... newer stories
Donnerstag, 6. Februar 2014
Niemals Staub wischen, niemals!!
der imperialist, 20:20h
Aus mir unerklärlichen Gründen wollte ich die unterste Reihe der Bücher, die recht leblos in einem Bücherregal die Wand anstarren, einfach nicht abstauben. Irgendetwas hielt mich immer davon ab. Als ob da unten irgendeine Gefahr lauert der ich aus dem Weg gehen muss. Das Regal ist nicht einmal besonders groß. Es hat nur zwei Einlegeböden, ausgelegt vielleicht für 80 bis 100 Bücher. Die oberen beiden Reihen staubte ich ja heilige Zeiten mal ab. Nur die unterste Reihe nie. Nicht in den letzten zehn Jahren. Zehn Jahre alter Staub auf Büchern sieht wirklich grausig aus. Der wird dick und schwarz und gräbt sich in die Seiten und erinnert ein wenig an einen frühen Tag nach einer Apokalypse. Gleichgültig war mir der Dreck natürlich nicht. Der stach schon ziemlich hervor, weil der Rest der Wohnung und des Inventar, nicht ganz so abartig verdreckt ist. In den letzten zehn Jahren war ich schon einige Mal ziemlich nah dran, das in Ordnung zu bringen. Nur wenn meine Hand nach dem ersten Buch griff, sagte eine Stimme in mir warnend, mach das lieber nicht, lass das lieber sein. Irgendwann wird dieser Dreck wahrscheinlich auch noch gesundheitsgefährdend. Meine Gesundheit dachte ich mir, möchte ich schon bewusst ruinieren und nicht einfach so im vorbeigehen. Meine Haut z.B. ruiniere ich ja ganz bewusst. Die Armee der Gesundheitsfaschisten, die ihre Reigen, mit Warnungen jeder Art dicht geschlossen hält, kann mich mal geschlossen am Arsch lecken. Wenn denen mein Lebensstil (als ob ich einen habe) gegen den Strich geht, dann sollen sie einen eigenen Staat gründen und wieder das Sudetenland annektieren. „Machen sie das nicht, tun sie das nicht, lassen die die Hände davon und dass sollten sie unbedingt unterlassen“. Aber sich dann heimlich eine CD kaufen, auf der die größten Hits aller Pop und Rock Größen sind, die mit 27 das Zeitliche segneten. Dschungelkönigin Melanie Müller, kurz M.M kam mit in den Sinn. Keine Geringere als die amtierende Dschungelkönigin M.M. nahm ich mir zum Vorbild. Mit ein paar Liebeskugel im Arsch, die ich heimlich im Internet gekauft hatte, weshalb meine E-Mail Account jetzt übergeht mit Werbung für Sexspielzeug. Ein Scherz. Wenn die M.M. Hoden von kurzsichtigen Truthähnen essen kann, dann werde ich doch wohl ein paar Bücher abstauben können. Wobei ich zugebe. Zum Abstauben habe ich nicht viel Talent. Runter auf die Knie, Hand raus, Buch rein, mit der anderen Hand drüberwischen und wieder zurückstellen, so schwer kann das doch nicht sein. „Mach das ja nicht“, paffte mich die Stimme an. "Untersteh dich, du wirst schon sehen was du davon hast". Mein Problem mit dieser Stimme ist, das sie sich nicht merklich von der anderen Stimme abhebt, die mein Leben in Paranoia taucht. "Steig nicht in den Aufzug, iss nicht dieses Gemüse, nimm eine andere U-Bahn, dieses kleine ziehen im Magen ist Krebs, ena-dwa SAK. Der Kater stirbt, der Fernseher ena-dwa, die Sonne fällt aus der Zeit, noch 8 Minuten und du, sinnlos wie in deinen vorhergehenden 8 Minuten, lass das mit den Bücher, mach es lieber nicht, hier das römische Reich und dort Han-Dynastie, und zwischendurch ein Jahrhunderte währendes Gemetzel, für das kunststoffene Königreich meiner Fernbedienung, und Online-Foren, in denen man sich als Frissundstirb34, man will ja seine bürgerliche Existenz nicht gefährden, zum Kanibalismus bekennt, den man ja für ausgerottet wähnte wie die Masern". Da denn Überblick zu behalten und die sachdienlichen Hinweise aus dem ganzen Gedankenschrott heraus zufiltern, gehört nicht gerade zu meinen einfachsten Übungen. Ich will es Vernunft nennen die die Oberhand behielt. Ich nahm ein Buch raus, wischte es ab und stellte es wieder zurück. Ich nahm das nächste heraus, ging ähnlich vor und erzielte ein ähnliches Ergebnis. Du bist ja wirklich ein schizoider Spinner dachte ich mir, total irre. Als ich das Buch mit dem Titel, „Ja, mein Engel, die besten deutschen Kurzgeschichten“, heraus zog, fiel ein Freundschaftsband heraus. Das Band war alt, abgetragen, zerfranst, wie sagt man so schön, im Auflösen begriffen. Diese Sammlung preisgekrönter Kurzgeschichten usw. stand im Einband. Und das soll ich jetzt nicht tun. Was bin ich nur für ein Wrack dachte ich mir. Mein Blick fiel auf eine Widmung, erste Seite ganz unten. Die war mit Bleistift geschrieben. Ich schreib die mal ab. „Ich weiß nicht, was es genau ist. Ich weiß nur dass ich nicht gehen kann, obwohl ich oft nicht mehr weiß, was ich tun kann, um mit Dir zu sein und mich nicht dabei aufgeben zu müssen. Aber es kann nur die Liebe sein, denn es tu oft so weh und oft ist es so unvorstellbar erhebend. Es ist keine Harmonie – kein Gleichgewicht, doch vielleicht muss es so sein, damit wir zusammen bleiben können. Denn Menschen, die unabhängig sind, müssen auch nicht flüchten. Aber im Grunde weiß ich es nicht".
In Liebe Deine B.
Daher also weht der Wind, dachte ich mir. Sorgsam wischte ich den Dreck von dem Buch mit den preisgekrönten deutschen Kurzgeschichten. Das Freundschaftsband legte ich auch wieder zurück. Lesen werde ich es nicht. Die eigentliche Geschichte dieses Buches wird da nicht erzählt. Und Preisgekrönt ist die auch nicht.
Am Abend verstand ich warum sie diese Widmung nur mit Bleistift geschrieben hatte.
In Liebe Deine B.
Daher also weht der Wind, dachte ich mir. Sorgsam wischte ich den Dreck von dem Buch mit den preisgekrönten deutschen Kurzgeschichten. Das Freundschaftsband legte ich auch wieder zurück. Lesen werde ich es nicht. Die eigentliche Geschichte dieses Buches wird da nicht erzählt. Und Preisgekrönt ist die auch nicht.
Am Abend verstand ich warum sie diese Widmung nur mit Bleistift geschrieben hatte.
... link (0 Kommentare) ... comment
... older stories