Freitag, 11. September 2020
Nachtrag in der Sache Lungen-Mann
der imperialist, 21:23h
Beim Reden, sagte man früher, kommen die Leute zusammen. Zuweilen auch Gedanken, die mir erst heute im Kommentier-Gespräch mit dem Herr kuena bewusst wurden.
Der Lungen-Mann und ich machten immer mal wieder sein Körpergewicht, das in Richtung Body-Mass-Index wie im Jemen ausfranste. Die Sache war so. Hätte er wieder an Gewicht zugelegt, wäre das ein untrügliches Indiz dafür gewesen dass sein "Big Improvement" kurz bevor stand. In ein paar Kilo mehr auf die Rippen, die es ihn durch die Haut drückte, setze er sehr viel Hoffnung. Fast so viel wie in seine experimentelle Impfkur. Wo sich das "Big Improvement" spätestens in drei Wochen einstellen sollte und dann wieder spätestens in drei Wochen. Als dann auch diese drei Wochen um waren holte ich neue Spritzen. Immer extremst zeitgerecht. Eventuell dachte der Lungen-Mann. Sein Kühlschrank ist so eine Art Lourdes. Was Heiliges, in einem Meer aus profanen Medikamenten im Kühlschank der Apotheke. Was seine Hoffnung betraf war ich ganz bei ihm. Zwar waren der Lungen-Mann und ich keine besten Kumpels. Nur mit seinem Untergang wollte ich trotzdem nix zu tun haben. Ich machte ja Nachbarschaftshilfe und nicht Nachbarschaftsvernichtung. Wobei. Einmal rügte er mich. Anscheinend war ich nicht ganz auf seiner Wellenlänge. War ich eigentlich nie. Aber in diesem Fall halt offensichtlich. Deswegen solle ihn nicht "depressed" machen. Das Sprachprogramm meines neuen Handys hat was mit Rest geben geschrieben. Den Rest geben wollte ich ihm auch nicht. Weder so noch in Richtung meine kleinstbürgerlichen Überreste. Der wusste ja dass ich an Schizophrenie erkrankt war. Aber in Not frisst man die Wurst auch ohne Brot. Eventuell hatte ich auch nur einen schlechteren Tag. So ganz genau weiß ich es nicht mehr. Möglicherweise war ich auch zu verzwergt und konnte ihn deswegen nicht ins Paradies Hoffnung folgen. Ging es bei seinem Körpergewicht mal ein halbes Kilo hinauf, stieg seine Zuversicht rasant an bald wieder mal auf seine Beine zu kommen, die dünn waren wie Zahnstocher. Der Mann hatte eine Netto-Pension von gut 2800 Euro, 14-mal im Jahr + Aktienbesitz und zwei Eigentumswohnungen. Da geht schon was. Über Geld wird nicht gerne gesprochen. Sollte man aber. Gesundheit und Geld. Alles andere spielt im Kapitalismus eine untergeordnete Rolle. Die weniger Betuchten machen noch gerne in Befindlichkeiten. Sicherlich. Grob geschätzt packte seine Zuversicht mindestens 10-15 Kilo mehr auf seine Rippen, die es in weiterhin durch die dünne Haut drückte. Bei mir war diese Erwartung naturgemäß nicht ganz so ausgeprägt wie beim Lungen-Mann. Was aber in der Natur der Sache begründet lag. Diese Welt ist auch ein sehr einsamer Ort. Oder sagen wir. Diese Welt kann ein sehr einsamer Ort sein. Brutal, als ich den Lungen-Mann mal entgegenschleuderte: "Du bist nicht mein Vater". Übersetzt. Wegen dir stehen ich hier nicht noch drei Stunden herum. Nee jetzt kommt nix mit: "Einsamer suchte Einsame zum Einsamen". Eventuell wissen sie inzwischen wie ich über Krankheit und Schmerzen denke. Auch aus eigener Erfahrung. Wenn nicht. Auch egal. Tags darauf war das halbe Kilo Zuversicht wieder weg und aus dem Leben des Lungen-Mann verschwunden. Natürlich sah ich dem Lungen-Mann seine Enttäuschung an. Mit der er sich allerdings nicht besonders lange aufhielt, weil er ja permanent nach Luft rang. Der war ja andauend in Atemnot, immer kurz vor dem Ersticken, abhängig von seiner Sauerstoffmaschine. Ein Holocaust-Leugner der keine Luft mehr bekommt. Was für eine Ironie. Wegen seines Röchelns, das ja letztendlich ein Todesröcheln war, wurde dass Emotionale bei ihm vom körperlichen Gebrechen übermalt. Ging ratzfatz. In den letzten Monaten seines Lebens hat der Lungen-Mann ein brutales Martyrium durchgemacht. Durchlebt passt auch. So brutal, dass ich in seiner Gegenwart nie den sterbenden Schwarm gab. Tatsächlich nie. So sehr war ich eingeschüchtert von seiner Krankheit wie auch von seinem Leiden. Obschon ich selber ziemlich angeschlagen war. Aber im Verhältnis zu ihm war mein Leiden eine Bagatelle. Einmal hatte er sogar ein ganzes Kilo an Gewicht zugelegt. Werde ich nie vergessen. Das Strahlen in seinem Gesicht. Die Hoffnung war wieder zurückgekehrt wie ein/e Geliebte/r. Diese verfluchte Hoffnung kann schon auch ein ziemliches Miststück sein. Wie ein Freier der in Zeiten von Corona auch bei den Extras einen Preisnachlass verlangt. Nee das passt nicht. Das erste war er zu mir sagte nach "Take a sit". Na sein (verfluchtes) Kilo mehr auf seinen Rippen, die es ihm weiterhin durch die dünne Haut drückte. Schon hatte er wieder extremst viel Zuversicht gefasst und Mut. Auch wenn seine Füße so dick angeschwollen waren dass sie nicht einmal in diese Monster von Sandalen passten.
Ende
Der Lungen-Mann und ich machten immer mal wieder sein Körpergewicht, das in Richtung Body-Mass-Index wie im Jemen ausfranste. Die Sache war so. Hätte er wieder an Gewicht zugelegt, wäre das ein untrügliches Indiz dafür gewesen dass sein "Big Improvement" kurz bevor stand. In ein paar Kilo mehr auf die Rippen, die es ihn durch die Haut drückte, setze er sehr viel Hoffnung. Fast so viel wie in seine experimentelle Impfkur. Wo sich das "Big Improvement" spätestens in drei Wochen einstellen sollte und dann wieder spätestens in drei Wochen. Als dann auch diese drei Wochen um waren holte ich neue Spritzen. Immer extremst zeitgerecht. Eventuell dachte der Lungen-Mann. Sein Kühlschrank ist so eine Art Lourdes. Was Heiliges, in einem Meer aus profanen Medikamenten im Kühlschank der Apotheke. Was seine Hoffnung betraf war ich ganz bei ihm. Zwar waren der Lungen-Mann und ich keine besten Kumpels. Nur mit seinem Untergang wollte ich trotzdem nix zu tun haben. Ich machte ja Nachbarschaftshilfe und nicht Nachbarschaftsvernichtung. Wobei. Einmal rügte er mich. Anscheinend war ich nicht ganz auf seiner Wellenlänge. War ich eigentlich nie. Aber in diesem Fall halt offensichtlich. Deswegen solle ihn nicht "depressed" machen. Das Sprachprogramm meines neuen Handys hat was mit Rest geben geschrieben. Den Rest geben wollte ich ihm auch nicht. Weder so noch in Richtung meine kleinstbürgerlichen Überreste. Der wusste ja dass ich an Schizophrenie erkrankt war. Aber in Not frisst man die Wurst auch ohne Brot. Eventuell hatte ich auch nur einen schlechteren Tag. So ganz genau weiß ich es nicht mehr. Möglicherweise war ich auch zu verzwergt und konnte ihn deswegen nicht ins Paradies Hoffnung folgen. Ging es bei seinem Körpergewicht mal ein halbes Kilo hinauf, stieg seine Zuversicht rasant an bald wieder mal auf seine Beine zu kommen, die dünn waren wie Zahnstocher. Der Mann hatte eine Netto-Pension von gut 2800 Euro, 14-mal im Jahr + Aktienbesitz und zwei Eigentumswohnungen. Da geht schon was. Über Geld wird nicht gerne gesprochen. Sollte man aber. Gesundheit und Geld. Alles andere spielt im Kapitalismus eine untergeordnete Rolle. Die weniger Betuchten machen noch gerne in Befindlichkeiten. Sicherlich. Grob geschätzt packte seine Zuversicht mindestens 10-15 Kilo mehr auf seine Rippen, die es in weiterhin durch die dünne Haut drückte. Bei mir war diese Erwartung naturgemäß nicht ganz so ausgeprägt wie beim Lungen-Mann. Was aber in der Natur der Sache begründet lag. Diese Welt ist auch ein sehr einsamer Ort. Oder sagen wir. Diese Welt kann ein sehr einsamer Ort sein. Brutal, als ich den Lungen-Mann mal entgegenschleuderte: "Du bist nicht mein Vater". Übersetzt. Wegen dir stehen ich hier nicht noch drei Stunden herum. Nee jetzt kommt nix mit: "Einsamer suchte Einsame zum Einsamen". Eventuell wissen sie inzwischen wie ich über Krankheit und Schmerzen denke. Auch aus eigener Erfahrung. Wenn nicht. Auch egal. Tags darauf war das halbe Kilo Zuversicht wieder weg und aus dem Leben des Lungen-Mann verschwunden. Natürlich sah ich dem Lungen-Mann seine Enttäuschung an. Mit der er sich allerdings nicht besonders lange aufhielt, weil er ja permanent nach Luft rang. Der war ja andauend in Atemnot, immer kurz vor dem Ersticken, abhängig von seiner Sauerstoffmaschine. Ein Holocaust-Leugner der keine Luft mehr bekommt. Was für eine Ironie. Wegen seines Röchelns, das ja letztendlich ein Todesröcheln war, wurde dass Emotionale bei ihm vom körperlichen Gebrechen übermalt. Ging ratzfatz. In den letzten Monaten seines Lebens hat der Lungen-Mann ein brutales Martyrium durchgemacht. Durchlebt passt auch. So brutal, dass ich in seiner Gegenwart nie den sterbenden Schwarm gab. Tatsächlich nie. So sehr war ich eingeschüchtert von seiner Krankheit wie auch von seinem Leiden. Obschon ich selber ziemlich angeschlagen war. Aber im Verhältnis zu ihm war mein Leiden eine Bagatelle. Einmal hatte er sogar ein ganzes Kilo an Gewicht zugelegt. Werde ich nie vergessen. Das Strahlen in seinem Gesicht. Die Hoffnung war wieder zurückgekehrt wie ein/e Geliebte/r. Diese verfluchte Hoffnung kann schon auch ein ziemliches Miststück sein. Wie ein Freier der in Zeiten von Corona auch bei den Extras einen Preisnachlass verlangt. Nee das passt nicht. Das erste war er zu mir sagte nach "Take a sit". Na sein (verfluchtes) Kilo mehr auf seinen Rippen, die es ihm weiterhin durch die dünne Haut drückte. Schon hatte er wieder extremst viel Zuversicht gefasst und Mut. Auch wenn seine Füße so dick angeschwollen waren dass sie nicht einmal in diese Monster von Sandalen passten.
Ende
... comment
c. fabry,
Samstag, 12. September 2020, 22:20
Harte Geschichte. Und das ging ja auch eine lange Zeit so. Da haben Sie viel Kraft reingegeben.
... link
der imperialist,
Montag, 14. September 2020, 13:03
Wird noch a bissl unfeiner
es wird noch mal ums Geld gehen. Natürlich das Geld anderer Leute.
... link
... comment