auf allen luxus verzichten, und es immer noch nicht genug ressourcen gibt, um allen zu helfenden zu helfen? entscheidet dann das los, wer leben darf und wer nicht? also ich gebe zu, dass ich solchen überlegungen aus dem weg gehe und versuche, meinen egoismus und meinen zynismus lieber etwas auszubauen. wenn einer meint, mir moralisch kommen zu müssen, so ein proust-nachmacher-romancier, der statt 4500 seiten vollzukritzeln ja auch was praktischeres hätte machen können, wie einen brunnen zu bauen oder so, dann kann ich immer noch damit angeben, dass ich im kopf völlig kaputt und krass unter der armutsgrenze bin.

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und alleine die menge an geld,
die dieser volker weidermann in haargel investiert hat, hätte ein ganzes dorf in burundi bis 2700 ernähren können! die sollen alle fresse halten, die bürgerlichen jammerheinis!

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Genau ein Gesicht. Danke.

Der Herr Großblogger aus dem hermetischen Kaffee hat das festgestellt. Wird er schon recht haben. Er hat aber auch das hier gemacht ;-). Sobald jemand dass ;-) macht hagelt es in der Regel Kritik. Aber eine die sofort durch das ;-) entschärft wird aber trotzdem nix an Schärfe verliert. Ganz im Gegenteil. Mit ;-) kann man sich geschickt aus jeder Verantwortung stehlen. Hab ich natürlich auch schon gemacht.

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Ah Herr Dreadpan. Auch wieder zurück. Sehr schön. Schwierig ja das Thema. Ich gebe ehrlich zu. Mir hat das Bild so gut gefallen wie einer durch den Wald spaziert und das Ding piepst die ganze Zeit. Bis der völlig die Nerven verliert und den ganzen Wald verprügelt.

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Diese Piepgerät ist wirklich eine schöne Idee
und die Waldszene ziemlich komisch. Das wäre mal ein Sketch, sowas sollte diese Engelke, oder wer da im Moment für Komik im TV zuständig ist, mal bringen! Dann würde ich auch wieder ein schlechtes Gewissen haben, dass ich keinen Rundfunkbeitrag zahle! Sind die Rechte an dem Gag verkäuflich?

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Ahja, dann weiß ich jetzt alles und kann beruhigt weiter an meiner Wertung arbeiten (die 1350 hab ich geknackt, nächstes Ziel ist jetzt 14).

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Ja die Anke würde das schon recht lustig hinbekommen.

Mir kam in der Wald-Szene natürlich sofort eine weiße linksliberale Akademikerin in den Sinn;-) jetzt lach ich andauernd wenn ich an linksliberale weiße Akademikerinnen denke.

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Ja so wie ich sie kenne schaffen sie auch die 1600 Marke. Spielend.

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1600 weiß nicht. Eine solide 15 sollte gehen, finde ich. Aber ist ja noch ein Stück bis dahin.

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