Dienstag, 20. Februar 2018
Hiob der Eroberer
Das Grauen, das nackte Grauen. So vertikal und horizontal gekreuzigt kann die Hoffnung auf das ewige Leben niemals sein wie das Grauen derzeit grauenhaft konkret ist. Das sage ich nicht so dahin, ganz auf Netz-Krawall aus, um an Aufmerksamkeit zu kommen, wie ein Tier im Zoo, das sich unnatürlich verrenkt an ein Leckerli. Schauderhaft ist das. Explizit spreche ich jetzt nicht vom Maisfeld-Grauen, also dem typischen Mediengrauen, dem man sich im Grunde schon beim Lesen entzieht. Entzieht man sich dieses Grauen aber nicht, sondern stürzt sich mit Verve drauf wie ein Raubvogel der a bisserl schlecht sieht auf eine leere Cola-Dose, die der Wind die Straße hinunter kullern lässt, bleibt trotzdem nix zurück das einen tatsächlich bedroht oder groß aus der Bahn wirft. Von ausbleibenden Klicks, also ausbleibendem Erfolg spreche ich erst gar nicht. Falls sie tatsächlich erfahren wollen wovon ich spreche müssen sie sich noch a bisserl gedulden. Ich muss da noch a bisserl herumdrucksen. Kurz kann ich es ja anreißen. Ich halte persönlichen Kontakt zu fünf Personen. Zwei sind knapp über Dreißig und noch recht gut im Schuss. Gut dem Hobbit-Anwalt ist als Kind die Mutter weggestorben. Der hat sich bei heute noch nicht von dieser Tragödie erholt. Aber er ist greifbar für mich. Der S. auch, der mit der Gesamtsituation a bisserl unzufrieden ist. Da ist nix erstens. Auf die beiden haben ich irgendwie Zugriff wenn es drauf ankommt. Bei den drei anderen, zu denen ich analog kaum bis keinen Zugang habe, schaut die Sache a bisserl anders aus. Die laborieren derzeit an einer explodierten Netzhaut, also drohender Blindheit, ein Auge ist schon eingeknickt und macht nix mehr, den Nachwirkungen von Brustkrebs mit Amputation beider Brüste und einen Schlaganfall des Ehepartners. Namen möchte ich keine nennen. Vielleicht verliert das Grauen dann irgendwie die Übersicht und weiß nicht mehr wer was hat und stürzt sich unglücklich von einer Klippe. Explodierte Netzhaut und drohende Blindheit läuft schon länger. Damit habe ich umzugehen gelernt. Brustkrebs mit Amputation ist seit Jänner aktuell und der Schlaganfall ist ganz frisch vom Wochenende. Dieser Mensch ist noch keine Fünfzig. Ich fragte in einem Email wie es dem Kater geht und als Antwort bekam ich Schlaganfall vom Ehepartner/in. Was die Sache so kompliziert für mich macht ist die Tatsache dass ich den betroffenen Personen nicht wirklich helfen kann. Dafür sind die zu digital, also zu weit weg und Codehaft aus 0 und 1sen, als dass ich schnell mal vorbei komme und mich nützlich mache. Digital und analog passt da nicht zusammen. Grauenhaft wie diese Welten im Ernstfall auseinanderklafften. Diese Ohnmacht gegen eine digitale Katastrophe, analog, also konkret nix zu tun zu können, macht die Sache gleich noch viel grauenhafter, wo man doch als Mensch das Bedürfnis hat, anderen Menschen in ihrer Not beizustehen. Da hat man doch recht viel Antrieb wie ich an und in mir bemerkt habe. Fühlt sich schrecklich an wenn dieser Antrieb dann völlig ins Leere stürzt. Alles was ich machen kann ist a bisserl Schmäh führen. Nicht sehr befriedigend. Fühlt man sich fast wie ein Lügner der bei einer großen Lüge ertappt wird. Gestern bin ich vor diesem Grauen, das mir in Mark und Bein fuhr, wie sonst nur der Ischias ins Kreuz oder eine Seligsprechung in einen Verstorbenen, richtiggehend davon gelaufen. Bis nach Floridsdorf bin ich von der Bronx aus gegangen, um dort Schokolode zu kaufen, obschon ich noch 10 Tafel zu Hause liegen habe, dermaßen erschüttert war ich. Dabei gehöre ich nicht zu jenen die sich gierig aufs Leid anderer stürzen, um sich gebraucht und wichtig zu fühlen. Eigentlich will ich nicht darüber schreiben. Es ist nicht mein Leid. Das gehört den Betroffenen. Sollen die doch darüber schreiben. Ich würde nur gerne helfen wollen, aber das geht nicht. Dafür müsste ich schnell runter nach Kärnten an der Um2 vorbei, von dort in einen Flieger nach Deutschland und dann weiter nach Australien. Und dann sofort wieder zurück weil mir inzwischen die Schizo-Tabs ausgegangen sind. Eigentlich habe ich jetzt eh schon alles erzählt. Drohende Blindheit, amputierte Brüste und ein Schlaganfall, der gleich doppelt zuschlug. Bin ich also vor diesem Grauen davon gelaufen. Ich vertrag ja nur so eine Spezial-Schokolode für Schokolade-Mongos. Mein derzeitiges Grauen ist also das Gegenteil vom typischen Medien-Grauen und ich-bin-in-meinem-Leben-am Ende-angekommen Grauen. Versuche ich es halt wieder mit Abschweifen. Im aktuellen Spiegel stand was über Wiener Würstchen, mit denen drei Krankenpfleger, zwei Männer und eine Frau, eine pflegebedürftige Frau penetrierten. Dieser Vorfall wäre aber nie bekannt geworden, wenn die drei Schlawiner nicht auch noch zwei hochbetagte Pflegeheimbewohnerinnen umgebracht hätten. Aha, dachte ich mir, sehr schön, wie es aussieht kann ich jetzt eine Zeitlang nur noch Frankfurter-Würstchen essen. Bei Wiener-Würstchen spielt mir mein Verstand derzeit einen üblen Streich. Wollte ich schon im Supermakt Wiener Würstchen durchstreichen und Frankfurter drüber schreiben. Aber ganz gleichgültig wie sehr man vorstellungstechnisch auch ins Wiener-Würstchen-Grauen schmeißt. Dieses Grauen sorgt höchstens für einen kurzen Moment der Ernüchterung, damit der Weltekel was zu tun hat. Betroffen macht es einen nicht wirklich. Das Grauen wird erst so richtig grauenhaft wenn es persönlich wird, wenn einen ein echter Mensch am Telefon davon erzählt oder eine Email schreibt und einen auf dem Laufenden hält. So viel kann ich sagen. Über ein Zeitungsgrauen hat man schnell einmal hinweg geblättert, das fährt einem nicht so in die Eingeweide, wie die Stimme eines wahrhaftigen Menschen, egal ob jetzt in Wort oder Schrift. Darüber kann man nicht hinwegblättern. Nicht einmal davon gehen kann man. Schlimmer als das Wiener-Würstchen-Grauen hat mich sogar die Nachricht getroffen das des mit meinem Übertritt ins neuosmanische Reich, in der Bronx müsste ich dafür ja nur die Straßenseite wechseln, eher nix wird. Zumindest nicht in näherer Zukunft. Dort wird gerade im Akkord „Lebenslänglich“ verteilt wie sonst nur noch in Südkorea Medaillen. Im Jänner hatte das türkische Verfassungsgericht noch die Freilassung des ehemaligen Chefredakteurs der Zeitung „Taraf“ Ahmet Altan angeordnet. Das türkische Strafgericht hielt das aber für keine so gute Idee den Mann auf freien Fuß zu setzen Die machten aus Freilassung im Handumdrehen lieber Lebenslänglich. Eigenartige Welt ist das. Man weiß alles und tut gegen so ein schwerwiegendes Unrecht genau so wenig, als wenn man von gar nix weiß. Soll ich aus Protest jetzt nicht mehr beim Türken in meiner Straße einkaufen? By the way. Medien liefern keine Handlungsanweisungen. Die sagen einem nicht was man mit dem Zeitungswissen jetzt konkret machen soll. Die informieren einen nur am laufenden Band mit Grauslichkeiten. Man ist da auch ziemlich hartgesotten. Vor dem Unglück in der Welt bin ich noch nie zu Fuß nach Floridsdorf gegangen. Wegen mir auch noch nicht. So schwer fühlt sich mein persönliches Unglück nicht an dass ich davor bis nach Floridsdorf rennen muss. Das ist eher ein Schlendern. Schon gar nicht auf Seroquel Normal + XR. Das lässt sich aussitzen. Egal wie weitläufig und bunt das nicht gelebte Leben auch sein mag. Es fühlt sich niemals wie ein Verlust an. Schon gar nicht für einen Schattenweltmenschen. Aber vor dem Netzhaut-Apokalypse-Brüste ab-Schlaganfall-Leid bin ich wie von der Tarantel gestochen aufgesprungen und davon gelaufen. Selten habe ich mich so unnütz und überflüssig gefühlt wie derzeit. Wie ich immer zu sagen pflege. Die digitale Freiheit hält nicht was sie verspricht. Die lässt einen nur ratlos zurück und sonst gar nix. Ratlos und a bisserl beschämt.
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Fragen sie mich nicht warum ich jetzt bei ausbleibenden Klicks, assoziativ an ausbleibende Schäden denke. In einem anderen Zusammenhang und zwar eines Schönheitswettbewerbs habe ich was über „symbolische Gewalt“ gelesen. Ist angeblich was Französisches dieses Gewalt. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu hat den Begriff in die Welt gebracht, so wie die digitale Revolution den Begriff Fake News in die Welt brachte oder die digitale Anteilnahme am Unglück eines anderen die nie konkret wird. Ich gehe mal davon aus, das diese symbolische Gewalt schon vorher in der Welt war, bevor der Pierre diese dann zu einer eigenen Begrifflichkeit verhalf. Die digitale Welt ist im Ernstfall noch viel flacher als man annimmt. Reines Blablabla wie Wikipedia. Ein Schlaganfall (auch Gehirnschlag, Hirnschlag, Apoplexie,[1] zerebraler Insult, apoplektischer Insult, Apoplexia cerebri, Ictus apoplecticus..... Grauenhaft. A bisserl anders verhält es sich mit psychischen Erkrankungen. Da wird hinter vorgehaltener Hand gemunkelt, das sich die pharmazeutische Industrie zuerst einmal ein Medikament erfindet und danach dass psychiatrische Fachpersonal auffordert, zu dem Medikament eine passende Krankheit zu kreieren, so wie man einen neuen Duft kreiert, wenn man in der Sparte Parfüms seinen Aktionären eine fette Dividende versprochen hat. Novartis soll in dieser Richtung in Griechenland ganz intensiv geforscht haben. Eine Miss-Wahl ist also unzweifelhaft eine Form von symbolischer Gewalt. Weiter vielleicht.

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Ich glaube, man schafft das einfach nicht, dauernd am Unglück der Anderen Anteil zu nehmen. Wenn es die Menschen trifft, die einem nahe stehen, kann man wenigstens ansprechbar sein, selbst wenn man nicht konkret helfen kann, aber man kann zuhören, versuchen zu trösten. Aber all das leid in der Welt? Klar, kann man punktuell spenden oder sich eine Sache raussuchen, wo man aktiv wird, aber alles, was täglich durch die Medien rollt? Wer soll das aushalten?
Manchmal - wenn ich einen guten, ausführlichen Artikel lese (falls ich die Zeit finde) - kann ich mich noch gewaltig aufregen, um mich dann direkt ohnmächtig zu fühlen. Türkische Produkte boykottieren? bin ich noch gar nicht drauf gekommen. Was, wenn der Gemüsehändler ein erbitterter Erdogan-Gegner ist? Die Hälfte der Türken findet Erdogan ja auch zum Kotzen. Andererseits ist das wirtschaftliche in die Knie zwingen ein wirksames Mittel, Despoten dauerhaft zu schwächen. Ich versuche es einstweilen damit, die Türkei als Urlaubsland auszuschließen. Das tue ich aber schon länger. War ja vorher auch nicht gerade ein wirklich freies Land.

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Frau Fabry. Wir machen die Welt zu einem besseren Ort durch die eine moralisch gebotene Urlaubsplanung. Mein Problem ist die nie große Welt derzeit sondern meine kleine Welt.

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Ach Mann,
als wäre moralische Urlaubsplanung ein probates Mittel. Natürlich bringt es nichts, keinen Urlaub in der Türkei zu machen. Ich habe da nur einfach keinen Bock drauf. Und erst einmal in der eigenen kleinen Welt zurechtzukommen ist ja ziemlich gesund.

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Das ist mit das Schwierigste, mit Katastrophen im unmittelbaren Umfeld richtig umzugehen. Dem allgemeinen Elend der Welt kann man sich ja zu einem gewissen Grad entziehen mit der Reduzierung und Feinsteuerung des Nachrichtenkonsums. Aber wenn die Ex mir (just gestern passiert) auf Facebook schreibt, dass ihr Papa grad ne Krebs-OP hat und ich bitte schön alle verfügbaren Daumen drücken möchte, komme ich natürlich auch ins Rotieren.

Von daher verstehe ich das, wenns Ihnen, Herr S. grad etwas viel wird.

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Mit ihnen habe ich online Kontakt und ihnen fallen die Nieren hinten raus. Schön langsam komme ich mir vor wie Lucifers-Neffe. Wer mit mir in Kontakt tritt muss davon ausgehen das es gleich mal rumpelt im Karton und ziemlich grauenhaft wird. Spaß bei Seite.

Man fühlt sich a bisserl wie ein Leid-Hochstapler.

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Man fühlt sich a bisserl wie ein Leid-Hochstapler.

Das bleibt nicht aus, wenn man sich bewusst macht, dass es Leute gibt, die es schlimmer getroffen hat. Geht mir doch nicht anders. Jeden Morgen, an dem ich zum Nierenzentrum komme, sehe ich die Krankentransporter, welche die Patienten herankariolen, die es nicht mehr aus eigener Kraft schaffen, in Relation dazu bin ich doch noch recht jungdynamisch unterwegs. Noch paar Grad wärmer, dann steige ich um aufs Rad.

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Das ist die eine Sache. Die andere ist dass ich ja nicht vor Ort bin wo die Krankheit gerade Einstand feiert. Ich bin nicht mehr als ein interessierter Beobachter. Daran ist auch das digitale Ding schuld. Ich kann von der Bronx aus mit jemanden aus Melbourne oder Berlin Schmäh führen, aber für diese Person mit dem Hund Gassi gehen oder einkaufen, wird doch zu einer Aufgabe die ich nicht zu bewältigen weiß.

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Ja, das stimmt. Bin von den Ex-Eltern auch zu weit weg, um da irgendwas konkret tun zu können, so bleibt mir nicht viel außer Daumen drücken.

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Sie sind mit ihren Chemos eh ganz vorne dabei. Da müssen sie ihr krankes Licht nicht unter den Scheffel stellen. Was wollen sie denn noch? Totales Nierenversagen. Bei mir muss man schon genauer hinsehen. Viel genauer aber irgendwann zündet es. Die Leuten denken ich scherze und mach mich wichtig wenn ich schreibe das ich am Ende bin und nicht gesellschaftsfähig. In letzter Konsequenz nicht zu kontrollieren. Auch für mich nicht. Gott sei Dank neige ich nicht zu Gewalt. Aber die Freiheit der Irren stürzt im Grunde immer nur ins Leere. Da gibt es kein halten. Kann man ja an meinem Blog bzw.. an der Entwicklung sehen. Gibt ja keine. Sinnlos sich mir annähern zu wollen. Eben weil das sinnlos ist schreibe ich ja Texte.

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Ich will die Erkrankung auch nicht künstlich runterspielen, betrachten Sie das mehr so als Schutzmechanismus gegen Selbstmitleid.

Und Sie, Sie sind eh ein Spezialfall. In jeder Hinsicht.

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