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Samstag, 18. Juni 2022
Es ist zu viel Text
der imperialist, 22:07h
Brutal den Anschein von Seriosität und Grammatik zu wahren zwischen den Zeilen.
Herausragenden Text in der "NZZ" gelesen.
Titel: "Verhaftet im Wahn: Wie der Kreml im eigenen Volk Angst und Verunsicherung sät".
Ein Auszug:
Dieser Tage werden in Moskau neue Busse für den Abtransport präsentiert, «mit allen komfortablen Personenbeförderungsbedingungen», geeignet sogar für Rollstuhlfahrer. Dass auch Rollstuhlfahrer ohne weiteres in einen Transporter gesperrt werden können, unterliegt keinen Zweifeln, geschah dies doch jüngst sogar mit einer Gruppe von Kindern, die mit selbstgemalten Friedensbildern auf die Strasse gingen; auf dem Polizeirevier wurden sie in eine Zelle gesperrt und erst nach Stunden mitten in der Nacht entlassen. Immer wieder handeln die Behörden nach dem in Russland bekannten Grundsatz: «Schlag die eigenen Leute, dann fürchten sich die Gegner.» Noch nicht einmal Tiere und Gegenstände können sich in Sicherheit wähnen: In Nowosibirsk wurde bei einer Protestaktion nebst seinem Besitzer auch ein Mops eingesperrt. Die Runde machte ausserdem ein Video, in dem Einsatzkräfte offenbar ein Fahrrad abführen, und man mokierte sich über die Festnahme des Gefährts. Allerdings wurde auch das Fahrrad offenbar nicht allein, sondern zusammen mit dem zugehörigen Radfahrer festgenommen.
In Pskow wurde eine Bürgerin gezwungen, ihren blau-gelben Zaun neu zu streichen, weil er «unerwünschte Assoziationen» wecke. Russen scherzen bitter, dass man bald Schweden für seine Fahne festnehmen werde. Oder dass nun auch die gelbe Sonne auf blauem Himmel verboten gehöre.
Auch wer jegliche mit dem Wort «Mir», also Frieden, assoziierte Schriftzüge öffentlich zur Schau stellt, spielt mit dem Feuer: Eine Person wurde festgenommen, weil sie bei einer Aktion die Debitkarte «Mir» zeigte, eine andere wurde mit einer Wurstpackung abgeführt, deren Markenname «Miratorg» durch eine Streichung zu einer Friedensbotschaft umgewandelt worden war.
Festgenommen wurden Menschen mit Plakaten, auf denen nur Sternchen zu sehen waren, sie waren so angeordnet, dass sie offensichtlich die Worte «Fuck war» ersetzten, Menschen, die leere weisse Blätter in die Höhe hielten, ja sogar Menschen, die pantomimisch «unsichtbare Plakate» ausbreiteten.
Auf geradezu realsatirische Weise setzte sich hier die Diktatur selbst schachmatt: In Petersburg wurde ein Mann festgenommen und zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er sich am Ausgang einer Metrostation mit einem Plakat positioniert hatte; das Plakat enthielt, ohne Nennung der Quelle, das folgende Zitat: «Der Krieg hat so viele unerträgliche Prüfungen mit sich gebracht, so viel Leid und Tränen, dass es unmöglich ist, zu vergessen. Und es gibt keine Vergebung und keine Rechtfertigung für diejenigen, die erneut aggressive Pläne schmieden.»
Diese Worte stammen, wie auch auf der Website des Kremls nachzulesen, aus einer Rede von Präsident Putin.
Fazit: Also wirklich weit weg von den russischen Verhältnissen waren wir während den Hochphasen der Pandemie auch nicht mehr. Egal. Beim Lidl gab es gegen 17:30 kein frisches Brot mehr. Alles ausverkauft. Dafür gab es von "Ausverkauft" reichlich.
Ende
Herausragenden Text in der "NZZ" gelesen.
Titel: "Verhaftet im Wahn: Wie der Kreml im eigenen Volk Angst und Verunsicherung sät".
Ein Auszug:
Dieser Tage werden in Moskau neue Busse für den Abtransport präsentiert, «mit allen komfortablen Personenbeförderungsbedingungen», geeignet sogar für Rollstuhlfahrer. Dass auch Rollstuhlfahrer ohne weiteres in einen Transporter gesperrt werden können, unterliegt keinen Zweifeln, geschah dies doch jüngst sogar mit einer Gruppe von Kindern, die mit selbstgemalten Friedensbildern auf die Strasse gingen; auf dem Polizeirevier wurden sie in eine Zelle gesperrt und erst nach Stunden mitten in der Nacht entlassen. Immer wieder handeln die Behörden nach dem in Russland bekannten Grundsatz: «Schlag die eigenen Leute, dann fürchten sich die Gegner.» Noch nicht einmal Tiere und Gegenstände können sich in Sicherheit wähnen: In Nowosibirsk wurde bei einer Protestaktion nebst seinem Besitzer auch ein Mops eingesperrt. Die Runde machte ausserdem ein Video, in dem Einsatzkräfte offenbar ein Fahrrad abführen, und man mokierte sich über die Festnahme des Gefährts. Allerdings wurde auch das Fahrrad offenbar nicht allein, sondern zusammen mit dem zugehörigen Radfahrer festgenommen.
In Pskow wurde eine Bürgerin gezwungen, ihren blau-gelben Zaun neu zu streichen, weil er «unerwünschte Assoziationen» wecke. Russen scherzen bitter, dass man bald Schweden für seine Fahne festnehmen werde. Oder dass nun auch die gelbe Sonne auf blauem Himmel verboten gehöre.
Auch wer jegliche mit dem Wort «Mir», also Frieden, assoziierte Schriftzüge öffentlich zur Schau stellt, spielt mit dem Feuer: Eine Person wurde festgenommen, weil sie bei einer Aktion die Debitkarte «Mir» zeigte, eine andere wurde mit einer Wurstpackung abgeführt, deren Markenname «Miratorg» durch eine Streichung zu einer Friedensbotschaft umgewandelt worden war.
Festgenommen wurden Menschen mit Plakaten, auf denen nur Sternchen zu sehen waren, sie waren so angeordnet, dass sie offensichtlich die Worte «Fuck war» ersetzten, Menschen, die leere weisse Blätter in die Höhe hielten, ja sogar Menschen, die pantomimisch «unsichtbare Plakate» ausbreiteten.
Auf geradezu realsatirische Weise setzte sich hier die Diktatur selbst schachmatt: In Petersburg wurde ein Mann festgenommen und zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er sich am Ausgang einer Metrostation mit einem Plakat positioniert hatte; das Plakat enthielt, ohne Nennung der Quelle, das folgende Zitat: «Der Krieg hat so viele unerträgliche Prüfungen mit sich gebracht, so viel Leid und Tränen, dass es unmöglich ist, zu vergessen. Und es gibt keine Vergebung und keine Rechtfertigung für diejenigen, die erneut aggressive Pläne schmieden.»
Diese Worte stammen, wie auch auf der Website des Kremls nachzulesen, aus einer Rede von Präsident Putin.
Fazit: Also wirklich weit weg von den russischen Verhältnissen waren wir während den Hochphasen der Pandemie auch nicht mehr. Egal. Beim Lidl gab es gegen 17:30 kein frisches Brot mehr. Alles ausverkauft. Dafür gab es von "Ausverkauft" reichlich.
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