Montag, 20. Februar 2017
Sympathiepunkte sammeln
Ich bin ein aufgegebener Mensch, der sich aufgeben musste um überleben zu können. Ja, ja, antworten sie dann. Das mag schon so sein. Nur macht sie das nicht unbedingt sympathisch.

Ich bin ein ausgeschlossener Mensch, der, um eine Identität zu haben, sich früher oder später selbst ausschließt. Ja, ja, antworten sie dann. Das mag schon so sein. Nur macht sie das nicht unbedingt sympathisch.

Ich bin psychisch krank. Schizophrenie. Ich weiß nicht wie man über Schizophrenie spricht. Ich habe Angst, Todesangst, kann ihnen aber nicht sagen woher diese Angst kommt. Diese Angst legt sich dann über alles wie Smog. Mein Kopf sagt mir dass ich diesen Tag nicht überleben werde. Das ist ziemlich anstrengend und zermürbend. Jeden Abend nehme ich dann meine Henkersmahlzeit ein. Und dann geht wieder alles von vorne los. Fragen sie mich nicht woher diese Urkraft des Wahns kommt. Ich stelle mir wahnhafte Gedanken immer wie umgedrehte Spione vor. Ich fühle mich bedroht, oft auch von ihnen, weil sie gerne ihr kleines, unaufrichtiges Lichtweltspielchen spielen. Ist an sich nix ernstes. Sie brauchen dass um sich lebendig zu fühlen. Es ist ihre Art mit ihren Ängsten klar zu kommen. Ich kann das gegen den Wind riechen und komme gar nicht gut damit zu recht wenn sie das machen. Manchmal wissen sie gar nicht dass sie das tun. Zu viel Hektik in ihrem Leben. Wenn sie eine Ahnung von Schizophrenie hätten, würden sie wissen, dass man mit Schizos nicht über drei Banden kommuniziert. Schizos verlieren sich darin. Sie sagen A, könnten aber auch B meinen, während sie es wie C aussehen lassen, obschon es A+++ bedeutet. So ist nun mal die Freiheit beschaffen. Mein Umfeld hat keine Ahnung von Schizophrenie. Der Hobbit-Anwalt hat mich einmal mit den Worten vorgestellt: „Ladys S. das ist der Schizophrenist. Der kennt total viel lustige Schizo-Geschichten“. So wirke ich auf andere. Ist der Hobbit-Anwalt emotional in Not ruft er mich an. Der hält meine Versteinerung, die Unmöglichkeit darüber zu sprechen wie ich mich fühle, für Stärke. Und sie. Sie wissen zwar dass man mit einem Rollstuhlfahrer keine Bergtour macht, aber im Umgang mit Schizophrenen geben sie sich in der Regel nicht die geringste Mühe. Mit dem Offensichtlichen tut man sich allgemein viel leichter. Deswegen bin auch auf der Flucht, auf der Flucht vor ihnen und ihren Fehleinschätzungen. (vor ihren Umarmungen natürlich auch) Aber das ist auch unfair von mir. Sie verfolgen mich ja nicht wirklich. Das bilde mich mir manchmal nur ein. Deswegen habe ich mir den Scheißhausdämon erfunden, der noch immer die Sachen vom toten Jungen vom Strand aufträgt. Von dem kann ich mit Gewissheit behaupten dass er nicht sie ist und dass ich mir das alles nur einbilde. Wenn der vor meinem Bett steht ist alles gut, dann weiß ich das es nicht sie sind oder gar die Um2. Die wollte mich ja mal vernichten. Nur wer glaubt im Zweifel schon einem Schizophrenen. Sie sind manchmal ein Zerrbild, das sich in meinem Kopf oft von A bis nach L oder gar V erstreckt, obschon sie in Wahrheit längst bei B oder A+++ ausgestiegen sind. In einem Geisterzug fahre ich dann allein weiter. Deswegen gehe ich auch oft zu weit, weil ich nicht genau sagen kann, wohin dieser Zug fährt. Ich weiß nur dass ich drin sitze. Ja, ja, antworten sie dann. Das mag schon so sein. Nur macht sie das nicht unbedingt sympathisch.

Alles was ich noch in den Ring zu werfen vermag ist meine Kleinstkunst, holbrig wie der Weg zum Glück. So versuch ich mir die Schizophrenie vom Leib zu halten. Natürlich ist diese Kleinstkunst mit Schizophrenie durchzogen wie ein Stück Fleisch mit Fett. Besser weiß ich es nicht. Das ist mein kleiner Triumph über die Verhältnisse. Die so beschaffen sind, dass ich ein Gefangener bin, ein Gefangener meiner Selbst und Überlebender kleinstbügerlichen Gleichgültigkeit. Mein Leben bringt nicht jeder. Immer an der Kippe zum Überschnappen und sozial geächtet. Das auzuhalten, meistens mit einer gewissen Nonchalance, ist meine große, ganze große Lebenskunst. Ansonsten bin ich gescheitert. Gehe ich aus mir heraus, rufen Lichtweltmenschen noch immer nach der Ordnungsmacht, oder zeigen sich kleinstbürgerlich angerührt. Mir sind sie dann peinlich weil ich heuer 49zig werde. Ich mach jetzt nur noch Bauchfett. Früher ging das schon in Ordnung und ich fühlte mich geschmeichelt. Ich stecke in einem Niemandsland fest und (ver)wehre mich ein Niemandsleben-Mensch zu sein. Meine Bude ist wie die Insel Elba. Manchmal träume ich von einem Balkon mit Meerblick, ganz ohne Bronx, englischen Gentleman und dem schwer schizoiden Sohn vom fetten Polen, der eigentlich Bulgare ist. Wellen die an fremdes Land schlagen beruhigen mich. Heimat kenne ich nicht. In so einem Leben kann man nicht heimisch werden. Von Menschen träume ich nicht mehr. Nur noch im Tablettendelirium schwarzer Nächte. Ich habe keine Ahnung was sie in diesen Träumen von mir wollen. Vielleicht sind sie nur noch Kulisse und Teil eines Stuhls oder die Telfonzelle in der ich stehe. Wenn ich sie anrufe hebt nie wer ab. Ja, ja, antworten sie dann, das mag schon so sein. Nur macht sie das nicht unbedingt sympathisch.

Ich lebe nicht im Gefühl das noch etwas Großes und Schönes auf mich wartet. Sich aufgeben bedeutet nicht mehr zu hoffen. Eine Uhr benötige ich nicht. Meine Zeit ist längst abgelaufen. Für den Himmel bin ich zu durchtrieben und für die Hölle nicht geschaffen. Schon in diesem Leben war ich zu oft in zweifelhafter Gesellschaft. So wie ich lebe werde ich letztendlich auch sterben. Ja, ja, antworten sie dann. Nur macht sie das nicht unbedingt sympathisch.

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