Mittwoch, 28. August 2019
Am anderen Ende des Durchgangs
In Floridsdorf am Spitz. Ich war auf dem Weg zum Müller Haarshampoo kaufen. Natürlich wie immer mit dem Radl. Das, soweit ich Bescheid weiß, nicht unbedingt aus nachwachsenden Rohstoffen besteht, sondern aus Aluminium und Stahl. Plastik ist natürlich auch dabei. Ich finde den Ausdruck „Kunstleder“ recht charmant. In Brasilien steht der Amazonas wieder mal in Flammen. Der war sogar Thema beim G7 Gipfel. Allerdings soll der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro da anderer Ansicht sein, so wie der Präsident Venezuelas Nicolás Maduro immer anderer Ansicht ist. Falls im aktuellen Spiegel nur die Hälfte von dem was geschrieben steht tatsächlich der Realität entspricht, wovon ich natürlich ausgehe, bei Pornos brüllt ja auch niemand System-Sex, erlebt das Land inzwischen einen Verfall und Exodus der biblische Ausmaße annimmt. Die USA mit ihren ständigen Öl-Embargos. Ich weiß nicht. Ist wie ein Land in den Keller schicken, wenn ihr euch nicht fügt.

Zwischen 1970 und 2018 verschwanden etwa 800 000 km2 von Amazonas, dem nachgesagt wird er sei sowas wie unsere grüne Lunge. Fragen sie mich nicht wohin die 800 000 entschwunden ist. Winzige Teile davon eventuell in meiner Toilette. Was weiß man. Trotzdem sind die größten Sauerstoff-Quellen nicht der Amazonas, Wälder oder das Grasland sondern die Meere. Soll an den titanischen Mengen an Phytoplankton liegen. Aber auch das Phytoplankton hatte schon bessere Tage. Apropos besser Tage. Vielleicht haben sie schon mal vom Film "Schöne Tage" gehört nach dem Roman vom Franz Innerhofer. Als Kind war ich sehr beeindruckt von den Film. Im Kurier steht: "Der Vater nutzt ihn wie alle Knechte und Mägde als leibeigene Arbeitskraft, Holls Bettnässen versucht er mit Schlägen auszuprügeln, Holl wird erniedrigt, misshandelt und ausgebeutet". Kritiker feierten den Schriftsteller Innerhofer als "Elendsrealist". In dieser Tradition stehe ich auch irgendwie. Wenngleich mein Elend einen ganz anderen Charakter hat. Nicht mehr ganz so zwingend. Der Goadfather hat mich zwar als leibeigene Arbeitskraft benutzt, allerdings hinten hinaus mit Bezahlung und das Trinkgeld durfte ich sowieso behalten. Das Bettnässen handelt wir mit Schweigen ab. Zwar erinnere ich mich wie ich das Bettlacken abzog, dass so gelb war wie die Augen vom alten Gustl, der mir als schwerer Alkoholiker lieber war als die Um2 nüchtern. Nur ganz sicher bin ich mir nicht mehr in dieser Frage. Ums Erniedrigen kümmerte sich vornehmlich die Um2. Misshandelt und ausgebeutet wurde ich nach heutigen Wertemaßstäben auch. Was aber gar nix bedeutet. Die heutigen Eltern haben etwaige familiäre Unstimmigkeiten längst der Welt umgehängt. Am Leiden ihrer Kinder ist die Welt schuld, die sich natürlich nur über 35 Banden zu verantworten haben. Alles sehr avantgardistisch. Gott sei Dank weiß dass Ding im Hintergrund wie man das Wort richtig schreibt. Ich konnte es nicht mal richtig denken. Tabs-Kater. Mein Elend zeigt sich wohl dadurch, dass ich all die wunderbaren Sinnangebote hier, die alle Lebensbereiche durchziehen, und von denen es reichlich gibt, im Grunde nicht nützen kann. Denn dort, wo bei den besseren Leuten dass Streben beginnt und sie ihr Leben zu gestalten versuchen, bis hin zu KönigInnen ihrer eigenen Biografie, der sie dieser Welt aus den Leib schneidern, auch wenn es nicht immer passt wie ein Maßanzug, reißt bei mir alle Selbstwirksamkeit ab. Ich bin wie "dead possibilities walking", immerzu bedacht mein Ende zu verwalten wie der Gollum seinen Schatz. Wenn sie mir was anderes vorschlagen, gucke ich sie so an, als ob sie bissl blöde wären. Wofür ich mich dann hinten hinaus schäme. Liegt am Kleinstbürgerlichen. Zu Schuldgefühlen neige ich sowieso.

In den Weltmeeren geschieht ähnliches. Durch die ansteigenden Temperaturen soll die Menge an marinem Phytoplankton seit 1950 um 40% zurückgegangen sein. Tendieren die Weltmeere gar in Richtung Hypoxie sind „Dead Zones“ die Folge. Teile der Ostsee sollen auch schon "Dead Meer Walking" sein. Wehe sie denken bei Hypoxie sofort an mein Blog oder den schwer schizoiden Sohn vom, der zu Lebzeiten im Grunde nicht ansprechbar war. Gestern trafen wir bei den Postkasterl aufeinander. Solange sie nicht persönlich Zeuge werden, wenn der Mann durch die Nase Luft holt, denken sie ich trage nur dick auf. Aber ähnliche Geräusche wie der sie macht, kenne ich so nur von der Saturn-V-Rakete, aus dem Film „Aufbruch zum Mond“, mit der die Crew von Apollo 11 in den Orbit geschossen wurde. Und da auch nur auf den ersten Metern. By the way. Aluminium wird nachgesagt unedel zu sein. Passt zu mir. Meine Q-Zeitung „Die Presse“ titelte heute: „Es brennt an allen Ecken“. Brände setzen ja Unmengen von Treibhausgasen frei. Zum Löschen braucht man Wasser. Das eventuell gerade nicht vorhanden ist. Jeder einzelne Tourist soll am indirekt am Tag bis zu 6575 Liter Wasser verbrauchen. Scheiße wie oft duschen die. Während die Greta mit dem Boot auf ist nach New York. die Welt vor ihren Eltern zu retten, meldet die Lufthansa wieder mal steigende Passagierzahlen. Zwischen Jänner und April sollen allein die Deutschen gut 408 Millionen Tage auf Ausflügen und Reisen verbracht haben. 1,2% mehr als im Vorjahrszeitraum. Die Welt steht also in Flammen, wie meine Kopfhaut, wenn ich das falsche Haarshampoo verwende. Auf der Rückseite eines gewöhnlichen Haarshampoos, wo die Inhaltsstoffe aufgezählt werden ganz kleingedruckt, stehen in der Regel kleine Romane. Meines schafft 25 verschiedene Inhaltstoffe. Grauenhaft was die da alles reinklopfen. Ich sag nur „Pfadabhängigkeit“. Meine Kopfhaut ist fast so empfindlich wie mein Gemüt. Fragen sie mich nicht wie es dazu kommen konnte. Angestellt habe ich mich darum nicht. Zu viel Empfindlichkeit konnte ich mir sowieso noch nie erlauben. Das lässt mein Lebenspfad nicht zu. Gelebte Empfindsamkeit, die entsprechend gewürdigt wird, ist sowieso nur was für die besseren Leute, siehe Greta Thunberg. Nicht dass die jetzt denken ich habe was gegen die junge Frau. Mitnichten. Ich arbeite mich nur an ihrer aktuellen Übergröße ab, die man ihr ja mehr oder minder aufgezwungen hat. Auch durch ihre Kritiker. Keine Ahnung was die gegen sie haben. Die macht doch nix außer ein wenig Blablabla. Wir müssen ja unseren Pfad wie produziert und konsumiert wird ändern. Allein die Verbraucher werden die Welt mir ihrer Scham nicht retten zu können. Denn Umweltschäden kennen keine Scham. Mit der Empathie verhält es sich fast so wie mit dem Geld oder der Wertschätzung. Während einige Wenige, als die 1%tigen geschmäht, damit überschüttet werden, und nicht mehr wissen wohin mit dem ganzen Zeugs, die Leute stehen inzwischen schon Schlange um der Greta die Hand schütteln zu dürfen, kämpfen andere darum die Infrastruktur aufrecht zu erhalten, wie die kleine amerikanische City Medina im Westen des Bundesstaats Washington am Lake Washington, dem Wohnort der Familie Gates und Jeff Bezos. 2020 soll dann Ebbe im Budget der Stadt sein. Auch weil Gemeinden ihre Einkünfte aus Wohnungseigentumsteuern im Bundestaat Washington jährlich nur um 1 Prozent erhöhen dürfen. Eventuell spenden die Gates und Bezos der Stadt ein wenig Geld, wie die Frau Horten der ÖVP. Ich halte das sogar für ziemlich wahrscheinlich. Was sollen die Gates und Bezos auch sonst tun. Die stehen da wohl unter Zugzwang, wenn schon ich in der Bronx Bescheid weiß, dass sie schon bei den W-Eigentumssteuern zu den 1%tigen gehören wollen. Der Jeff Bezos soll inzwischen geschieden sein. 36 Mrd. Dollar hat seine Ex-Frau angeblich bekommen. Eh nur auf dem Papier in Amazon-Aktien. 36 Mrd. Dollar sind real sehr viel Papier. Da müsste man einen eigenen Speicher bauen wie in einem Comic. Besitzt man in Medina ein Haus direkt am Seeufer, wie die Gates und Bezos soll der Ausblick grandios sein. Ich wette die beiden Familien haben noch andere Liegenschaften mit grandiose Aussichten in der Hinterhand, schön mit Terrasse und wunderbaren Ausblick und endlos Personal. Ich guck seit vielen Jahren auf ein Gebäude aus rot-bräunlichem Backstein. Dabei gibt es keinen Grund zu klagen. Mein Blick aus dem Fenster ist mehr als ich mir im Leben erwarten durfte. Wenngleich die Bürde ewiger Dankbarkeit mitunter schon aufs Gemüt schlagen kann. Die Wohnung geht ja auf Goadfather sein Konto. Ich habe mir die hinten hinaus höchstens still erlitten. Allerdings einmal im Monat, wenn ich meiner Nerventante gegenüber sitze, gehöre ich definitiv zu den besseren Leuten. Letztens hat sie sogar wegen mir pünktlich Schluss gemacht. Wertschätzung. Nicht mein Spezialfach. Als die Um2 einst die Frage stellte, „Kind was möchtest du heute gerne essen“, war nicht ich gemeint sondern meine Stief-Cousine. Die ist mit der Um2 in echt verwandt und war auf Besuch. Die Um2 war wie ausgewechselt in diesen Tagen. Ich hingegen war der mit der groben Leberwurst. Wehe ich war deswegen beleidigt. Dann packte sie ihre Nachkriegsqualen aus. Mühelos wechselte sie dann von den echten rüber zu den eingebildeten Leiden. Die Frau stammt aus einer kleinen Gemeinde in Mittelkärnten, älteste Tochter eines Tischlermeisters mit eigenem Betrieb und nicht aus Wiener Neustadt oder Leipzig. Hühner und einen Acker hatten sie auch. Hinten hinaus wurde es dann natürlich nicht besser. Was ziemlich important ist. Die Leute machen sowieso nicht gerne kehrt in ihren Gefühlen. Gehen sie zu weit bleiben sie dort stehen und graben sich in ihrem Selbstwertgefühl ein wie in einer Stellung. Vorwürfe werden nie zurückgenommen. Im Netz gleich gar nicht. Deswegen wurde analog aus der Leberwurst irgendwann zwangsläufig der Keller. Wer sich im Recht fühlt, fühlt zu meist so viel, dass für den anderen kein Platz ist, der dann zwangsläufig ins Unrecht gesetzt wird, wie eine Kuh ihren Haufen. Als europäische Siedler vor 230 Jahren in Australien die Kuh einführten, verschmähten die einheimischen Käfer die Delikatesse. Die waren auf die Exkremente von Beuteltieren eingestellt und sonst gar nix. Die Scheiße der Kühe blieb liegen wie die Kruste auf dem Schweinsbraten. Erst als Forscher in den 60er und 70er Jahren Dungkäfer aus Sri Lanka ins Land holten, wie wir einst, nee dass geht nicht, war das Rinderkotproblem gelöst. Habe ich natürlich aus dem aktuellen Spiegel. Die Um2 hatte ihr Problem mit mir nach dem Keller auch gelöst. Und zwar nachhaltig. Guck, sagte sie zum Goadfather, dein Zweitgeborener ist ein Säufer und Tunichtgut und die Sache war erledigt. Ich natürlich auch. Danach widmete sich die gute Frau wieder ganz ihrem geliebten Garten zu. Ich war inzwischen verblüht, vertrocknet und abgepflückt. Aber das ist eine andere Geschichte, an deren Entwicklung ich ganz allein Schuld trage. Das ist der Um2 sehr wichtig. So lässt es sich leichter leben . Zur Wahrheit muss man einen Durchschnittsmenschen, der im Kleinstbürgerlichen so gut trainiert ist, wie die Nase eines Drogenhundes, in der Regel zwingen. Sonst erschießen die gnadenhalber zehntausende Kinder, die ohne ihre Mütter eh nicht mehr leben hätten können. Nicht im Krieg. Sogar im Frieden erzählen sie dir die abenteuerlichsten Geschichten. Mein Kumpel von der Donauinsel der Eisfahrer, schuldet der Band Austria seit vielen Jahren eine Stange Geld. Umgerechnet 22 000 Euro sollen das sein. Trotzdem hätte ihm die Bank einst einen Kredit über 7 Millionen Schilling gewährt, obschon er weder Eigenkapital noch Sicherheiten hatte, sondern Schulden die er nicht zurückzahlen konnte. Na ja. Was soll man sagen. Hinter einer Sonnbrille versteckte verdrehte ich meinen Augen. Fragen sie mich nicht warum Männer in meiner Anwesenheit gerne zu Übertreibungen neigen. Machen Frauen nie. Ja ja. Vielleicht wollen mich die Herrschaften nur aufmuntern. Sogar der Eismann weiß inzwischen dass ich so gut wie nix kann. Denn würde ich tatsächlich was können, müsste ich nicht andauernd um einen durchgesessenen Klappstuhl herumwuseln auf der Donauinsel, wo der Eintritt so frei ist, dass Frauen sich dort nicht mehr entblößen. Die gehen lieber in ein Bad mit Eintritt für die besseren Leute. Der Eismann sagt ist auch was Atmosphärisches. Natürlich wegen der vielen Neubürger.

Am Franz Jonas-Platz gibt es im Gebäudekomplex mit der Müller-Filiale einen Durchgang. Ein kleiner Junge, nur ganz kurz im John-F Kennedy-Style, saß auf einem roten Mini-Traktor und düste im Durchgang herum. Diese Kindertraktor sind in der Regel immer rot. Seine Mutter war nicht weit. Die telefonierte. Der Traktor-Junge machte da „Kinder an die Macht“. Was war der Herbert 1986 schon prophetisch.

„Sie sind die wahren Anarchisten, Lieben das Chaos, räumen ab, kennen keine Rechte, keine Pflichten
Noch ungebeugte Kraft. Massenhaft".

Der Durchgang ist leicht abschüssig. Der kleine Junge, in bester Stimmung, rollte recht knapp an einem sehr alten Mann vorbei. Der blieb völlig konstatiert stehen und blicke dem Jungen auf seinem roten Traktor hinterher, der weiter rollte und recht a Hetz hatte, wenn er mit seinen kleinen Haxen für noch ein wenig mehr Tempo sorgte. Beweisen kann ich es nicht. Der empörter Blick des alten Mannes, der respektlose Dreikäsehoch war in fast in die Beine gefahren, der noch extremst viel Leben vor sich hat, während das Leben des alten Mannes fast auserzählt ist, bekam fast was Nostalgisches. Der alte Mann guckte und guckte, so als ob er sich in dem kleinen Jungen für einen Moment wiederentdeckte, damals, als bei ihm alles begann. Derweil er guckte und guckte stand er nur so da, schon recht wackelig auf den Beinen, und wie aus der Zeit gefallen. Um ihn herum war ja alles in Bewegung und in Eile. Womöglich war alles auch ganz anders und viel weniger rührselig. Seine Empörung war ja nicht mehr die frischeste. Spätestens mit Siebzig soll das Reaktionsvermögen auf erschreckende Weise nachgelassen.

Ende.

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