Donnerstag, 2. Mai 2019
Grandiose Satire
Im aktuellen Spiegel Nr. 18 gibt es ein sagenhaft lustiges Gespräch über Elternschaft und Geschlechterrollen, mit der Philosophin Svenja Flaßpöhler, ihrerseits noch zweifache Mutter, und dem Autor Florian Werner, seinerseits wiederum zweifacher Vater. Schon lange wurde ich nicht mehr so gut unterhalten wie von den beiden in diesem Gespräch. Da hat sich mein Abo aber mal bezahlt gemacht wie man im Kapitalismus zu sagen pflegt. Sich ausgezahlt geht natürlich auch. Wenngleich ich sagen muss. Was lichtwelthafte Verbeulung betrifft kann die Frau Flaßpöhler mit ihrem Ehemann nicht ganz mit. Eventuell ist das auch beabsichtigt. Die Frau Flaßpöhler hört sich für einen Schattenweltmenschen wie mich noch recht vernünftig an. Ihr Mann hingegen schlägt jedem Fass der Vorstellung den Boden durch. Der sagt Sachen. Sagenhaft, weltklasse. Da haut`s dir ein ums andere mal die schattenwelthafte Sicherung raus, wenn der Mann argumentativ etwas weiter ausholt und Richtung Frankreich übersetzt. Diese Deutsche aber auch. Entweder brechen sie mit Panzer oder mit Zitaten durch die Maginot-Linie. Gibt kaum etwas das furchteinflößender ist, als ein Mann der bekennender Feminist ist. Also einer, der da wirklich ernst macht und nicht nur an einem belebten Menstruationsstöpsel riecht, wie am Korken eines exzellenten Rotweins. Als Schattenweltmann wird einem der Kerl irgendwann richtiggehend unheimlich. Da macht der artig sieben Monate Elternzeit, mit allem drum und dran, beteiligt sich vorbildlich und gleichberechtigt an der Erziehungsarbeit, wickelt wie der Teufel und geht Babyschwimmen ohne Ende, weshalb das Baby bei der 2 Meter Delphin-Bezirksmeisterschaft nicht zu schlagen ist und erlebt sich dann als Vater bzw. Mann doch wieder als völlig unzulänglich und unzureichend. Der Grund? Im Ernstfall fällt er als Mann auf ein nicht säugendes Säugetier zurück, nicht im Stande sein Babytöchterchen zu beruhigen, derweil die Mami einen Vortrag hielt und er im Hintergrund den Kinderwagen hin und her schob. Aber abgesehen von solchen „Mikrotraumata“ soll die Vaterschaft schon eine ganz wunderbare Erfahrung sein. Ich nehme mal an dass die Reinigung der Altbauwohnung nicht mehr zu den elterlichen Pflichten der beiden gehört. Stichwort: Quality time. Scheißhaus wird am Prenzlauer Berg wohl ausgelagert. Der Mann ist auch sehr um Begrifflichkeiten bemüht, wie es sich für einen Intellektuellen-Haushalt nun mal gehört. Statt von Erziehungsarbeit sollte man lieber von Erziehungsfreuden sprechen. Sicherlich. So eine angeschissenes Baby mitten in der Nacht stelle ich mir als die reine Freude vor. Die beiden Vorzeige-Eltern vom Prenzlauer Berg, in weltanschaulichen Fragen extremst divers, schicken ihre Kinder auch nicht auf eine Privatschule, sondern ganz bewusst in eine öffentliche Einrichtung. Aus schattenweltlicher Perspektive betrachtet fragt man sich dann natürlich was für eine Sorte von lichtwelthaften Helikopter-Eltern schlimmer sind. Jene mit den Privatschulen von klein auf, die ihren Nachwuchs sofort in Kaderschmieden überstellen und so vollendete Tatsachen schaffen, zwischen den Seienden und den Prekären, oder jene, die ihre Kinder so zum Einstieg hin in öffentliche Einrichtungen schicken, und so den Prozess der Segregation, der unweigerlich kommen wird, darauf können sie Gift nehmen, noch ein paar Jahre aufschieben, um ihr Gewissen zu besänftigen. Besser gesagt um ihren persönlichen Lebenszufriedenheits-Index zu steigern. Bessere Leute sind da sehr penibel. Die hören ganz genau in sich hinein. Sagt jemand "Carpe diem" wird mir auch schon fürchterlich schlecht. Ich kann doch nix dafür dass die Lebenszeit ein knappes Gut ist. Vor allem im Jemen. Die Eltern Flaßpöhler und Werner haben eine Tochter und einen Sohn. Obschon sie es tunlichst vermieden haben ihre beiden Kinder eine vorgefertigte Geschlechter-Identität aufzuzwingen oder überzuziehen, Rosa für Mädchen und Blau für Buben, hatte die Tochter ihre Prinzessinnen-Lillie-Phase. Und extrem pferdebegeistert soll das Kind mit elf Jahren noch immer sein. Der vierjährige Sohn wiederum leistet sich beim Kindersport Raufereien, spielt mit dem Auto und benützt Stöcke als Schießgewehr. Und das Unglück der Biologie zog schon vor den ersten Berührungen der beiden Kinder mit der Kita in deren Psychen ein. Was sagt uns das? Den Vogel schießt der Herr Vater dann allerdings hinten hinaus ab im Gespräch, als der die Vorliebe seines Sohnes für Autos, mit den Wortden des französische Philosoph Paul Virilio erklärt. Der soll gesagt haben, dass die Frau das erste Transportmittel der Gattung Mensch ist. Das ergibt sich wiederum durch den Sprachgebrauch. Die Geburt eines Kindes ist nun mal von Metaphern des Personentransports geprägt. Da kommen wir nicht drum herum. Die Frau bringt das Kind zur Welt, so wie Kurier ein Packerl bringt. So gesehen ist ein Rüde, der ein Stöckchen wieder und wieder zurückbringt, in Wahrheit nicht von seinem Jagdinstinkt angeleitet, sonder vom Wunsch eine Frau der Gattung Mensch sein zu wollen. Das ist dann was Tiefenpsycholgisches beim Rüden, der auf den Hund gekommen ist. Frage: Ein Hund der nix lieber tut als einem Stöchchen hinterher jagen, nützt der seine knappe Lebenszeit redlich oder ist der nur a bissl deppert? Laut der Expertise des Herrn Werner weiß die zur Welt bringen Metaphorik angeblich mehr über uns als wir selbst. Sicherlich. Die Metaphorik ist ja ein Vorgang, der auch Abseits vom Gebrauch der Sprache vor blüht und gedeiht. Stellen sie die „zur Welt bringen Metaphorik“ ins Fenster, schön dem Licht zugewandt und die sprießt und gedeiht wie auf Zypern die Zitronen und Orangen. Zypern hat aktuell den ersten Serientäter. Als der Herr Vater Werner erfuhr dass seine Frau einen Jungen in sich trägt, bekam er es sofort mit der Angst zu tun. Warum. Schwer zu sagen. Wenn ich ihn richtig verstehte, wovon ich nicht zwingend ausgehe, ist er dann einerseits nicht mehr der Platzhirsch im Club, schön unangefochten und mikrotraumatisiert, anderseits muss sein Sohn dann wohl den ganzen Jungmännerquatsch durchmachen. Und das ist ganz fürchterlich klagt der Herr Werner. Noch so ein mittelschweres Mikrodrama. Also ich finde der Jungmännerquatsch hat wesentlich mehr Spaß gemacht, als aktuell der Letztgeviertelten-Altmännerquatsch, wenn es dann Richtung Prostata geht und weiterer Verfallserscheinungen, die schon so offensichtlich sind, dass dir jüngere Menschen beim Aufstehen helfen wollen, nachdem es dich hingelegt hat. Die Sorge des angehenden Papas, dass sein Sohn ein übler Macker und Macho wird, war so groß und dringlich, wie hinten hinaus dann höchsten noch der Harndrang mitten in der Nacht. Bestimmt Herr Werner. Am Prenzlauer Berg, mit einer schönen Altbauküche, wo die Mikrotraumata aus französischen Philosophen sprießen, wächst eine neue Generation von Macker und Machos heran. Der junge Flaßpöhler/Werner macht dann einen auf I`m so rich man Babo, der deine Schwester save macht, schon vor seinem Live-Gig und die Bitch weg knockt. Einen vorgeburtlichen Alptraum hatte Papa Werner auch. Der war lehrbuchhaft. Sein ungeborener Sohn erstach ihn mit dem Phallus. Ka Spaß. Schon vorgeburtlich ging sein Sohn auf ihn los mit dem Phallus. Sowas gibt es in der Schattenwelt nicht. Wir lassen uns da Zeit. In der Schattenwelt erstechen ungeborene Söhne ihre Vater vorgeburtlich so gut wie nie. In Einzelfällen gehen diese Söhne zwar auf ihre Schwestern los. Das ist aber eher was Nachgeburtliches. Uns sind Konflikte, die sich freudianisch-ödipal oder ödipal-freudianisch herleiten lassen, gänzlich unbekannt. König Ödipus von Sophokles lesen wir auch eher seltener. Wenn wir was mit König machen dann höchstens mal den König der Löwen. Hinten hinaus gucken wir dann bei Boxkämpfen zu, wo einer der Kämpfer einen Kampfnamen hat, in dem das Wort König oder King eine wichtige Rolle spielt. Erklären lassen sich all diese wundervollen Vorgänge um eine intellektuellen Elternschaft auch durch die Beobachtung der Entwicklungspsychologin Inge Seiffge-Kremke. In vielen Köpfen ist der gute Vater heute eine zweite Mutter. Das Problem: Er ist dann immer nur die zweitbeste Mutter. Gegen die leibliche Potenz der Mutter kommt auch der beste Papa nicht an. Ganz übel wird es für den Mann, wenn die Mutter auch noch beruflich extremst potent ist. Dann wird`s traumatisch für den Mann. Unbedarft wie ich nun mal in vielen lichtwelthaften Angelengheiten bin, habe ich mir einen Abend mit den beiden vorgestellt. Schön Milieu-übergreifend und gemütlich um den Tisch in der Altbauküche sitzend. Wenn dann die Frau Flaßpöhler in der Frage weiblicher Potenz in die Vollen geht und der Herr Werner total harmonisch rüber schwenkt zu den französischen Philosophen, würde ich wohl beim vierjährigen Sohnemann Zuflucht suchen und mit dem einen Film gucken. Vielleicht was pädagogisch extremst wertvolles mit dem Charly Chaplin oder Bud Spencer und Terence Hill. Black Beauty mit der Tochter wäre auch noch eine Option. Vielleicht gefällt der aber schon „Der Pferdeflüsterer“. Was weiß man.

Ende.

Fazit. Der gelungenste Satz aus dieser Spiegel-Woche ging aber an den Kunsthistoriker Frank Zöllner. Zum Thema Leonardo da Vinci und seinem Bild „Salvador Mundi“ das um 450 Millionen Euro den Besitzer wechselte, sagte der Mann: „Es ist ja nicht viel Geld für diese Leute. Manche Menschen wissen nicht, wohin mit ihren Einkünften. Ich spreche dann vom verzweifelten Geld".

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