Montag, 5. Oktober 2020
Herr M. Noch ist ein Augenblick Zeit zu Bleiben!
Dios míos Herr M.!

Mich vor den verstaubten Koter setzen, obschon ich einen Neuen habe, mit 3-Mal so viel Arbeitsspeicher und 5-Mal so eiligst, schalte ich andauernd den alten Kasten ein. Hübsch drauf los schreibend in den Tag hinein, der mir nix verspricht was er nicht zu halten gedenkt. Natürlich ohne Netz und Kopie. Wir sind hier ja nicht auf der Uni. Ihnen Herr M. sozusagen hinterher tippend auf ihrer letzten großen Ausfahrt. Das ist sicherlich auch eine Form mit ihrem Verschwinden klar zu kommen. So gesehen ist es mal kein grober Makel vom Leben der Besseren unter den Herrschaften aufgegeben zu sein. Worden sicherlich auch. Und sein. Mein Gott. An solchen Fragen scheiden sich weiterhin die Geister wie bei SARS-CoV-2. Wobei es schon einen beträchtlichen Unterschied macht, ob einen ein 200 Kilo Klavier auf den Kopf fällt, ratzfazz und das war`s, während man in Google-Maps nach dem Standpunkt in seinem Leben sucht, auf der "Street to Nowhere", wo Taxis und Uber an Bushaltestellen ins Leben auf Kundschaft warten, und es einen eigenen Fahrdienst für Seniorinnen geben sollte, der GF halb blind und ziemlich alt hätte da reges Interesse, während andere ein Ticket in der Hand halten, das sie in Bälde zum Mond ihrer Bestimmung bringen soll. Schon mit gehörig Abstand, weil jeder auch seine Rakete ist oder Scholle, die irgendwann vom Leben abbricht, wie diese Dinger in der Antarktis. Manche eher leise. Andere wiederum mit ziemlichen Getöse. Oder ob man einen jahrelangen Abwehrkampf gegen eine hinterhältige Erkrankung führte wie sie dies taten. Eine Erkrankung ist ja was anderes wie ein Hinterhalt von Partisanen, in den Gräben, Schluchten und Bergtäler südlich der Drau, als die Deutsch-KärntnerInnen einen Scheiß drauf geben, dass sie frei ungeteilt sein wollten mit ihrer slowenischen Minderheit, der ihre Anliegen sie „allzeit zu wahren“ gelobten. Gleichwohl begeht Kärnten, und da vor allem das Unterland südlich der Drau, am 10. Oktober, die 100 Jahre-Feierlichkeiten zur Volksabstimmung von 1920, als es zu keinen noch gröberen Gebietsverschiebungen kam und Kärnten in seiner heutigen Größe bei Österreich blieb. Ohne die 59 Prozent an Stimmen der Kärntner-Slowenen in der Abstimmungszone A, die sich für der Verbleib bei Österreich entschieden, genau bei "Deutschösterreich", wäre ich wohl in Jugoslawien zu Welt gekommen, wo ich dann hinten hinaus mit der Waffe in der Hand auf die "eigenen Leute" hätte schießen müssen, wie man früher sagte. Und danach hätte ich mich eventuell auf eine kroatische Insel verdrückt, wo ich dann irgendwas mit Touristen machen würde, zumeist schlecht gelaunt, um irgendwie mit Style über die Runden zu kommen. Wenigstens wäre mir so die Um2 erspart geblieben, die ja durch und durch deutsch ist und mit meiner deeperen Schlampigkeit, ich nenn das die Ćevapčići-Tour, überhaupt nix anzufangen wusste. Klischee hin oder her. Am Balkon ist trotzdem weniger TÜV. Sage ich "Flaneur", antwortet die Um2: "Schmarotzer". Es ist ein Jammer. So gibt es wenigstens eine Feierlichkeit im kleinen Rahmen fürs ungeteilte Kärnten und für ihr Verschwinden. Ich sag`s ihnen ganz ehrlich Herr M. Noch ein einziges "oder" und ich hau den Kasten aus dem geschlossenen Fenster. Sowas kann ich. Aber davon wussten sie ja. Sie wussten, dass meine leibliche Mutter der slowenischen Sprach-Minderheit angehörte, obschon ich jahrelang von den "Windischen" schrieb. Windisch ist aber wie Zigeuner. Allerdings bin ich ein Insider, der "eingedeutscht" wurde, als 1958 der zweisprachige Unterricht eingestampft und die Potenz meiner Identität überschrieben und ich zum Spielball alter nationalistischer Vorbehalte wurde, die heute bis ins Armenlager auf Lesbos ausfransen. Rechtsstaat. Sicherlich. Die hiesige Deutschtümelei bekam ich verabreicht wie die Medikamente Lopinavir/Ritonavir bei Covid-19, wo kein Benefit im Vergleich zur Standardtherapie registriert wurde. Hinten hinaus auch auf der Mikroebene. Der GF ist Deutschkärntner. Das war schon auch was Kulturelles. Denn dort, wo es im Bewusstsein keine Muttersprache gibt, gibt es nur in den seltensten Fällen ein Vaterland. Na ja. Über Bande gesehen bin ich eh viel zu viel Vaterland. Vaterland sagt man heute sowieso nicht mehr. Den Begriff müsste man in Beziehung zu anderen Inhalten setzen. Sagen wir zu Muttererde. Woraufhin man noch mehr Gemüter gegen sich aufbringt in einer hochsensiblen Zeit. Weshalb in den USA, vier große Museen, die National Gallery in Washington, das Museum of Fine Arts in Boston, das Tate Modern in London und das Museum of Fine Arts in Houston, ihre geplante Philip-Guston Ausstellungen absagte. Der Grund: Spätkolonialer Schuldkomplex. Der Philip malte Ku-Klux-Klan-Kapuzen, mit einem Tschik in den Händen. Im aktuellen politischen Klima könnten solche Bilder falsch aufgefasst werden. Deswegen eher keine Ausstellung. Da hätten wir was zum Schmäh führen gehabt Herr M. als alte weiße Männer. Heute muss ja alles entsprechend "kontextualisiert" werden. Ansonsten ist big Verstörung. Rauchten die Klux-Klan-Kapuzen nachdem sie einen Schwarzen am nächsten Baum aufgehängt hatten oder zuvor. Titel: "Die Zigarette danach". Hätten wir schön ablästern können. Obschon ich jetzt nicht mehr ganz genau weiß, ob ihre näheren Vorfahren, einst aus Lettland oder doch aus Litauen flüchteten, mit Sack und wenig Pack, "Heim", in eine scheiß Ruine von Reich. Estland war es ganz sicherlich nicht. So viel kann ich sagen.

Bevor ich völlig den Faden verliere, an dem ich sie festgemacht habe und zum Bleiben anhalte Herr M., wohl auch weil sie sich dagegen nicht verwehren können, kam ich gestern schreibend mit mir, dem Wortmacher und der Bildmacherin überein. Ihr Andenken schreibend bewahren. Sicherlich. Das kann man mühelos hinausziehen. Da muss man sich nicht groß verechten und seine Wohlfühlzone verlassen. Jedoch vor der Art wie sie ihr Schicksal meisterten, in den beladenen Jahren hinten hinaus, das weiterhin ein scheiß Verräter ist, wollte ich ja in echt den Hut ziehen. Dafür hätte ich spätestens heute zum Millenniums-Tower stampfen müssen. Hier in der Bronx, zwischen den U6-Staionen Jägerstraße/Dresdner Straße/ Handelskai, wo "der Großstadt-Jungle in the Rumple" mein zu Hause ist. Was mich als Junge, in den Gräben, Schluchten und Bergtäler südlich der Drau aufgewachsen völlig überfordert. Sehr wahrscheinlich zum Klamotten-Discounter H&M. H&M ist ja für Klamotten was IKEA für Möbel ist. Beides schwedische Unternehmen. Schweden der "Sonderfall". In Sachen Corona-Verwahrungsanstalt, geschmäht wie inzwischen auch geschätzt. Der IKEA-Kamprad, las ich gestern beim Leidenfrost in der wöchentlichen Kolumne im Spektrum, soll im Dorf Agunnaryd, wo er zeitlebens lebte, gerne mit einer Portion Snus-Tabak unter der Lippe auf der Terrasse, des von ihm mitfinanzierten Cafés gehockt sein. Und wenn sein alter Volvo mal wieder nicht ansprang schoben alle Dörfler mit. So sind sie die Gsackelten und Gstriegelten. Sie hatten ja auch eine alte Karre am Start an der sie festhielten. BMW. Oder? Der Lidl-Macher Dieter Schwarz wiederum soll Briefe an eine Zeitung geschrieben haben, in denen er sich dagegen verwehrte gar so vermögend zu sein. Angeblich auf eine alte Schreibmaschine getippt. Gut, jetzt habe ich das Thema etwas verfehlt, weil ja eine dunkle Seite haben noch lange nicht bedeutet schwarz zusehen. Noch gestern habe ich mich dagegen entschieden. Ein Hut vom Klamotten-Discounter. Ich weiß nicht. Das kann jeder. Falls Hüte beim H&M aus sind, beziehungsweise nicht mehr im Sortiment, hätte ich wohl noch zum KiK radeln müssen. Und spätestens bei einem Hut vom Kik hätte es ihnen den Magen umgedreht. Deswegen sattelte ich gestern spontan um, von Jetzt auf Nun, nachdem ich mit dem Textlichen so gegen 13:00 Uhr durch war und machte mich auf in Richtung "High Noon". Die Schlagworte radeln/satteln sind eh schon gefallen. Sie wissen ja das ich ein reiner Schönwetter-Radl-Fahrer bin. Nicht so ein Vollblut-Radler wie sie aus der Abteilung 49zig. Und da auch nur in der warmen Jahreszeit, wo der Tag meine Dunkelheit wegdrückt & ich schon noch alleinig bin in die Dämmerung einer Gewissheit hinein, dass der Tod auf eine Kontextualisierung keinen Wert legt. Weil ich meinen Auftrag ihnen gerecht zu werden in einer Geste, tatsächlich erfüllen wollte, habe ich mein Sommer-Radl noch einmal aufgepumpt. Und dann ging`s los. Eine ganze Runde im Oktober um die Donauinsel, mit einem alten Rennradl von Serrota + Mizuno-Gabel und einer alten Campagnolo-Schaltung, Zweifach-statt Dreifach. Sie stehen ja voll auf so ein Komponenten-Zeugs, das namentlich erwähnt wird. Einmal um die ganze Donauinsel-Welt und die Tasche ohne Held, ist es was ich ihnen mit auf ihren letzten Weg geben möchte, wo sie doch am 22. September noch einmal ihr Radl aus dem Keller holten und dem Horizont entgegenradelten, auf schmalen Reifen des Lebens, bis die Luft ganz rausgepresst war aus ihren Lungen. Echte Radl-Klamotten besitze ich nicht. Und Helm habe ich auch keine. Dafür aber einen Dachschaden. Habe ich gestern also in echt eine Herr M.-Gedenk-Runde gedreht am total frühen Nachmittag, schwer auf Tabs, und mit leeren Magen. Tatsächlich eine ganze Runde. Die 21 Kilometer die eine Seite der Donauinsel rauf bis zum Wehr 2, wo ich stehen blieb und ein Foto machte, und dann wieder ganz hinunter bis zur Nordspitze, wo die Insel im Sommer auszufransen beginnt. Ich schwöre ihnen Herr M. Das war nicht "Survival of the fittest", sondern "Survival of the ruiniertest". Natürlich lege ich einen Beweis bei Herr M. Mit diesem Foto möchte ich mich von ihnen verabschieden. Nicht ohne ihnen diesen Gedanken zu verschweigen. Beim Radl überkam mich mal das nackte Grauen. Dass sie ihre Tochter nicht mehr aufwachsen werden sehen, während ich für all diese Freuden und Pflichten im Leben blind bin.

Eventuell noch Lied für ihre letzte Ausfahrt. Schon was aus dem "Ur-wienerischen-Hood". https://www.youtube.com/watch?v=rjqHNU-rG-M


Und entschuldigen sie bitte. Das scheiß Radl steht am Kopf. Natürlich könnte ich mich jetzt auch dahingehend hinausreden, durch den Staub meiner Sprache flanierend, wie sie einst mit dem Radl durch die Straßen der Toskana beim L’Eroica. Der Tod stellt das Leben auf den Kopf. Aber wie wissen ja um mein Nahverhältnis zum Scheitern. Ich bin nicht im Stande das richtig einzustellen. Wahrscheinlich habe ich das Smart-Phone falsch herum gehalten. Aber gucken sie Herr M. Ich habe noch eines nachgelegt.
Wie ich sagte. Ist eher ein old-school-Radl.

Ende

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