Samstag, 9. Februar 2013
"Wo das Rettende ist, wächst auch immer die Gefahr". Ziemlich frei nach Hölderlin
der imperialist, 20:20h
Ein User hatte auf Facebook zu Solidaritätskäufen für die Niemetz Schwedenbombe aufgerufen. Der Süßwarenhersteller Niemetz steht vor dem Konkurs. Binnen weniger Tage war die Gruppe auf 40 000 Mitglieder angewachsen. Die Schwedenbombe ist der österreichische Pedant zu den deutschen Dickmanns. Nur im Gegensatz zu den Dieckmanns, die Innen weiß wie Schnee sind, ist eine Schwedenbombe granuliert. Das liegt am Kakao der ins Schneeeiweiß gerührt wird. Die Schwedenbomben sind für die nicht mehr ganz so jungen Leute, ein treuer Freund und Wegbegleiter aus Kindheitstagen, den man mit den Jahren einfach nur aus den Augen verloren hat. Und weil man alte Freunde aus Jugendtagen gerne wieder trifft sind die Schwedenbomben in den Supermärkten derzeit so gut wie ausverkauft. Das ist an sich sehr löblich. Engagierte Menschen sind das Blut jeder Demokratie. A blöder Satz. Anders formuliert: Das Gemeinwohl ist schon seit Urzeiten, jedenfalls seit Aristoteles, das zentrale Ziel des menschlichen Zusammenlebens. Gott sei Dank ist das keine Doktorarbeit. Wäre ich an der Stelle der Frau Schavan könnte ich jetzt nur noch auf einen Ehrendoktortitel oder eine Ehrenbürgerschaft hoffen. Und das nach 33 Jahren Gewissensbildung. Was musste sie aber auch über so einen Schmarrn, wie "Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung", schreiben. Weil die Welt an sich hat ja kein Gewissen. Obschon, Syrien hat natürlich wer auf dem Gewissen, ebenso die Umwelt in ihrem jetzigen Zustand. Ja sogar mich haben ganz gewissenhafte Leute, nur schwer mit ihrem Gewissen vereinbaren können. Nur unbedingt retten wie die Schwedenbombe will uns deswegen niemand. Dabei hätten wir ein klein wenig Rettung genauso nötig. Nur wir kommen in der Erinnerung der Schwedenbombenheilsarmee nicht vor. Wir haben dort keinen entsprechenden Platz. Und zum nostalgischen Verklären eignen wir uns auch nicht. Höchstens die Umwelt zeigt sich unwidersprochen rettungsaffin, obschon sie ja nur den unbewussten Hintergrund mimt, während man bewusst in eine Schwedenbombe beißt. Primär geht es den Leuten, bei ihrer heldenhaften Rettungsaktion, nicht um den Süßwarenhersteller Niemetz und die 140 Arbeiter und Angestellten, sondern um die Unversehrtheit ihrer Erinnerung, um ihr Gefühl aus fernen Kindheitstagen, das stetig und unentwegt verblasst. Das wollen sie retten, weil die Schwedenbomben stellvertretend auch noch für das eigene Verschwinden steht. Das Aus für die Schwedenbombe ist sozusagen die Vorwegnahme des eigenen Endes. Und wer will schon darauf hingewiesen werden das er sterblich und endlich ist. Des Weiteren wird von den Fleisch gewordenen Schwedenbombenrettern nichts übermenschliches abverlangt um die Erinnerung am Leben zu bleiben. In den Supermarkt gehen, Schwedenbomben kaufen, zu Hause sitzen verspachteln und das alles im Gefühl was Gutes getan zu haben. Das ist keine Tortur und entspricht ganz dem Charakter der postindustriellen Wissensgesellschaft. Zum Held der die Schwedenbomben rettet hat so gut wie jeder das Zeug. Deswegen war die Erbin aus der Niemetz Dynastie von der enormen Solidaritätswelle die über sie und ihr Unternehmen hereinbrach auch so überwältigt. (Hoffentlich versteht sie diese Art der Solidarität nicht falsch). Aber gerade im Funktionieren dieser Rettungsaktion, zeigt sich auch wie erschreckend oberflächlich eine kapitalistisch durchgestylte Gesellschaft ist. Menschen können zwischen lebenden Wesen und unbelebten Dinge, denen durch Werbung, Leben im wahrsten Sinne des Wortes "eingehaucht" wurde und wird, im Grunde nicht mehr unterscheiden. Zwischen der Person und der Schwedenbomben ist Nähe entstanden, die genau so echt ist wie zwischen Menschen. Nur viel einfacher zu handhaben wenn man nicht zu viel frisst. Die Schwedenbomben enttäuschen einen nie und anderer Meinung sind sie auch nicht. Deswegen kann man ein guten und verlässlichen Freund wie die Schwedenbombe nicht sterben lassen. Ganz im Gegensatz zu Syrien, der Umwelt oder mir. Mit mir z.B. hat diese Woche, abgesehen von der Kasselerin im Supermarkt, kein menschliche Wesen ein Wort gewechselt. An mich als Person, dessen Würde an sich unantastbar ist, hat überhaupt niemand das Wort gerichtet. Nur als Konsument wurde ich in ein typisches Konsumentengespräch verwickelt. Dabei hatte ich wirklich eine schlechte Woche. Schizophrenie, oder sagen wir eine Erkrankung aus dem schizophrenen Krankheitsumfeld, weil die menschliche Psyche ist ein weites Feld, kann zuweilen schon sehr anstrengend sein. Vor allem wenn sich diese erkrankung über einen Zeitraum von gut 15 Jahren erstreckt. Montag dafür, kann ich für den Gegenwert eines gewissen Euro-Betrages, den ich zu entrichten habe, wieder fei und von der Leber weg über meine Erfahrungen erzählen. Das Preis-Leistungsverhältnis dieser Dienstleistung ist im Übrigen ganz ausgezeichnet. Zumal ich schon einsehe, auf den ersten Blick erscheint mir eine schnelle Rettung, bei drei so hoffnungslosen Kandidaten wie Syrien, der Umwelt und meiner Wenigkeit, ziemlich aussichtslos. Wenn ich die Wahl hätte und nicht durch gewisse Umstände gerade unpässlich wäre, würde ich auch zuerst die mutige Rettung der Schwedenbombe in Angriff nehmen.
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hafensonne,
Freitag, 18. Dezember 2015, 18:59
Auf der Metaebene bin ich zwar sowas von raus, aber Ihre Analyse der Schwedenbombenrettung ist mehr als messerscharf :-)
Aber woher kommt der Name, ich weiß zwar, dass Teile meiner Wahlheimat auch mal schwedisch waren (worüber es jedes Jahr in Wismar einmal den Spaß gibt, dass die Schweden Wismar zurückfordern, weil es ihnen völkerrechtlich immer noch gehören würde), aber bis nach Österreich? Sie hatten doch eher die Osmanen vor der Tür ;-)
Aber woher kommt der Name, ich weiß zwar, dass Teile meiner Wahlheimat auch mal schwedisch waren (worüber es jedes Jahr in Wismar einmal den Spaß gibt, dass die Schweden Wismar zurückfordern, weil es ihnen völkerrechtlich immer noch gehören würde), aber bis nach Österreich? Sie hatten doch eher die Osmanen vor der Tür ;-)
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sanddorndiva,
Freitag, 18. Dezember 2015, 22:28
Dank des Weihnachtswunsches der Frau Novemberregen erscheint zum zweitenmal die Schwedenbombe, deren Existenz ich zwischenzeitlich komplett vergaß, auf meinem Blogradar. Zum erstenmal war es auf diesem Blog: http://www.esskultur.at/index.php/2013/02/05/mag-noch-jemand-eine-schwedenbombe/
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meermond,
Samstag, 19. Dezember 2015, 09:50
Leider auch nur virtuelle Worte, dafür persönlich gemeint: Ich wünsche Ihnen eine bessere Woche.
Herzliche Grüße,
Meermond
Herzliche Grüße,
Meermond
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der imperialist,
Montag, 21. Dezember 2015, 20:54
Wie sind sie den auf den text gekommen? Hahaha. Sau lustig. Der ist ja uralt. Schwedenbombe ist super. Explodiert erst auf der Waage. haben wir uns früher Tonneweise reingestopft. trotzdem hat keiner diese blöde, blöde Krankheit bekommen. Zucker halt. Ich will nicht googlen.
Ehrlich mich deprimiert dieser Text. Hab ich schon lustigeres geschrieben.
Ehrlich mich deprimiert dieser Text. Hab ich schon lustigeres geschrieben.
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