Mittwoch, 15. März 2017
Zombieland
In Gedenken an Sarah Kane.

Ich weiß nicht, ob ich morgen noch immer, schon wieder,
von Tabletten benommen und gerädert
aus dem Bett steigen möchte und dem Kaffee dabei zuhöre, wie er durch den Filter rinnt,
weil mein Dafürhalten das Leben nicht mehr filtert.
Ich weiß nicht, ob ich morgen noch immer auf die Straße hinunter schauen möchte, wo im Grau meiner Vorstellung die kahlen Bäume stehen,
wo das Rot von der Straßenbahn blättert und sterbende Menschen, den Tod, gut gelaunt in bunten Plastiksäcken, zwischen Knoblauch und Bio-Zwiebeln gepackt, über die Straße, ins nächste Nichts tragen, während Handys wie Sirenen aufheulen und magersüchtige Modells, sinnlich zurecht retuschiert von Plakatwänden heulen wie einsame Wölfe.
Ich weiß nicht, ob ich morgen noch immer, schon wieder in meine abgewetzte Jean steigen und ein Leibchen überziehen möchte, das von Motten und Jahren zerfressen an mir klebt wie mein Gefühl, verloren gegangen zu sein, obschon verschlissene Fetzen ja wieder en vouge sind.
Ich weiß nicht, ob ich Morgen noch einmal „Moon over Bourbon Street“ hören möchte, semi-legal heruntergeladen aus dem Internet, während ich dabei durstig nach meinem weggeworfenen Leben, in ein trübes Glas Wasser starre, indem der Irrsinn geduldig seine Kreise zieht, bis eine der Narben auf meiner Seele endlich wieder aufplatzt, wie die Haut eines Frankfurterwürstchens, damit ich was zu tun habe.
Ich weiß nicht warum ich ein Frankfurterwürstchen geschrieben habe, wo ich doch in Wien lebe.
Ich weiß nicht, ob ich morgen das Naheliegende noch sehen möchte, wo es mich doch nicht im Entferntesten interessiert.
Gemüse essen, Krieg und Atomstrom ablehnen, eine private Krankenversicherung abschließen und nebenher fleißig in einen privaten Pensionsfond einzahlen, der auf steigende Maispreise wettet, während die Mexikaner ihre Tortillas mit blanker Wut füllen.
Auf den Cholesterinspiegel achten, sich vor der al Qaida und Georg W. Bush. jun. seiner Junta fürchten, zur Wahl gehen, die Wohnung geschmackvoll einrichten, Freundschaften wie Möbel pflegen, Ratgeberliteratur und Feng Shui, Urlaubsfotos einkleben, nein auf der Festplatte abspeichern Ziele hinterher rennen, die feine Anzüge tragen und auch sonst blendend aussehen.
Ja in einer assumptiven Welt, ist der Wille zum Konsum alles.
Ich weiß nicht ob ich Morgen, noch immer so tun sollte, als ob sie mir nichts anhaben können.
Ihr ständiges Gelaber von Sieg und Fortschritt und den eigenen Möglichkeiten, die schier unerschöpflich sind, wenn man sich nur richtig anstrengt.
UN-Soldat im Irak war so gesehen eindeutig die falsche Art der Anstrengung.
Ich weiß nicht, ob ich morgen das ernten möchte, was ich gestern gesät habe. Leergeschriebene Kulis auf verwelktem Papier, eine Niemandslandserenade der abgelutschten Träume, verdurstete Begriffe und verhungerte Erklärungen, steifgefrorene wie zigtausende Verwundete, in der Kühltruhe von Stalingrad.
Ich weiß nicht, ob ich morgen noch auf den nächsten Sommer warten möchte, der meine Neugier nicht weckt und der mich nicht wärmt, der mich da stehen lässt wie eine Vogelscheuche im Wind, während die bösen Raben in ihren neuen Markenturnschuhen keuchend und schwitzend an mir vorbei joggen.
Ich weiß nicht ob ich Morgen auch weiterhin depressiv, verängstigt und verzweifelt in irgendeinem Wartezimmer eines Psychiaters, meine Zeit vergeuden sollte, während sie dich mit Todschlagargumenten traktieren.
Ich könnte dem guten Herrn Doktor auch einfach eine reinhauen, dann würden sie mich endlich von hier weg bringen in ein anderes Gefängnis.
Ich weiß nicht, ob ich morgen, im Zirkus Maximum der Eitelkeit, noch den Clown geben sollte,
der weder witzig noch ein Kunststücke kann,
außer permanent auf die Schnauze zu fallen.
Ich weiß nicht, ob ich auch morgen noch durch den Gewitterregen die Häuserfronten entlang gehen möchte, wo Werbeaussendungen in den Türen verwaisen und Gegensprechanlagen stumm bleiben, wo hinter abgedunkelten Fenster, alte vereinsamte Frauen auf ihre Stöcke gestützt, vergilbten schwarz-weiß Bilder der Liebe hinterher träumen.
Ich weiß nicht warum ich die kaputte Fensterscheibe nach sechs Jahren noch immer nicht zum Glaser gebracht habe. "Grüß Gott könnten sie bitte das Glas austauschen", ist doch gar nicht so schwer.
Und dann stehst vor dir ein Mensch mit schiefer Nase oder hängenden Titten, der so gar nichts Göttliches an sich hat.
Ich weiß nicht, warum ich „fick dich" auf die Scheibe gekritzelt habe, wo ich doch auf meine außergewöhnlichen Charaktereigenschaften hinweisen wollte.
Ich weiß nicht ob ich morgen den stinkenden Atem dieser Welt noch einatmen möchte. Glücklich vor sich hin faulendes Gedärm, abgetötet und abgepackt in der Kühlvitrine oder aufrecht auf zwei Beinen vor der Kassa stehend, mit einem Einkaufswagen voller gesunder Köstlichkeiten, die das eigene Ablaufdatum endlos hinaus zögern wie die Pointe eines schlechten Witz.
Ich weiß nicht, ob sich mein Arschloch auch Morgen noch so redlich dehnen sollte.
Dieser hirnlose Magen verdaut und verdaut, schiebt dem Darm die Verantwortung zu, der diese willfährig annimmt, während meine bekackte Erinnerung unter Verstopfung leidet.
„Ich werde euch sagen woran ich bin", schrieb die Sarah,
"Einhundert Lofepramin
fünfundvierzig Zopiclon
fünfundzwanzig Temazepam
zwanzig Mellerill", und vor den Theaterkassen
eine neue Horde feingeistiger Zombies
das sich an ihrem Sterben satt fressen.

Wien 2004

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Dienstag, 14. März 2017
Altes Schmerzgeheul
Hab ich heute in meinen Dateien gefunden. Hat locker 10 Jahre am Buckel.

Samstagvormittag im Supermarkt vor der hauseigenen Bäckerei.
In einer Reihe stehend, dachte darüber nach, wie viele Stunden ein Notstandsgeldempfänger wohl mehr mit Anstellen und Warten zubringt, als ein Top-Manager mit goldener Kreditkarte.
Und während ich so lustvoll vor mich hin dachte, meldete sich mein schizoaffektiver Schädel zu Wort. "Flugzeuge pissen ihr Benzin auf die Schweißränder der Vorstadt, der Baum vorm Fenster nimmt Aspirin, die Katze kaut Fliegenherzen".
Scheiße dachte ich mir, die Lyrik von Albert Ostermaier ist gar nicht mal so schlecht. Im Aquarium der Sehnsucht, schwimmt die Liebe, wie Plankton. Allah kotzt Öl in das Allradgetriebe unserer Vorstellung. Zornesröte auf high hills, Wunschbilder unnachgiebig wie ein Lungenödem, die Vernunft liegt wundgelegen und angeschissen im Sterbebett, Geschichte, nichts als ein gemischter Salat für Besserwisser und Revanchisten, Sturzbäche voll Hoffnung, die Welt schreit nach einem neuen Erlöser, das Sinnlose im Sonderangebot, drei Enttäuschte zum Preis von zwei. Mir geht so gut weil ich ´n Mädchen bin, weil ich ´n Mädchen bin, Komm doch mal rüber Mann und setzt dich zu mir hin, weil ich ´n Mädchen bin, weil ich´n Mädchen bin, keine Wiederrede Mann weil ich ja sowieso gewinn, weil ich ´n Mädchen bin. Der Übergang kam ohne Vorwahrung und nahtlos. Wenn die Stimmen in meinen Kopf nicht mehr zu bändigen sind und ich das Gefühl habe gleich durchdrehen, singe ich einfach Liedchen. Meistens das, was mir mein scheiß Hirn gerade so aufzwängt. Komm doch mal rüber Mann und setzt dich..., da hörte ich hinter mir jemanden hässlich husten. Ich drehte mich um. Hinter mir stand eine alte Frau. Ihr Husten wollte nicht aufhören. Es klang fürchterlich kraft und saftlos. Is this your heart-shaped-box. Mein Gott sah die Frau entsetzlich gebrechlich aus. Sie war ganz abgemagert, ihre Haut eine Meer aus Falten die sich übereinander schoben wie Sedimente, ihre Hände ganz dürr, wie Äste an einem toten Baum und ihre kleinen Augen tief in den Höhlen vergaben und zurück gedrängt, wie der Mut nach tausend geschlagenen Schlachten. Sie sah so erschöpft und verloren aus.
„Eigentlich sind sie doch vor mir gestanden oder nicht“ fragte ich die Dame.
„Ich benötige nur drei Semmeln“ antwortet die. Killing Fields über die psychotsiche Schmetterlinge fliegen, während wir uns nach Waschbrettbäuchen sehnen.
„Bitte gehen sie doch weiter“.
Als sich die Verkäuferin mir zuwandte, zeigte ich auf die alte Dame, dass sie die nächste sei.
„Bitteschön, was darf es sein denn sein?“
„Drei Semmeln für das Frühstück bitte“. Mit zitternden Händen nahm sie die Semmeln entgegen und verstaute die in ihrer Tasche, bedankte sich und schleppte sich weiter, dem Ende der Welt entgegen.
Der Tod wird sie mitnehmen, in sein dunkles Reich der verwesenden Transzendenz, während wir mit Bohrern und Sonden das Herz dieser alten Frau durchstoßen, auf der Suche nach fossilen Brennstoffen, um uns die Erde Untertan zu machen. Nur der Schwäche gibt nach.
Komm doch mal rüber Mann und setzt dich zu mir hin, weil ich ´n Mädchen bin, weil ich´n Mädchen bin.
„Sie sind aber ein fröhlicher Mensch“ stellte die Verkäuferin fest. „Fast jeden Tag wenn sie Brot bei mir kaufen singen sie“.
„Ja ich weiß ich bin dermaßen eine Frohnatur“, antwortete ich mürrisch.
„Was darf es denn heute sein“.
„Ich weiß nicht so recht was ich will, vielleicht komme ich später, ein wenig später, noch einmal wieder“.
Ohne Gebäck im Gepäck ging ich weiter zur Obstabteilung. Ein Herzblutgeschwader auf elf Uhr, nichts als Mühe und Not, Drangsal und Pein, doch im steinernen Garten wartet dein Liebster, du alte Nazibraut, die Himmler in der Schlucht von Babij Jar, im rückwärtigen Heeresraum, auf einem Leichenberg stehend anständig durchfickt hätte, wenn er nur gekonnt hätte, der alte Syphilitiker.
Aus dem tiefen Räume aus der Erde Grund, hebt sich wie im Träume dein verliebter Mund.
Wenn sich sie späten Nebel drehen, wer wird bei der Laterne stehen, wie einst die Lili Marlen. Vor der Kaserne vor dem großen Tod...........
Singend ging ich durch die nächste Abteilung.

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Montag, 13. März 2017
Neues aus der Schizophrenisten-
Wurmlöcher gehen bei Kartoffeln mit dem Spargelstecher, den ich ja irrtümlicherweise für einen Kartoffelschäler hielt und auch als solchen käuflich erwarb, super zum Heraushebeln. Da hat die Frau Kelef völlig recht. Aber wie man durch so ein Wurmloch von einer Dimension in eine anderen gelangen will erschließt sich mir ehrlich gesagt noch nicht ganz.
Ich mach da lieber einen Stich. Hier oben das offiziell gelebte.
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Unterm Strich das inoffziell gefühlte.

Anhang: Schreibe gerade einen Text über meine "neuronale" Zerrüttung, bedingt durch Deprivation-Unterstimulierung , im frühen Kindesalter. Nach der Scheidung saß ich mit meinen 4 1/2 Lenzen, mal eine Zeitlang nur so in einem Raum. Den entgültigen Beweis dafür kann ich natürlich nicht erbringen. Ich weiß ja von nix. Trotzdem gehe ich so von gut 2 Jahren aus. Meine Halbschwester erzählte mir vor Jahren, die Haushälterin ließ uns auf Holzscheitel (Stück Brennholz) knien. Keine Ahnung was der noch so in den Sinn kam, als sie mich ganz für sich alleine hatte. Durch Unterstimulierung lässt sich auch auch mein technisches Unvermögen erklären. Diese Psychologie. Hat auf jedes Problem eine passende Antwort. Die machen aus nix Wirklichkeit wie eine Zentralbank Geld oder ein Keller voller PCs Bitcoins. Auf der technischen Ebene schnall ich ja gar nix. Mein recht hoher Rest-IQ, der sich zu meiner Freude auch nicht ganz wegsaufen ließ, erklärt sich durch eine glückliche genetische Fügung. Wäre ich da auch zu kurz geraten, müsste ich ja den ganzen Tag RTL II gucken. So mach ich halt die Bücher von gebildeten Lichtweltmenschen. Gelernt im klassischen Sinn habe ich ja nix. Gar nix. Nach der Haushälterin kam die Um2 Autokratie, gefolgt vom Überleben in den zerfransten Rändern der Idylle, ein wildes Strampeln auf der Stelle, das nach getanem Werk in Schizophrenie aufging wie ein gläubiger Mensch in Gott. Ich habe ja kaum innere Stuktur. Sobald ich vom Stuhl aufstehe, stürze ich ins Leere . Vor mir, also dort wo andere sich Ziele erfinden und Zukunft vorstellen, als formbare Knetmasse und Ich-Variante, lauert bei mir nur der Tod. Ich bin immer nur der Moment. Bin ich mal nicht der Moment verfalle ich auch schon in Schnappatmung, denn sobald es darüber hinaus geht, trete ich neuronal auch schon ins Leere. Dort wo sie sich an jemanden annähern, entferne ich mich. Nicht bewusst. Dort wo sie sich fallen lassen. Schizophrenie zerstört auch Struktur. Die tut an sich nix anderes. Auch kognitiv. Der Übergang von Deprivation zu Schizophrenie ist fließend. Ich kann ihnen sagen. Es wird kein Vergnügen. Mit knapp Fünfzig kann von einer schnellen Genesung nicht mehr ausgegangen werden. Aber sie haben ja das Glück den Schmarren nicht leben oder nachleben zu müssen, so wie man das Leben eines Stars nachlebt oder ein Gericht nachkocht. Meine Leibspeise kann ich ihnen nicht weiterempfehlen. Lesen ja vielleicht. Aber nur mit guter Laune und genügend Sättigungsbeilage.

Scheiße. Ich sehe gerade. Den Text könnte ich mir sparen weil alles Wesentliche schon gesagt ist.

Das kann gar nix. Ich mach lieber 5 Seiten und hör dann mitten drin auf .

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