Donnerstag, 22. Dezember 2016
Ich will/soll nicht durch den Datenschutz hindurch fühlen
Ein tunesischer Terrorist, vermeintlicher Terrorist, der einen LKW mit polnischen Kennzeichen kapert, in Berlin ein Attentat begeht, und in Mailand erschossen folgt eigentlich der Logik der weltweiten Kapitalströme.

Unter Datenschutz versteht man den Schutz vor missbräuchlicher Datenverarbeitung, Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, Schutz des Persönlichkeitsrechts bei der Datenverarbeitung und auch Schutz der Privatsphäre. Datenschutz wird häufig als Recht verstanden, dass jeder Mensch grundsätzlich selbst darüber entscheiden darf, wem wann welche seiner persönlichen Daten zugänglich sein sollen.

Wegen des Attentats von Berlin wurde gestern beim Bundesligaspiel zwischen dem Bayern München – RB Leipzig eine Schweigeminute abgehalten. Das wurde vor allen Bundesligaspielen dieser Runde so gehandhabt. Mit Trauerflor wurde auch gespielt. Des Weiteren forderte der Stadionsprecher des FC Bayern das Stadion geschlossen dazu auf, in dieser schweren Stunde an die Opfer des Attentats und deren Angehörigen zu denken. Kann sein dass ich mir die schwere Stunde jetzt nur einbilde. Bitte halten sich mich jetzt nicht für eine völlig Empathie-befreite Zone wie es der Weihnachtsmarkt am Breitschneideplatz in Berlin kurz nach 20 00 Uhr war. Zurzeit sehe ich mich leider nicht in der Lage mit den Opfer und Angehörigen dieses feigen Attentats zu fühlen . Noch werden die persönlichen Daten der Opfer des Attentats und deren Angehörigen gesetzlich geschützt und unter Verschluss gehalten. Noch ist die rechtliche Lage so, dass ich über die Opfer des Attentats und deren Angehörige nix wissen soll. Deswegen ist über die Opfer des Attentats kaum etwas bekannt, eben weil deren Privatsphäre derzeit noch gesetzlich geschützt wird. Ich kann nix dafür, wenn die Öffentlichkeit andauernd der Versuchung erliegt, das Recht auf informelle Selbstbestimmung und Schutz der Privatsphäre zu umgehen und aufzubrechen, auch wenn die es nur gut meinen. Wenn die Opfer des Attentats und/oder deren Angehörigen es für richtig und notwendig erachten sich an die Öffentlichkeit zu wenden, wird das deren freie Entscheidung sein, genauso wie sich der französische Journalist Antoine Leiris, der beim Terroranschlag auf das Bataclan seine Frau verlor, frei dazu entschieden hat sich an die Öffentlichkeit zu wenden. Alles was über den derzeitigen Ist-Zustand hinaus will, ist nicht nur a bisserl disgusting sondern genaugenommen auch ungesetzlich. Was der Stadion-Sprecher des FC Bayern vom Stadion einforderte ist derzeit nicht möglich. Für mich zumindest nicht. Aber als der Stadionsprecher die Aufstellung des FC Bayern vorlas, und mit der Nummer 21 unseren Kapitain ankündigte, kam aus tausenden Kehlen "Phillip Lahm". Das hätte ich im Ernstfall auch gebracht. Im Übrigen ist Berlin eine Stadt mit über 3,5 Millionen Einwohnern. Die Wahrscheinlichkeit ist da ziemlich groß dass man mit seiner Trauer an der falschen Tür läutet . Eben weil die Persönlichkeitsrechte der Opfer vor dem Begehren der Öffentlichkeit geschützt werden, wird der mediale Raum, digital gerne in den Speicherclouds liegend, mit den persönlichen Daten von Täter/Tatverdächtigen gefüllt. In den Informations-Clouds, die durch den digitalen Orbit wabern ist viel Raum frei, siehe Fake-News. Kann man sich auch schön um die Hobbys und Lieblingsspeisen von Attentäter kümmern. Ich bin kein Jurist, aber bei Gefahr in Verzug, die bei einem mutmaßlichen Attentäter auf der Flucht nun mal gegeben ist, gibt es ja sowieso eine Informationspflicht der Medien. Aber sogar bei Tatverdächtigen wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht mit der betroffenen Person gegenüber dem öffentlichen Interesse an umfassender Berichterstattung abgewogen. Das Interesse der Öffentlichkeit an umfassender Information ist umso höher zu bewerten, je schwerer die im Raum stehenden Vorwürfe sind. Und die Vorwürfe gegen den Tunesier Anis Amris wiegen derzeit nun einmal schwer, sehr schwer. Auf Grund des informellen Ungleichgewichts zwischen Opfer und Täter, kommt es auch zwangsläufig dazu, dass die mediale Berichterstattung von Tätern dominiert wird, was dann dazu führt das Attentäter zu ihren 5 Minuten Weltöffentlichkeits-Ruhm kommen, egal wie zweifelhaft dieser Ruhm auch beschaffen sein mag. Das scheint ein Automatismus zu sein, der wiederum die Gefahr in sich birgt, dass sich schon der (aller)nächste Attentäter wie ein Einwechselspieler im Fußball neben dem Spielfeld für ein Verbrechen warm läuft.

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