Mittwoch, 15. April 2015
Das Bildnis einer unbekannten Frau
Dinge gibt`s, die glaubt man nicht. Die Hausverwaltung hat meinen neuen Haustorschlüssel nicht zu mir sondern zum Goadfather geschickt. Und der dann eingeschrieben zu mir. Im Mail stand. Hab den Schlüssel zur Post gebracht. Eingeschrieben. Eine Überraschung ist auch dabei. Prost Franze. Die haut dich vom Hocker. Ich mailte zurück, hoffentlich nichts Schreckliches. Nicht das ich mich noch einnässe. Das Prost Franze sagte man früher in Unterkärnten zu jeder sich passend machenden Gelegenheit. Das Prost Franze kam in Witzen vor, bei Besäufnissen, wenn alles vergebens war und man den Hut drauf hauen könnte, wenn sich dann doch noch alles zum Guten hin entwickelte, wenn man einen alten Freund wieder traf und auf a Glaser anstieß, und dann weiter soff bis man wieder den Hut auf einen Prost franze Witz draufhaute und vom Hocker fiel, der zu einer Bar gehörte, bei politischen Skandalen und natürlich bei Überraschungen. Ein klein wenig, denke ich nie. Aus dem ein klein wenig wird bei mir immer a bisserl. Doch a bisserl angespannt radelte ich heute zur Post. In meinem Kopf war natürlich mindestens einer meiner Freunde aus fernen Jugendzeiten verstorben, hatte sich erhängt oder wurden wegen eines Kapitalverbrechens angeklagt. Nicht das sie sich jetzt von meinen Jugendfreunden ein falsches Bild machen. Der am wenigsten Wohlgeratene bin nach dem kleinstbürgerlichen Gesetzmäßigkeiten eindeutig ich. Auf der Post, Ausweis her gezeigt, Brief mit dem Schlüssel und der Überraschung an mich genommen, ein paar Meter gemacht um nicht im Weg zu stehen, und den Umschlag hastig aufgerissen. Neben dem Schlüssel lag ein Ausschnitt aus einer regionalen Tageszeitung. Ein gewisser Herr Sowieso war verstorben. Und dann noch einer. Der war etwas älter. Meine Stirn legte sich in Falten. Was will mir der Goadfather denn damit sagen, fragte ich mich verwundert. Hab ich einst deren Töchter nach § 218 StGB, der sogenannte Grapsch-Paragraf nach damaliger Rechtsprechung völlig korrekt umarmt, und das verzeiht mit einer dieser verstorbenen Herren bis in den Tod nicht? Oder habe ich in deren enorm aufwendig dekorierten Gärten gekotzt oder sonst irgendeinen Scheiß angestellt. Ich wurde einfach nicht schlau aus dieser angeblichen Überraschung. Gut es war noch früh am Tag und mir steckte noch meine Medikamentenabhängigkeit in den Knochen. Ein Auto dürfte ich in diesem Zustand keinesfalls steuern. Bin nicht fahrtüchtig. Mein Gott ist die Versuchung jetzt groß, gleich einmal drei Seiten über meine Lebensuntüchtigkeit zu lamentieren. Was ist, dachte ich mir leicht eingenässt, wenn der Goadfather auf dem Weg in die Demenz ist. Und das sind die ersten Vorboten. Als ich den Zeitungsauschnitt schon wegwerfen wollte, sah ich auf der Rückseite das Bild einer Frau, mit viel Haar und Ohrringen und einer markanten Nase. Eigentlich ganz fesch. Und daneben stand: „Oh Schreck, oh Schreck, die 6 ist weg! Nie rasten, nie ruhen, hast immer viel zu tun. Bist immer für uns da. Ja unsere J. wird 70 Jahr! Nichtsdestotrotz, treib`s nicht zu toll, dann machst du auch die 100 voll.

Alles Gute wünschen Dir zum 70zigsten. Und dann standen da ein paar Namen. J., 70, dieses Gesicht, und dann der Name H. unter den Gratulanten, an den ich mich dunkel erinnerte. Und das alles als Überraschung verpackt und vom Goadfather verschickt. Meine Erinnerungsmaschine stand unter Hochdampf. Erinnerte a bisserl an den Wicky, wenn dem die Sternchen kommen, oder auch nur uns den Zusehern, und er eine Lösung für ein Problem hat. Ich hatte ja keine Lösung für das Problem sondern nur einen Namen. Mami, Mutti, Mutter. Ein Stern der schon sehr früh von meinem Himmel fiel. Die Person da auf dem Foto, der da kleinstbürgerlich-euphorisch bis peinlich gratuliert wurde, war eindeutig und unzweifelhaft meine leibliche Mutter. Gerade weil das Foto so schön analog war und a bisserl aus der Zeit gefallen schien tat sich meine Erinnerung leichter. Für eine 70jährige weibliche Person sah diese Frau unverschämt frisch aus. Offensichtlich hatte ich sie auch ungefähr so in meiner Erinnerung abgespeichert. Schon auch a bisserl verstört starrte ich dieses Bild in einer regionalen Zeitung an, das der Goaffather ja nicht säuberich herausgeschnitten sondern herausgerissen hatte. Während ich so da stand und starrte, blieb die Erinnerung einfach irgendwo in der Botanik stehen und rührte sich nicht mehr.

Meine ältere Halbschwester hatte ihr auf diesem Wege nicht gratuliert. Ich bin ja kein zynischer Mensch. Nicht das meine leibliche Mami, zu meiner älteren Halbschwester jetzt auch so ein ähnlich inniges Verhältnis pflegt wie zu mir. Drei Kindern zwei Ausfälle. Das wäre doch zu viel des Guten oder nicht. Spricht aber einiges für dieses Theorie. Und vieles natürlich nicht. Vielleicht denkt sich die Claudia auch nur des ist peinlich. Der H. der ihr da so überschwänglich gratulierte, ist ja mein Halbbruder den ich nicht kenne und Mamas drittes und jüngstes Kind. Der war ja das Produkt einer Liebesheirat. Ist aber auch gescheitert. Nicht das meine Mami nur Liebe für eine Kind hat.

Bist immer für uns da las ich noch einmal. Heute mailte ich dem Goadfather das des aber nur bedingt anwendbar ist. Und ich mich auch weiterhin eher an ihn, den Goadfather halte werde, um nicht ganz leer auszugehen. Des Weiteren war ich guter Hoffnung schreib ich, das wir seinen 75. Geburtstag auch überregional feiern und ich kein Inserat schalten werden müssen. Für unsere Verhältnisse ist das schon eine Liebeserklärung. Prost Franze.

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