Montag, 8. Juni 2015
Panik in Entenhausen
Sie werden sich sicherlich nicht gefragt haben wo der Schizophrenist so lange abgeblieben ist. Die Sache ist so. Der Wahnsinn ist bei mir eingebrochen, noch dazu mitten am Tag und vor allen Leuten. Schrecklich. Trotz meines wenig erbaulichen Zustandes fühlte sich niemand wirklich verantwortlich. Ich normal auch nicht. Nur dieses Mal hatte ich wirklich ernsthafte Bedenken, weil ich mir gezwungenermaßen die saublöde Frage stellte, weil sie sich aufdrängte wie eine Gewitterfront, für was ich mir das eigentlich alles antue. Ich bin nicht Jesus, an mir hängt nicht der Saum der Geschichte. Eigentlich sitze ich nur so da und warte ab. Für die Sinnfrage kann ich nichts. Die ist der Preis für Adam und Evas gelungenen Versuch, sich der Nacktheit zu entledigen, um Verantwortung zu tragen. Deswegen traue ich mich zu behaupten, dass ich ziemlich von der Rolle war/bin. Die schizoaffektive Angst vor dem Zerfall hat sich meiner bemächtigt wie eine Fluch oder eine Sektenführer der Enthaltsamkeit predigt und deswegen seinen dicken Mercedes nicht tiefer legen lässt. Da ein Unglück gern in Gesellschaft kommt, sind auch noch alle digitalen und multimedialen Dienste des Kabelbetreibers ausgefallen. Alle seit Mittwoch. Grauenhaft, schrecklich, unerträglich. Kein Internet und kein Telefon würde ich ja noch verkraften. Was ich aber nur schwer hinnehmen kann ist die Tatsache, dass auch mein heiliger Gral, die Glotze, so dunkel bleibt wie der Meeresgrund im Mittelmeer oder ein Ofenrohr wenn das Licht ausfällt. Seit Mittwoch sitze ich also auf dem Trockenen, total auf Entzug und mir überlassen, was mir gar nicht gut behagt, und jetzt ist Sonntag. Ich hatte auch etwas Glück im Unglück. Das sollte nicht unerwähnt bleiben. Der Hobbit-Anwalt und die Lady S. kamen mich auf der Insel besuchen, was mich aufrichtig freute. Nur meine Angst vorm Zerfall wollte ich diesen jungen Menschen natürlich nicht umhängen. Männer wie ich sollten ihre Lebensuntauglichkeit einfach im Alkohol betäuben oder wild um sich schlagen. Aber die Zeiten haben sich geändert. Kaputte Heteroschlampen haben sich überlebt. Heute geht`s um andere Dinge. Jüngere Männer sprechen heute eh andauernd über ihre Ängste und Nöte. Nur ich kann das nicht. Dazu fehlt mir das Talent. Natürlich kann ich darüber sprechen, aber das hört sich so an als ob ich aus einem Telefonbuch vorlese oder einen schlechten Witz erzähle. Spreche ich über Stan "the man" Wawrinkas grandiose Rückhand bin ich emotionaler. Die Ängste und Nöte bleiben einfach hinter der Fassade hängen. Eigentlich krachen sie dagegen. Außerdem haben die beiden ihre ganz eigenen Sorgen, die auch damit zusammenhängen, dass sie sich noch in ihrem Leben beweisen müssen. Ich hingegen bin hoffnungslos verloren. Der Hobbit-Anwalt, mit Güte geschlagen, hat mir sein mobiles Internet da gelassen. Jetzt kann ich surfen. Doch sich Sport im Live-Stream ansehen ist eine einzige Tortur. Der Stream bleibt andauernd hängen. Meine Sehgewohnheiten sind für hängenbleibende Streams nicht gemacht. Ein schneller Kontorangriff über die Flügel vorgetragen dauert manchmal gut eine Minute. Und dann noch das Drama auf der Insel. Eine Ente hat sich am Fuß verletzt. Jetzt hinkt die Arme fürchterlich und ihr Gatte und ich wissen nicht was wir dagegen unternehmen sollten. Aufgewühlt schwimmt der jetzt blöd im Kreis herum und sein Geschnatter hört sich an wie mein Seelengeklage. Einfach einfangen und zum Tierarzt fahren lässt sie sich das blöde Vieh auch nicht. Fliegen kann sie ja noch. Töten könnte ich sie und dann rupfen und essen. Aber diese Frage stellt sich für mich nicht. Wien ist ja nicht das belagerte Leningrad oder Aleppo. Aber so richtig den Boden unter den Füßen hat mir das Ehepaar F. aus dem zweiten Stock weggezogen. Der fette Bulgare, das ist der Vater vom Schizo der fürchterlich hässlich schizophren ist, hatte ein Loch in seiner Wasserleitung. Der hat nicht nur in der Wasserleitung ein Loch. Anstatt das Gebrechen sofort reparieren zu lassen ist der Gute einfach nach Kasachstan geflogen und hat die Leute blöd sterben lassen. Trotzdem wähnt er sich im Recht. Jetzt hat das Ehepaar F. eine Wand die mindestens so nass ist wie die Möse von der Josefine Mutzenbacher. Deswegen muss das Gewölbe nach dem Abspachteln von einer Sanierungsfirma trocken gelegt werden. Das Ehepaar F., zwei ältere Herrschaften aus dem einstigen Bildungsbürgertum, wohnt aber eigentlich am Land. Die Bude in Vienna ist nur ihr Zweitwohnsitz. Und die Sanierer kommen immer mal wieder nachsehen wie weit der große Föhn die Mauer trocken geblasen hat. Kurz und gut. Weil das für das Ehepaar F. ziemlich müßig ist, andauernd hin und her zu pendeln, suchten sie nach jemanden der ihnen vertrauenswürdig genug erscheint den Schlüsseldienst zu machen. Wie es aussieht kommt für diese bedeutende Aufgabe in diesem Haus nur der Schizophrenist in Frage. Natürlich sagte ich sofort zu. Man kann doch Menschen in der Stunde ihrer Not nicht den Rücken zukehren. Kann man natürlich schon. Die Verbitterung die über der Welt liegt wie Mehltau muss ja von irgendwo her kommen. Jetzt hab ich die Schlüssel. Und während wir ein wenig über den Zustand der Mauer und den fetten Bulgaren fachsimpelten, erzählte mir der Herr F. wie duzen uns ja, warum weiß ich nicht, wahrscheinlich weil wir Eigentümer sind, das die Frau F. an Demenz erkrankt ist. Vor 1 ½ wurde die Krankheit bei ihr diagnostiziert. Und jetzt soll`s rapide bergab geben. Ich sag mal so. Die Verzweiflung vom Herrn F. war/ist greifbar. Die Frau F. weiß ja manchmal nicht mehr so genau wo sie sich gerade aufhält. Die dachte sie sei in Kärnten. Dabei saß sie im Wohnzimmer ihres Hauses in Niederösterreich. Geld kann man ihr auch keines mehr anvertrauen klagte der Herr F. und der Herd wird auch zu einer unlösbaren Aufgabe für die Frau F. Sehr traurig. Wobei es jede Menge Leute gibt denen kann man auch kein Geld anvertrauen und die sind nicht dement. Und die Stunde naht, in der sie nicht mehr wissen wird wer er der Herr F. ist oder ihre beiden Kinder. Es muss sich schrecklich anfühlen seinen Lebensmenschen an etwas zu verlieren das grausig ist und keinen rechten Sinn ergibt, während die Welt sich einfach weiterdreht. Mit mir redet die Frau F. noch und an meiner Tür klopfte sie letztens auch, während sie vom fetten Bulgaren Angst hat. Ich will denn fetten Bulgaren nicht schlechter machen als er wirklich ist. Nur früher oder später, meistens früher, lebt der fette Bulgare mit jedem in Zwietracht. Kannst gar nichts dagegen machen. Natürlich ist das auch traurig. Aber anders traurig. Nur das alles zusammen, kein Fernsehen (oder Welt in die ich mich flüchten kann), die humpelnde Ente, Demenz, der fette Bulgare, und dann auch noch ich in meinem Wahn, der dieses Puzzele völlig falsch zusammensetzt, war eindeutig zu viel. In meinem Kopf war auf einmal die Ente dement, der fette Bulgare die hinkende Ente, die Frau F. der fette Bulgare, ich der Herr F. und der Herr F. der Enterich der hilflos im Kreis herum schwamm. Und dann hat auch noch die FPÖ bei Landtagswahlen im Burgenland und der Steiermark den Unmut in der Bevölkerung abgeräumt wie dreckiges Geschirr. Der Goadfather wollte mich auch noch besuchen kommen. Ging aber nicht weil er ja sein Mail etwas zeitverzögert bei mir ankam. Erinnerte ein wenig an den Transport mit einer Postkutsche. Der Winnetou ist auch verstorben. Da passte ganz gut ins Konzept das ich beim Putzen den Staubsauger, besser gesagt das Rohr, anstatt an den Stuhl zu lehnen einfach ins Leere fallen ließ. Deswegen ging die Glasplatte des Wohnzimmertisches zu Bruch. Wenigstens ein Unglück das sich ziemlich einfach aus der Welt schaffen lässt.

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