Dienstag, 14. März 2017
Altes Schmerzgeheul
Hab ich heute in meinen Dateien gefunden. Hat locker 10 Jahre am Buckel.

Samstagvormittag im Supermarkt vor der hauseigenen Bäckerei.
In einer Reihe stehend, dachte darüber nach, wie viele Stunden ein Notstandsgeldempfänger wohl mehr mit Anstellen und Warten zubringt, als ein Top-Manager mit goldener Kreditkarte.
Und während ich so lustvoll vor mich hin dachte, meldete sich mein schizoaffektiver Schädel zu Wort. "Flugzeuge pissen ihr Benzin auf die Schweißränder der Vorstadt, der Baum vorm Fenster nimmt Aspirin, die Katze kaut Fliegenherzen".
Scheiße dachte ich mir, die Lyrik von Albert Ostermaier ist gar nicht mal so schlecht. Im Aquarium der Sehnsucht, schwimmt die Liebe, wie Plankton. Allah kotzt Öl in das Allradgetriebe unserer Vorstellung. Zornesröte auf high hills, Wunschbilder unnachgiebig wie ein Lungenödem, die Vernunft liegt wundgelegen und angeschissen im Sterbebett, Geschichte, nichts als ein gemischter Salat für Besserwisser und Revanchisten, Sturzbäche voll Hoffnung, die Welt schreit nach einem neuen Erlöser, das Sinnlose im Sonderangebot, drei Enttäuschte zum Preis von zwei. Mir geht so gut weil ich ´n Mädchen bin, weil ich ´n Mädchen bin, Komm doch mal rüber Mann und setzt dich zu mir hin, weil ich ´n Mädchen bin, weil ich´n Mädchen bin, keine Wiederrede Mann weil ich ja sowieso gewinn, weil ich ´n Mädchen bin. Der Übergang kam ohne Vorwahrung und nahtlos. Wenn die Stimmen in meinen Kopf nicht mehr zu bändigen sind und ich das Gefühl habe gleich durchdrehen, singe ich einfach Liedchen. Meistens das, was mir mein scheiß Hirn gerade so aufzwängt. Komm doch mal rüber Mann und setzt dich..., da hörte ich hinter mir jemanden hässlich husten. Ich drehte mich um. Hinter mir stand eine alte Frau. Ihr Husten wollte nicht aufhören. Es klang fürchterlich kraft und saftlos. Is this your heart-shaped-box. Mein Gott sah die Frau entsetzlich gebrechlich aus. Sie war ganz abgemagert, ihre Haut eine Meer aus Falten die sich übereinander schoben wie Sedimente, ihre Hände ganz dürr, wie Äste an einem toten Baum und ihre kleinen Augen tief in den Höhlen vergaben und zurück gedrängt, wie der Mut nach tausend geschlagenen Schlachten. Sie sah so erschöpft und verloren aus.
„Eigentlich sind sie doch vor mir gestanden oder nicht“ fragte ich die Dame.
„Ich benötige nur drei Semmeln“ antwortet die. Killing Fields über die psychotsiche Schmetterlinge fliegen, während wir uns nach Waschbrettbäuchen sehnen.
„Bitte gehen sie doch weiter“.
Als sich die Verkäuferin mir zuwandte, zeigte ich auf die alte Dame, dass sie die nächste sei.
„Bitteschön, was darf es sein denn sein?“
„Drei Semmeln für das Frühstück bitte“. Mit zitternden Händen nahm sie die Semmeln entgegen und verstaute die in ihrer Tasche, bedankte sich und schleppte sich weiter, dem Ende der Welt entgegen.
Der Tod wird sie mitnehmen, in sein dunkles Reich der verwesenden Transzendenz, während wir mit Bohrern und Sonden das Herz dieser alten Frau durchstoßen, auf der Suche nach fossilen Brennstoffen, um uns die Erde Untertan zu machen. Nur der Schwäche gibt nach.
Komm doch mal rüber Mann und setzt dich zu mir hin, weil ich ´n Mädchen bin, weil ich´n Mädchen bin.
„Sie sind aber ein fröhlicher Mensch“ stellte die Verkäuferin fest. „Fast jeden Tag wenn sie Brot bei mir kaufen singen sie“.
„Ja ich weiß ich bin dermaßen eine Frohnatur“, antwortete ich mürrisch.
„Was darf es denn heute sein“.
„Ich weiß nicht so recht was ich will, vielleicht komme ich später, ein wenig später, noch einmal wieder“.
Ohne Gebäck im Gepäck ging ich weiter zur Obstabteilung. Ein Herzblutgeschwader auf elf Uhr, nichts als Mühe und Not, Drangsal und Pein, doch im steinernen Garten wartet dein Liebster, du alte Nazibraut, die Himmler in der Schlucht von Babij Jar, im rückwärtigen Heeresraum, auf einem Leichenberg stehend anständig durchfickt hätte, wenn er nur gekonnt hätte, der alte Syphilitiker.
Aus dem tiefen Räume aus der Erde Grund, hebt sich wie im Träume dein verliebter Mund.
Wenn sich sie späten Nebel drehen, wer wird bei der Laterne stehen, wie einst die Lili Marlen. Vor der Kaserne vor dem großen Tod...........
Singend ging ich durch die nächste Abteilung.

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