Mittwoch, 26. Februar 2014
"Geistige Arthorse"
Offener Brief an den Sehkranken im Matrosenpulli.

Eine Anmerkung hätte ich noch. Heute scheint es so zu sein, das jeder der etwas auf sich hält, andauernd mit seinen psychischen Unzulänglichkeiten kokettiert. Andauernd weißt jeder der etwas auf sich hält ganz gezielt auf seine psychischen Defizite hin, die man dann stolz herzeigt wie eine Kriegsverwundung. Wenn man dann genauer nachfragt erfährt man, dass dieser vermeintliche Kriegsheld kaum Feindberührung hat. Viele tun nur so als ob sie jeden Tag aufs Neue im Lazarett des pharmazeutischen Schrotts, mit Schrauben und Ösen notdürftig zusammengeflickt werden. Die meistens tun nur so als ob sie in vorderster Linie kämpfen, während sie sich in Wirklichkeit, in der Etappe die Füßchen in den Bauch stehen und einen auf Stadtguerilla machen und mit Platzpatronen der Sprache, der Welt kleine Löcher in die fette Wampe der Aufmerksamkeit schießen, die dann denkt, oh ein Kriegsversehrter. Hat es den/die aber fürchterlich erwischt.

Neuroleptika (ab 400 mg Seroquel gehört man zum Club), den Wirkstoff Carbamazepin gegen die manisch-depressiven Phasen, Schlaftabletten, mein Wohnzimmertisch sieht aus wie ein Apotheke nach einem Ausbruch. Jeden Abend seit gut 15 Jahren die volle Dröhnung. Jeden Abend, mutiere ich zu einem sprach und bewegungslimitierten Insekt. In Drogenszene nennt man diese Gestalten „Zombies“. Ich sollte mal so ein persönliches Zombie-Video online stellen, ist wirklich abartig eklig, wenn ich keinen gerade Satz mehr zusammen bringe. Die Schizoaffektivität bestimmt das Leben. Die psychischen Unzulänglichkeiten bestimmen das Leben, geben den Lebensrhythmus vor. „Ich“ sagen ist eine lächerliche Zote. Alles Atmen fremdbestimmt, jeder zweite Gedanke eine Zumutung und aufgezwungen wie die Erziehung. In den ärztlichen Befunden, die Fassade der bürgerlichen Existenz rot durchgestrichen, wie früher in der Schule der Aufsatz wegen Themenverfehlung. Das verstehe ich unter richtig kaputt sein. Gesellschaftlich kaputt, ausweglos kaputt, jeder Tag ein einziges Rückzugsgefecht, im Bombenhagel der psychischen Unzulänglichkeiten, in Deckung, Mensch-sein, in Deckung. Wenn ich ganz ehrlich bin, bin ich nicht einmal noch wirklich Hardcore. Es hätte wesentlich schlimmer kommen können.

Kunst heißt ja auch "Können" und nicht "Leiden".

Antwort von Sehkrank im Matrosenpulli
ich übersetze mal, wie das ankommt, was du von dir gibst:

"ein schizo ist viel schlimmer dran als ein depri. deshalb hast du gar kein recht zu jammern. wahrscheinlich bist du aber nicht mal depri, sondern tust nur so, um dich interessant zu machen. auf jeden fall aber hast du überhaupt keine ahnung und solltest deshalb dringend die fresse halten. deshalb dürfte, wenn überhaupt, nur ich jammern. und, last but not least, wenn du deine fake-depri nicht hättest, könntest du gar nicht schreiben."

weißte, vermutlich gehts dir echt scheiße. und vielleicht bist du auch irgendwo ein richtig toller kerl. aber du gibst dir teilweise verdammt viel mühe, es zu verbergen. deine erkrankung ist wahrscheinlich richtigrichtig schlimm, so schlimm, dass es sich mein kleines spatzenhirn nicht ausmalen kann. aber vom arschlochsein wird sie vermutlich auch nicht besser.

und wenn dir hier zu viel krankheit ist: lies doch einfach woanders.

Darauf der Imperialist: Madame, nicht zu viel Krankheit zu wenig. Ich bin "Schizophren", aus dem normalen Leben aussortiert und trotzdem muss ich die Krankheit so gut es geht verschweigen. Und nein es geht mir den Umständen entsprechend ganz gut. Es könnte wesentlich schlimmer sein. Ich bin nur det Türsteher zum Cafe zum totalen Wahnsinn.
Korrektur: des Cafes zum totalen Wahnsinn. Ich habs nicht so mit dem Deutsch. Weder Beruf noch Schulausbildung. Außer den kurzen Pflichtdurchgang. Hahaha! (ehrlich) Bin a Gossenkind, schizo-Gossenkind.
Nee für den Club langst es noch nicht. Muss auch nicht sein. (believe me) Die wirklich Kaputten z.B. haben nicht einmal ein Handy. hahaha!

... link (0 Kommentare)   ... comment