Mittwoch, 1. Mai 2019
Ein unverhoffter Jungbrunnen
Schon länger erfreue ich mich nicht mehr bester Gesundheit. Aber in Anbetracht der Umstände bin ich noch ganz gut in Schuss was meine Fitness betrifft. Da gibt es keinen Grund zu klagen. Ich würde fast drauf wetten, dass es eine aktuelle Arbeitshypothese gibt, die den gesundheitlichen Ist-Zustand und den Grad der Fitness einer Person direkt mit der Kindheit in Verbindung bringt. Wer hinten hinaus dann kurzatmig ist oder sonst wie auffällig hinfällig und vor der Zeit gealtert, der hatte sicherlich keine gelungene Kindheit. Eventuell wurde so ein Kind dann vom Daniel Cohn-Bendit betreut. Was weiß man. Heute muss man als Niemand unbedingt alt werden, auch wenn einem zum Leben überhaupt nichts mehr einfällt. Jung sterben dürfen aktuell nur die Außerwählten der Bespaßungsindustrie, für eben genau diese Namenlosen, aus der Armee von Followers auf Instagram, bei denen es nur zur gezwungener Bewunderung oder aufrichtigen Neid langt. Klicken sie sich mal auf Instagram durch die Fotos vom Herrn Ronaldo oder der Frau Selena Gomez. Dort gelingt alles. Nein dort muss alles gelingen. Steuerbetrug und "Sex auf die harte Tour" macht der Herr Ronaldo dort weniger. Dafür schnürt er Schuhe. Eventuell für härtere Tage. So serh wie die Kindheit in den letzten 50 Jahren in den Fokus der Wissenschaft geriet, und zur alles entscheidenden Zeitspanne im Leben eines Menschen erklärt wurde, wo sich alles weitere konstituiert und verfestigt, weshalb dann hinten hinaus nur noch ein paar ganz kleinen Stellschrauben der Selbstwirksamkeit gedreht werden kann, kommt es fast schon einem Wunder gleich, wenn Personen mit einer weniger gelungenen Kindheit nicht eine Spätabtreibung ans Herz gelegt wird. Natürlich von jenen mit einer herausragenden Kindheit. Sagen wir mit spätestens 40zig. Wer bis spätestens 40zig sein Haus noch nicht bestellt hat, naturgemäß im kleinstbürgerlichen Sinne, wird auch mit 50zig nicht das Zeug dazu haben, regelmäßig was im Netz zu bestellen. Außer mit geliehener Identität vielleicht. Wenngleich viele mit einer misslungenen Kindheit auch dafür zu depriviert und deprimiert sind. Psyche ohne Kindheit gibt es nicht. Also nicht hier bei uns. Hier ist fast alles Kindheit wenn`s therapeutisch wird. Aktuell wird es in dieser Sache sogar immer vorgeburtlicher. Hat die angehende Mami Stress in ihrer Schwangerschaft, wirkt sich dieser Stress auch schon negativ auf das noch nicht geborene Kind aus. Ein unfreiwillig gestresstes Baby hat wegen der erhöhten Cortisols der Mami auch schon einen gewaltigen Startnachteil ins Leben. Das ist womöglich anfälliger für Depressionen und andere Krankheiten. Was aber eigenartigerweise hinten hinaus nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Hinten hinaus verschwindet diese gestresste Kindheit dann plötzlich wieder aus den Biografien. Hinten hinaus ist man dann für eine vorgeburtlich katastrophale Kindheit auf einmal doch wieder letztverantwortlich. Sagen sie mal zu einer Person, die Verfügungsgewalt über ihr berufliches Leben hat, sie können das geforderte nicht bringen, dafür war die Mami in der Schwangerschaft zu gestresst. Werden sie schon sehen was geschieht. Das gilt noch mehr für Frauen als für Männer. Männer können hinten hinaus noch immer fischen gehen und behaupten fischen ist ihre wahre Leidenschaft. Sagt eine Frau sie ist unglaublich gerne Mutter und Haufrau zeigt man ihr auch schon den Vögel. Im aktuellen Spiegel wurde eine Single-Frau noch mit 42zig schwanger. Die Kosten für diese Schwangerschaft beliefen sich auf 104 000 Euro. Gut 15 Versuche hatte es da gebraucht bis sich endlich eine Eizelle gnädig zeigte. Natürlich künstlich befruchtet. Nicht dass sie denken die Frau machte im Akkord Tinder ohne Pille. In so einem Fall, wo die Frustrationstoleranz höher nicht sein kann, muss die Kindheit schon ganz wunderbar gewesen sein. Wie meine war? Na so dass ich nicht mehr gesund bin aber doch noch einigermaßen fit. Im starken Regen war ich auf dem Weg zum Hofer. Links eine Einkaufstasche in der Hand, wo sonst, und rechts den Regenschirm. Da mir der Weg zum Hofer bekannt ist, konnte ich mich beim Gehen ganz dem Wortmacher hingeben, der mir wieder mal mit der totalen Auslöschung drohte. Also so richtig razz fazz-mäßig und nicht dem kleinstbürgerlichen Selbstverständnis nach, wo man sich dann im ungünstigsten Fall gezwungen sieht nur noch sein Ende zu verwalten, ganz Konkursmasse seiner selbst wie das bei mir der Fall ist. Auch weil ich einen Wortmacher habe der mich auszulöschen gedenkt. Da beißt die Katze meiner Nachbarn den Nachbarshund in den Schwanz. Ungefähr auf Höhe des Stolpersteins der Frau Lotte Baumann, nur auf der anderen Straßenseite, kam ich plötzlich ins Straucheln. Angemerkt sei. Nach all den Jahren, die ich schon am Stolperstein Frau Baumann vorbeigehe, die 1941 von der Bronx aus Richtung Minsk deportiert wurde, wo man sie 1942 dann tatsächlich auslöschte, sage ich ja nur noch Frau Lotte. Israel ist ein Wunder. Dass Israel bei all dem vorgeburtlichen Stress überhaupt zu einer Nation wurde, die in der Lage ist ein anders Volk a bissl zu unterdrücken, kommt einem Wunder gleich. Wissenschaftlich lässt sich das nicht erklären. Auch wenn israelischen Soldaten nachgesagt wird, dass sie für ihren nervösen Finger am Abzug berüchtigt sind. Nicht dass sie mich jetzt falsch verstanden. Nach Tel Aviv würde ich sofort übersetzen. Aber auf Palästinser schießen, die wie bekloppt Richtung Zaun rennen, ist ja fast so wie Mongos beim Monopoly bescheißen. Mir wäre das bald einmal zu blöde. Spätestens nach drei vier zerschossenen Kniescheiben würde ich wohl jeden weiteren Schuss verweigern. Mental käme ich da bald einmal ins Straucheln. Ein Adjektiv das meinen Zustand nur unzureichend beschreibt. Ich kam sofort ins Rutschen. Und vom rutschen ins fliegen, bevor es dann wieder ans fallen ging. Und wie ich fiel, nachdem ich fast schon kometenhaft aufgestiegen war. Die Einkaufstasche flog links weg, der Regenschirm rechts und beide zusammen in hohen Bogen, während ich richtiggehend vom Boden abhob. Mein Abheben hatte was von Jack Ass, ergänzt um eine Figur beim Bodenturnen im Mehrkampf. Während ich für einen kurzen Augenblick in der Luft stand, wie der Coyote, wenn der sich einbildet den Roadrunner hinterher jagen zu müssen, wie hier viele dem Anschein von Glück, konnte ich sogar meine Schuhe sehen. Die neunen Schnürsenkel vom Schuh-Discounterwaren einwandfrei gebunden. Da gab es nix zu beanstanden. Gegen die Gesetze der Physik hilft wahrscheinlich nicht mal eine extremst gelungene Kindheit. Die Erde wollte mich wieder. Obschon ich außer Stande war mich gegen den Sturz aktiv zu wehren, ausgerutscht war ich auf einem durchsichtigen Plastikteil, das sich nass extremst glitschig zeigte, fiel ich so, dass ich meinen Körper noch so weit beherrschte, um nicht mit dem Kopf auf den Boden zu knallen oder sonst wie blöde am Steißbein aufzuklatschten. Fast schon butterweich landete ich auf einer Arschbacke. Was Kunst ist. Zumindest Kleinstkunst. So viel Arsch habe ich nämlich nicht. Bis auf die Einkaufstasche und dem Regenschirm fehlte mir gar nix nach dem Aufprall. Da war nicht der Hauch von einem Aua. Die Hose war nass. Sonst war alles wie gehabt. Dem Wortmacher hatte es die Sprache verschlagen fürs erste. Allerdings erholte der sich bald. Mein Sturz muss auch abseits vom dick auftragen im Netz recht spektakulär gewesen sein. Eine junge Frau, die vor mir ging, und ein junger Mann, aus dem rückwärtigen Deportationsraum, wollten mir wieder auf die Beine helfen. Der jungen Frau stand der Schrecken über meinen beinahe Salto richtiggehend ins Gesicht geschrieben. Nix da. Ich kam schon noch alleine hoch. Fallen, zu meist ganz weit auf sich zurück, und wieder aufstehen. Darin habe ich Übung seit Kindheitstagen. Niemand lachte in der näheren Umgebung über meine Einlage. Ich natürlich auch nicht. Zu sagen hatte ich aber schon noch was. Gott sei Dank bin ich auf dem scheiß Teil ausgerutscht, sagte ich zu der jungen Frau fast schon heldenhaft, und nicht ein betagter Mensch.

Ende.

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