Freitag, 10. August 2012
Der nette Mann aus dem 2. Stock
Ich hockte auf der Bettkante und kaute auf ein paar Tomatenscheiben herum. In der Glotze liefen die olympischen Spiele. Der Paprika fehlte. Deswegen stand ich auf, ging in die Küche, nahm den Paprika der auf dem Kühlschrank lag und hielt ihn unter den Wasserhahn. Kein Wasser. Der Hahn blieb so trocken wie die Muschis all jener falsch gealterten Frauen, die wie Pilze aus dem Boden der Stadt schießen. Und das was diese Damen noch an Gefühlen zu verschenken haben, bekommen ihre vierbeinigen Lieblinge ab, die sich nicht wirklich dagegen wehren können. Unsere Welt ist voll verformter Menschen mittleren Alters, die niemand mehr ficken will, weil sie den vorherrschenden Schönheitsidealen, nicht mehr entsprechen, oder noch nie entsprochen haben. Ich weiß nicht wie das früher war als es noch keine Massenmedien gab. Waren die die Zeiten damals auch so unerbitterlich? Trotzdem war es gegen 20 Uhr. Seit gut zwei Wochen haben wir die Handwerker im Haus. Jeden Morgen veranstalten die mit ihrem schweren Gerät, dermaßen einen Wirbel, das ich nur noch mit Ohropax zugestöpselt, leise röchelnd vor mich hin döse. Nur die sind spätestens gegen 17 Uhr aus dem Haus. Vielleicht ist irgendwo ein Rohr gebrochen dachte ich mir. Aber um genaueres zu erfahren legte ich den Paprika weg und fuhr mit den Lift ins Erdgeschoss. Geduscht hatte ich auch noch nicht. Den Mann, der mit dem Handy am Ohr vor den Postkasten stand kannte ich. Ein Wohnungseigentümer aus dem zweiten Stock. Ein älterer Herr, gepflegtes Äußeres, mit Spitzbart. Im frühere Leben, bevor er in Pension ging, war er mal Mittel oder Hochschulprofessor. Mit seiner Frau, klein, auch alt und vor allem unscheinbar, wohnt er nicht immer in Wien. Irgendwo in Niederösterreich haben die noch ein Haus. Ungut aufgefallen sind mir die beiden noch nie. Nach außen scheinen sie ein unauffälliges, kultiviertes Leben zu führen. Die essen bei Tisch, das sind keine Bettkantenmenschen. Dieser Mann, ich nenne ihn jetzt Mister L, sprach mit jenem Installateur, der den Zentralwasserhahn vom Keller nach oben, direkt neben die Eingangstür verlegt hatte. Mister L quasselte und quasselte. Kurz gesagt machte er einen auf äußerst wichtig, Ich lief inzwischen die Stockwerke ab. Wasserschaden Fehlanzeige. Als ich wieder im Parterre angelangt war redete, nein dozierte Mister L noch immer. Was gibt es da noch großartig zu besprechen dachte ich mir. Der Installateur, so viel hatte ich inzwischen mitbekommen, wusste von nichts. Der hatte keine Ahnung warum wir kein Wasser hatten. Ich schaute mir das Türchen zum Zentralwasserhahn genauer an. Es war nicht abgesperrt sondern nur angelehnt, also für jedermann/frau zugängig. "Sie können aufhören zu telefonieren", sagte ich zu Mister L , "da hat sich einfach so ein Saftsack seinen Spaß gemacht und den Hahn abgedreht". Mister L beendete das Gespräch. Ein Mieter aus dem 4 Stock stieg gerad aus dem Lift. Mister L ging auf ihn zu und erklärte ihn die Sachlage. Aber nicht in einem kurzen Satz sondern ganz ausführlich, wie ein Lehrer, der seinen Schülern oder Studenten ganz entscheidende Dinge anträgt. Während Mister L quasselte, rief Frau L ganz aufgeregt aus der offenen Wohnungstür oder dem Gang, ob das Wasser jetzt wieder läuft?. Die Antwort warteten der Mann aus dem 4. Stock und ich nicht mehr ab sonder wir fuhren mit dem Aufzug nach oben. Obschon wir per du sind, weiß ich nichts von ihn, außer das er in den mittleren Jahren ist und einen weichgespülten Sohn hat und seit ihn seine Frau vor ein paar Jahren verlassen hat, (vielleicht ist sie auch verstorben, ich weiß es nicht) habe ich ihn nie mit einer anderen Frau gesehen. Gut jetzt wo er alt ist und fett kommt das nicht wirklich überraschend. Ich ging in meine Bude und hielt den Paprika unter den Wasserhahn, aus dem unser tolles Hochquellwasser schoss, floss rann wie auch immer. Wieder saß ich auf der Bettkante vor der Glotze und aß den Paprika. Da fiel mir ein das ich noch eine Tomate in Kühlschrank hatte. Um nicht wieder jeden scheiß Schritt den ich tat zu beschreiben. Als ich die Tomate, bei uns auch als Paradeiser bekannt, unter den Wasserhahn hielt, blieb der so trocken wie.........eh schon wissen. Ziemlich angepisst stand ich auf. Wenn ich dieses Arschloch erwische dachte ich mir, der schon wieder den Zentralwasserhahn abgedreht hat, den haue ich ein paar aufs Maul. Ich lief hinunter drehte den Hahn wieder auf und öffnete die Eingangstür. Vielleicht steht draußen der 12 jährige Übeltäter rauchend mit seinen Kumpels und lacht sich einen herunter. Nur draußen stand kein 12jähriger ,sondern der gute Mister L., Professor i.R. "Haben sie den Arsch gesehen, der schon wieder den Hahn abgedreht hat", fragte ich ihn. Genau in diesem Moment sah wie ich seine Frau aus der Tür des Gasthauses trat, das sich vorne an der Kreuzung befindet. Fußweg gute 100 Meter stadtauswärts. Ah, sagte Mister L im Tonfall eines offiziellen Würdenträgers, er hätte nach Rücksprache mit dem Installateur den Wasserhahn wieder zugedreht, sicher ist sicher. Deswegen sei seine Frau jetzt im Gasthaus auf die Toilette gegangen. Was, dachte ich mir, was bitte soll der Schwachsinn. "Lass den Hahn jetzt aufgedreht", schnauzte ich Mister L an". Wenn ich mich ärgere steht es mit meinen Umgangsformen nichts zum Besten. Als ich dann wieder vor der Glotze saß, schoss mir ein eigenartiger Gedanke ein. Was ist, wenn Mister L das Intermezzo mit dem abgedrehten Wasserhahn einfach nur inszeniert hat, weil er sein unbedeutendes Pensionsleben nicht mehr aushält. Vielleicht hasst er auch noch seine Alte bis aufs Blut oder er liebt es einfach nur sie hin und wieder fertig zu machen. Die Hellste scheint sie ja wirklich nicht zu sein. Da sagt der Mann, Hahn zu - Gefahr in Verzug und die marschiert durch die halbe Stadt zum Kacken. Vielleicht sucht sich dieser Knabe instinktiv nach Menschen an denen er seine Überlegenheitsgefühle oder seinen ganzen Weltekel ausleben kann. Der Installateur konnte sie ja auch nicht wehren und ich wäre ihn auch auf dem Leim gegangen, hätte ich nicht zufällig die Haustür aufgemacht. Vielleicht kommt diese Art des Wahnsinns in Schüben. Dieser perverse alte Sack dachte ich mir während ich duschte. Was für ein Spinner, aber seine Manieren sind sicher vom Feinsten.

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