Dienstag, 15. Oktober 2019
Werner. Machs drüben noch einmal im weißen Pullunder .
Mein Badminton-Kumpel aus Jugendtaten der Werner ist mit 51zig an Bauchspeichendrüsenkrebs gestorben. Hat mir der Goadfather gerade gemailt. Zum Tod fällt mir nix ein. Schon gar nicht dem vom Werner. Der Woody Allen sieht den Tod als eine effizientere Möglichkeit weniger Geld auszugeben. Aber das ist nur so ein besserer Sager der halt gut klingt. Er selber ist 83zig. Im Netz gibt es ja zu jeden Anlass einen weißen Spruch. Eventuell gebe ich in die Suchleiste von Google ein: Werner-51-Bauchspeichendrüsenkrebs-Kumpel-Tod-Badminton und die dortigen Algorithmen suchen dann was passendes. Eventuell eine günstiges Abo für den Club Danube oder fürs MaXX Sportcenter für Ü-50zig. Es ist so disgusting. Der Tod ist nie passend. Das ist höchstens der scheiß Sarg. Und was bitte ist schon weiße an einem Tod mit 51zig. Nix als eine radikale Auslöschung von Leben. Ganz übel finde ich "102 Trauersprüche für Beileidskarten und Beerdigungen". Dann steht da noch "Trusted-Shop", fünf von fünf Sternen. Was auch stimmt. Der Tod bescheißt niemanden. Ich muss recht früh im Leben ansetzen, weil der Werner und ich uns im Leben bald mal aus den Augen verloren und später nicht nach uns gesucht haben. Das passiert einfach. Wir hatten fürs weitere Leben wohl keinen gemeinsamen Ansatz. Wobei. Er für sein Leben natürlich. Ich weniger. Deswegen erzähle ich davon wie der Werner und ich uns als Jugendliche epische Schlachten am B-Court lieferten. Zumeist trafen wir in 1/4 oder 1/2 Finals aufeinander. Natürlich national. Lief immer extremst fair ab. Der Werner war keiner der bei ganz engen Spielständen zu unlauteren Mitteln griff. Tatsächlich nie. Das färbte ab. Unweigerlich sogar. Wir lebten ja auch in gütigen Zeiten wo nicht das Unrecht herrschte. Wir konnten wählen. Zwar gab es noch die Alten, die dieses und jenes noch bis zur Vergaßung tun wollten. Wir allerdings weniger. Ich kann mich nicht an ein Match erinnern wo ich den Werner beschissen habe, weil ich ums verrecken nicht verlieren konnte. Ich habe nur die Kinder der besseren Leute beschissen. Und das auch nur aus Protest. Denn so richtig schlimm haben zu meist sowieso nur jene Jugendlichen beschissen, oder sagen wir übervorteilt, die schön behütet mit Mami und Papi zu den Turnieren reisten und das ganze Wochenende über verhätschelt wurden. Fragen sie mich nicht warum. Wir hatten nur einen Betreuer dabei der sich nur für den äußeren Rahmen verantwortlich fühlte. Besser ging`s nicht. Ehrlich. Wir waren sozusagen die Hardcore-Fraktion der österreichischen B-Szene, die Unbeaufsichtigten, berüchtigt wie gefürchtet. Eventuell gingen der Werner und ich auch so freundlich miteinander um, weil wir lokal hinaus wieder zusammen nach Hause stiefelten. Nach jedem Training genauso wie nach Turnieren. Wir wohnten einige Jahre in der gleichen Straße. Da laufe ich doch nicht mit Schuldgefühlen beladen neben ihm her. Genau das ist auch der Grund warum das Netz inzwischen eine ziemliche Kloake ist. Wir laufen in echt nicht nebeneinander her. Der Ausgang unserer Partien folgte immer einem ganz bestimmten Drehbuch. Letztendlich war ich der mit der Lunge, der dann den Entscheidungssatz für sich entscheiden konnte. Spielerisch war da nix auszurichten für mich gegen den Werner. Im Sport-Jargon sagt man: Ich musste über den Kampf ins Spiel finden. So ist es heute noch. Nur über den Kampf mit den Worten komme ich zum Schreiben. Nur mit Kampf kann ich mich im Spiel halten. Eigenartigerweise sind diese Siege gegen den Werner alle verblasst. Wohl auch weil ich in zu vielen Finalis vom Markowitz Sprinner nach Strich und Faden abgezogen wurde. Wir spielten alle im selben Verein. Niederlagen scheinen sowieso einen anderen Geschmack zu haben als Siege. Ist was Tiefenpsychologsiches. Die gehen tiefer. "Eddie noch tiefer. Das muss der Mensch, nee das Boot abkönnen". Mit dem Markowitz Sprinner, fragen sie mich nicht wie der zu seinem Spitznamen kam, spielte wir noch in einem anderen Verein Fußball. Da sah es dann wieder etwas besser für mich aus. Ob wir gut waren. Selbstverständlich, was sonst. Natürlich nicht gut genug für die ganz große Bühne. Einzig Kinder und Jugendliche die Leistungssport betreiben oder was Musisches machen wo ähnlich gestrichen wird, wissen wie eng die wird. Da ist nix mit Inklusion. Vor allem wenn man als 3/4 Talent mit echten Talent konfrontiert wird das einen um Meilen überragt. Eine brutale Erfahrung. Schmerzlich wie heilend zu gleich, zu erfahren, nicht der Nabel der Welt zu sein. Trotzdem oder gerade deswegen. Genau diese große Bühne hatte der Werner einmal ganz für sich alleine. Die machte ihn niemand streitig. Auch nicht die ganz großen Talente, die sich in der Regel alles an Glanz und Gloria unter den Nagel reißen. An diesen Vorgang erinnere mich noch so genau, als ob es gestern war oder eben ernst. Nationales Jugend-Ranglistenturnier. Irgendwo in Niederösterreich oder der Steiermark. Alles was in Österreich Rang und Namen hatte war vor Ort. Und der Werner hat uns alle rasiert. Ganz ohne Schaum. Einen nach dem anderen. Zack-zack-zack. Da gab es nix zu Zylissen für uns, die den Werner sonst in die Tasche steckten. Unvergessen wie wir staunend auf der Zuschauertribüne saßen und uns schmähstad anguckten, weil sich Werner in einen richtigen Rausch gespielt hatte und weit über sich hinauswuchs. Tatsächlich weit. Ich weiß noch ganz genau das er auf seinem Triumphzug durch die Instanzen einen weißen Pullunder über seinem T-Shirt trug. Den zog er das ganze Turnier über nicht aus. Hinten hinaus hatte er das Turnier dann auch gewonnen. Was sonst. Big Win für den Werner. Wenn nicht sogar ohne Satzverlust. Was er in seinen Niederlagen für Sachen trug dürfen sie mich nicht fragen. Als er triumphierte war weißer Pollunder. Ganz sicher. Ob man als Mensch auch über den Tod hinauswachsen kann. Schwer zu sagen von der Bronx aus. Aber wenn dass einer hinbekommt dann sicherlich der Werner, sobald er den weißen Pullunder auspackt. Das sagt man so. So etwas zu sagen ist wie schweigend sprechen bzw. schreiben. Was für ein Mensch der Werner sonst noch so war oder zu was für einen Menschen er wurde, entzieht sich leider meiner Kenntnis. Ich hielt ihn für einen feinen Kerl. Wir hatten nie Stress. Jedoch für vieles weitere, eventuell auch wesentliches ist einfach zu viel Wasser im Flussverlauf des Lebens versickert. Das letzte Mal in echt habe ich den Werner wohl vor 35 Jahren gesehen. Ich denke, eine Zeitlang spielten wir auch zusammen Fußball. Der Werner als linker Verteidiger und ich im Mittelfeld. Aber da bin ich mir nicht mehr so sicher, wo wir beim Kicken doch alle identische Klamotten trugen. Was ich eventuell noch sagen kann. Schon in Jugendtagen war der Werner keiner der sich wie ich in Landwirtshäusern herumtrieb, schön besoffen und voller Weltfluchtangst, als versuchter Land-Marlon Brando-Verschnitt, mit einem Hang zum Sandler, natürlich scheiternd auf allen Ebenen. Der Werner hatte nix von einem Halbstarken oder Flüchtigen. Der Werner war eher ein kleinstbürgerlicher Familienmensch, der in Gas-Wasser- Heizung machte. Woran es nix aussetzen gibt. Nicht das Geringste. Gas-Wasser und Heizungs-Menschen sind extremst important, Klimawandel hin oder her. Wenn es Spitz auf Knopf kommt und es um ihre funktionierende Therme geht oder um Aphorismen über kaltes Wasser in welches man im Leben geworfen wird, wendet man sich vorderhorstig mal an den Werner. Oder nicht? Eventuell macht der Werner auch im Himmel Gas-Was und Heizung. Was weiß man. Schlüssig erklären kann ich es mir nicht. Eines sollte die Welt noch unbedingt über den Werner wissen. Er war Linkshänder.

Ende.

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