Donnerstag, 22. März 2018
Multikulturelles Miteinander .
Noch was über die Bronx

In der gefühlt hässlichsten Passage Wiens, der weltberühmten Bronx-Passage, architektonisch 12 Himberren, mit 9 Geschäften, die alle auf Billig machen, derzeit auch die Bank mit ihren EZB-Nachwerf-Krediten, die nach Jahren des Zuwarten tatsächlich in der Realwirtschaft ankommen, gibt es einen Chinesen. Aber keinen originell Glutamat-haften, wie aus den Achtzigern, mit Restaurant dabei, sondern eher was Junk-Food-mäßiges. Junk-Food klingt so despektierlich. Fast-Food trifft es besser. Zwischen 15-17 Uhr trifft sich dort gerne die Bronx-Elite, die es aus allen Himmelsrichtungen der Migration, einschließlich der Binnenmigration, an diesen Winkel Erde verschlagen hat. Als Binnenflüchtling, wie ich einer bin, scheitert es sich in einer Millionenstadt wie Wien wesentlich unbeschwerter als südlich der Drau. Dort zeigen die weniger Gescheiterten und jene die ihr Scheitern nur geschickter zu kaschieren wissen, mit dem Finger auf dich, während sie dich in ihrer kleinstbürgerlichen Vorstellung teeren und federn. In der Provinz wird man gezwungen sich zu verstellen, um so halbwegs ungeschoren davon zu kommen. Da bedarf es einer großartigen schauspielerischen Leistung, damit sich die dortigen Kleinstbürger denken, wenn sie deiner habhaft werden. Guck da kommt unser Dorftrottel, der ¾ Mongo, der bei den internationalen österreichischen Meisterschaften im Kugelschreiber zusammenbauen, erst im Semifinale gescheitert ist. Zwischen 15-17 Uhr gibt es beim Fast-Food-Bronx-Chinesen 4 kleine Frühlingsrollen gratis zur Bestellung dazu. Und schon sind wir beim Thema. Gleichgültig aus welcher Himmelsrichtung sich die Menschen in die Bronx geflüchtet haben oder nur zugewandert sind. Beim Bronx-Chinesen treffen sich fast ausnahmslos Menschen mit der kleinen Brieftasche. Nudel mit Huhn um 3,70 Euro ist in der Bronx ein angesagter Gleichmacher zwischen den Nationen und Kulturen. Bei 3,70 Euro auf dem Teller muss man nicht mehr groß nachfragen. Um 3,70 Euro kannste dir ja zu Hause kaum noch was kochen das so halbwegs nach Essen schmeckt. Natürlich bekommt man beim Discounter um 3,70 Euro manchmal auch 12 Stück Pizza, die einen auch satt machen. Nur haben die Dinger einen Nährwert wie 4 Blatt Küchenrolle, serviert auf einen Hauch von Fettleibigkeit. Beim Bronx-Chinesen gibt es auch a bisserl Gemüse. Zur Bronx-Elite zähle ich Mindestpensionisten, Studierende der Fachhochschule, die sind aber nur auf der Durchreise, Mindestbesicherte, Niedrigverdiener, recht viele Frauen mit Kindern, möglicherweise alleinerziehend, die gerne Sushi essen, wie die betuchten Damen, nur zu einem anderen Preis, den das Leben einfordert, Flüchtlinge, Migranten, Behinderte in Rollstühlen oder sonst wie vom Leben Durchgebeutelte und Aufgegebene wie ich einer bin. Die Liste der geladenen Gäste ist natürlich unvollständig. Handwerker habe ich schon des Öfteren gesehen. In der analogen Zeit gingen die zum Fleischhauer. Ganz viel Sauce machen fast alle Kundinnen. Sauce ist ganz wichtig, Sushi ist vornehmlich weiblich und die Leute essen lieber Nudeln statt Reis. Dann sitzen sie da in der hässlichsten Passage vor einem Berg Nudeln, umgeben von Billig und schaufeln sich das Billig-Food rein. Hin und wieder bleibt jemand stehen und isst mit den Augen mit. Das ist das Gegenteil von Essen mit Ambiente. Das teuerste Gericht auf der Karte kostet 6,90 Euro. Thai-Curry. Mit meinen sechs Euro für gebratenen Lachs mit Reis und a bisserl Gemüse, gehöre ich schon zu den Großkopferten, wie die Bayern zu sagen pflegen. Auf Wikipedia, die mit ihrem Gratis, viele Lexika-Produzenten in den Ruin getrieben haben, steht: Großkopferte, adjektivische Deklination. Beim Bronx-Fast-Food-Chinesen lebt es sich auch wie in der Sprache nach gewissen formalen Regeln. Wer hier lebt und keine der Dachgeschosswohungen mit Terrasse bewohnt, von denen es immer mehr gibt, sieht perspektivisch nicht weit über seinen Tellerrand hinaus. Etwas das man den Menschen auch ansieht. Die essen anders als jene mit den größeren Brieftaschen am Naschmarkt. Mir sieht man auch an das mein Gesicht in den letzen 10 Jahren Bronx um 20 Jahre gealtert ist. Mein Tellerrand ist gar nicht mal so sehr der Preis. Wobei derzeit habe ich ja Ausgaben die ein echter Schattenweltmensch niemals stemmen könnte. Reis, gebratenes Huhn oder Lachs vertrage ich ganz wunderbar. Da ist nicht so viel Histamin drin wie im Dosenfisch oder in der Salami. Das bisserl Sojaöl geht schon. Sauce mache ich keine. Sauce wäre mein Untergang. Das Gute ist. Bei gebratenen Lachs hält mir der Wortmacher auch keine Predigt wegen der unterbrochenen Kühlkette. Zum Aufwärmen in der Mikrowelle fällt dem nämlich gar nix ein. Ganz im Gegensatz zur Frau Fast-Food-Chinesin. Die hat da Sympathie-mäßig was mit einer österreichischen Frau im Rollstuhl am Laufen, die ihr Gefährt mittels Joystick, immer sehr geschickt durch die Tische manövriert und lieber zu Hause isst mit den Ihrigen.

Ende.

Fazit: Die Gratis-Frühlingsrollen bestelle ich immer ab.
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Ein aktueller Tatsachenbericht aus der Bronx.

Als ich heute aus der Wohnungstür trat, kam mir der Nachbar vom Ende des Ganges entgegen. Wie immer grüßten wir uns freundlich. Wir haben ja nie Trouble. Ins Reden sind wir seit seinem Einzug vor gut 1 ½ Jahren leider noch nicht gekommen. Hat sich einfach noch nicht ergeben. Mein Serbokroatisch langt dafür einfach nicht. Beim türkischen Friseur in meiner Straße, zu dem ich noch regelmäßig gehe, die Betonung liegt auf dem noch, außer die aus der Nase führen was im Schilde, musste ich a bisserl warten. Die Herren Friseure hatten noch gut zu tun. Kam ein Kumpel eines der beiden Friseure bei der Tür herein. Der Friseure und sein Kumpel gingen dann eine Rauchen und a bisserl Schmäh führen, während der Stuhl leer blieb, wie einst der Französische im Ministerrat des EWG, als sich der de Gaulle der geplanten Einführung von Mehrheitsentscheidungen in der gemeinsamen Agrarpolitik durch fern bleiben verweigerte. Der Friseur, den ich immer gut Trinkgeld gebe, und sein Kumpel, machten auch Bussi-Bussi bei der Begrüßung. Es versteht sich von selbst, das der Bussi-Bussi Kumpel vom Friseur nicht warten musste und gleich dran kam. Dabei wäre ich der Nächste gewesen. Möglicherweise gibt es beim türkischen Friseur eine Zweiklassengesellschaft, so wie wir das sonst vom Gesundheitssystem kennen oder der Mann hatte einen Termin. Was weiß man. Auf dem Heimweg, mit schockgefrorenem Gesicht, ich musste Passfotos machen, die eindeutig dafür sprechen, dass ich in den letzen 10 Jahren um 20 Jahre gealtert bin, kam mir bei der Haustür die Frau Chinesin mit ihrem Kinderwagen entgegen. Der Wagen war neben dem Baby noch mit jeder Menge Einkaufszeug belegt. Fragte ich die Frau Chinesin freundlich, ob ihr mit dem Kinderwagen über die Stufen helfen sollte. Sind ja einige. Die gute Frau winkte aber gleich ab und meinte das geht schon so. Nachdem sie den Kinderwagen Stufe und Stufe hochgezogen hatte, was schon a bisserl angestrengt aussah, fing das Baby, das bei der Formulierung meines Versuchs meine Hilfe anzubieten noch geschlafen hatte, laut zu schreien an. Wahrscheinlich war es hungrig, zahnte gerade oder war wegen meiner fremd klingenden Stimme aufgewacht. Was weiß man.

Ende.

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