Sonntag, 14. Dezember 2025
Jüdisch sein ist eine scheiß Challenge
In einem Aufwasch geschrieben. Das muss man nicht an seinen Worten wohlfeil herumfeilen.

Da hast du dann eine total bekloppte Identität am Hals, die du auch nicht mehr los wirst, wie eine chronische Entzündung. Mit der stecken sie dich an. Ob du willst oder nicht. Na, na. Mit der musst du dich dann herumschlagen oder auseinandersetzen. Die ist lebensgefährlich. Wie die Arbeit mit Kampfstoffen. Das ist jetzt nicht dein voller Ernst. Na meiner nicht. Aber für Juden in der Diaspora ist das so. Ob dir das jetzt genehm ist oder dir total auf die Nerven geht, spielt keine Rolle. Keine Identität wiegt so schwer wie eine jüdische Identität. Eine jüdische Identität ist toxisch. Natürlich nicht aus sich heraus, sondern weil andere sie über Jahrtausende toxisch gemacht haben. An der reiben sich alle. Wie eine läufige Hündin, die sich an einer Litfaßsäule reibt, auf der ein Plakat für den "Kaufmann von Venedig" klebt, reiben sich viele Judenhasser:innen an deiner jüdischen Identität.

Im Volkstheater spielen die dann dieses Stück Menschsein. Und zu dem liebsten Stehgreifstücken fast eines jeden Volks gehört was Antisemitisches. Der unter der kleinstbürgerlichen Fassade brodelt und sich gegen die jüdischen Identität richtet, die wiederum eingerahmt wird vom Antisemitismus, Antizionismus, Antijudaismus. Und irgendwo zwischen diesen Formen der Diskriminierung und Ausgrenzung bewegt sich die Holocaustleugnung und -verharmlosung. Und so einzigartig sei der Holocaust gar nicht gewesen, behaupten inzwischen viele. Für all jene Jüdinnen und Juden, die im Zuge der Shoa von unseren Vorfahren und Anverwandten ermordet wurden, war der schon ziemlich einzigartig.

Seit dem 07.10.2023, dem brutalen Überfall militanter Palästinenser auf Israel, bei dem 1200 Menschen ermordet in Israel ermordet und 251 Geiseln nach Gaza verschleppt wurden, hat sich eine weitere Erzählung herausgebildet: dass Jüdinnen und Juden angeblich glauben, sie verfügten wegen des Holocaust über einen moralischen Freifahrtschein, weshalb sie deswegen folgenlos, also ohne Konsequenzen, sowohl die dümmsten als auch die vermeintlich intelligentesten, KI‑gesteuerten Bomben auf Kinder in Gaza werfen könnten. Ist das so? Ja. Der Holocaust rechtfertigt jedes Kriegsverbrechen das von Israel in Gaza begangen wurde.

Die Shoah ist zur moralischen Währung geworden – und wird nun gegen die Juden selbst verwendet. So verwandelt sich das europäische Gedenken in eine Anklage gegen die Opfer.

Trotz akribischer Forschung, trotz zahllosen Studien, Analysen und Fakten schwindet in Europa das Bewusstsein dafür, was ein Völkermord ist – und was nicht. Schlimmer noch: Es findet eine zynische Umdeutung der Geschichte statt.

Von der Strasse in die Parlamente
Beispiel Deutschland. Nach dem 7. Oktober 2023 war zunächst durchaus Empathie mit den Opfern der Hamas-Wahnsinnstat zu spüren. Dann aber begann sich der Judenstaat gegen den Terror zu wehren – und die Stimmung kippte.

Plötzlich standen auf Strassen und Plätzen Menschen, die Israel in Sprechchören «Völkermord» und «Genozid» vorwarfen – und gleichzeitig die Hamas mit Solidaritätsbekundungen bedachten.

Die Rhetorik sickerte auch in die Kunstszene: So sahen sich Prominente wie der Regisseur Fatih Akin, der Komiker Kurt Krömer und die Schauspielerin Natalia Wörner bemüssigt, in einem gemeinsamen Brief vor einem drohenden «Völkermord» zu warnen.

Getragen von den Parolen auf der Straße und befeuert durch die Anklage aus der Kultur, erreichte der Begriff auch die Politik. Allen voran: das linke politische Spektrum. Eine Rede von Bundeskanzler Friedrich Merz, in der er über Gaza sprach, wurde vom Zwischenruf eines Abgeordneten der Linkspartei unterbrochen: «Das ist kein Krieg, das ist Genozid!» Quelle: "NZZ"

Ob du willst oder nicht: Als Jude oder Jüdin wird dir eine Identität aufgezwungen. Die ist für viele ein Ärgernis, dass sie am liebsten aus der Welt schaffen würden, from the River bis zur See. Eine jüdische Identität, die wiederum mit der Existenz Israels verknüpft wird, egal, wie du selbst dazu stehst. Das spielt keine Rolle sobald dich als Jude zu erkennen gibst. Dann bist du nur noch Projektionsfläche, wie einst die Bullen für die RAF.

In der Sprache der RAF und ihres Umfelds waren „die Bullen“ (Polizisten) eine symbolische Feindfigur. Sie standen nicht nur für Polizei, sondern für: den „Repressionsapparat“ des Staates, den „Klassenfeind“, die Projektionsfläche für alles, was die RAF am „System“ hasste, ein abstraktes Feindbild, das nicht mehr als Individuum wahrgenommen wurde. Du musst Bullen nur durch Israel ersetzen. Repräsentant des Spätkolonialismus.

Teile der globalen Linken interpretieren Israel als koloniales Produkt, weil sie die zionistische Bewegung und die jüdische Einwanderung (Aliyah) nach Palästina primär als eine europäische Siedlerbewegung deuten. Diese Sichtweise stützt sich auf die Siedlerkolonialismus-Theorie, die argumentiert, dass die Siedler darauf abzielen, das Land der einheimischen Bevölkerung (Palästinenser) zu enteignen und zu ersetzen, anstatt sie auszubeuten. Israel wird in diesem Narrativ zum Symbol eines Spätkolonialismus und eines Außenpostens des Westens im Nahen Osten, insbesondere da die Staatsgründung 1948 (Nakba) und die nach 1967 fortgesetzte Besatzungs- und Siedlungspolitik als inhärente Fortsetzung dieser kolonialen Logik interpretiert werden.

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Die Existenz Israels ist auch keine Selbstverständlichkeit. Eigenartigerweise. Die Legitimität Israels war von Anfang an umstritten, weil die ja auf Landraub fußt. Wird behauptet. Dass Israel Stunden nach seiner Ausrufung 1948 von seinen arabischen Nachbarn angegriffen wurde, spielt in der Wahrnehmung von Judenhasser:innen keine Rolle.

Die USA (1776), Kanada (1867), Australien (1901) und Neuseeland (1907) entstanden durch europäische Siedlung und die Verdrängung indigener Bevölkerung; Pakistan (1947) entstand durch die Teilung Britisch‑Indiens; Israel (1948) wurde unmittelbar nach seiner Gründung angegriffen; Osttimor (2002), Montenegro (2006) und Kosovo (2008) gingen aus Kriegen, Zerfallsprozessen oder internationalen Mandaten hervor. All diese Staatsgründungen gelten als historische Normalität. Nur die Existenz Israels wird bis heute grundsätzlich infrage gestellt. Selbst die Südtirolfrage scheint fürs erste geklärt zu sein.

Alle haben Land geraubt. Und dafür macht man Israel verantwortlich. Nicht Israel. Die Juden genau. Und warum sind Migranten so verhasst. Na weil die Juden einst erfolgreich aus Ägypten flohen. Das ist kein Schmäh, obschon es einer ist.

Nur Israel ist ein Landräuber. Aserbaidschan hat im letzten Krieg um Berg-Karabach (2023) alle Armenier:innen aus der Enklave vertrieben. Unterstützt durch israelische Drohnentechnologie. Das auch noch. Aber waren nicht türkische Bayraktar‑Drohnen 2020 kriegsentscheidend? Die Bayraktar TB2 half Aserbaidschan, die armenischen Verteidigungsanlagen zu zerschlagen, was zuvor als unmöglich galt. Sie ermöglichten präzise Angriffe auf militärische Infrastruktur und Truppenbewegungen, was die armenische Armee demoralisierte. Der Einsatz dieser und anderer Drohnen (wie israelischer Harop-Drohnen) schuf eine technologische Lücke, die Armenien nicht schließen konnte.

Trotzdem haben die Juden den Scherben auf. Da muss man sich keine intellektueller Ausdrucksweise aneignen.
Paragraph 1.: Die Juden sind an allem schuld.
Paragraph 2.: Sind die Juden mal nicht an allem schuld, tritt umgehend Paragraph 1. in Kraft.

Mit einer sichtbar jüdischen Existenz kannst du dich nicht frei in der Welt bewegen. Die wird sich irgendwann gegen dich richten. Eben weil andere über dich richten. Von denen man weiß dass sie keinen Richter brauchen würden, wenn man sie mal machen lassen würde wie sie wollten. Es gibt tatsächlich Menschen die verbringen ihre ganze Lebenszeit damit Juden zu hassen. Das ist völlig bekloppt, dachte ich mir heute beim Aufhängen der Wäsche. Ich bin auch Hausmann. Eine jüdische Identität wird immer zum Bumerang. Egal wie du dazu stehst. Die kommt immer wieder zu dir zurück. Segen & Fluch. Weil wir ja alle Identitätsjäger:innen sind. Irgendwann fällst du immer auf deine jüdische Identität zurück. So wirkungsmächtig ist die. Das ist keine Identität mit der du ein Leben lang Schmäh führen kannst wie mit einer Österreichischen.

„Where you come from?“ – „Austria.“ „Ah, Australia, Kangaroo-City!“ Das war früher ein internationaler Running Gag, als ich noch in der Welt unterwegs war. Wir haben die Juden gekillt und nicht die Aborigines. „Who cares.“

„Where you come from?“ „Israel.“ Und schon ist Schluss mit lustigen Missverständnissen.

Lustige Missverständnisse lassen deine jüdische Identität nicht zu. Sie halten mich für keine glaubwürdige Quelle: Spurensuche in Leipzig
Der Fall Ofarim und seine Folgen
Wurde Gil Ofarim in einem Leipziger Hotel antisemitisch beleidigt? Vielleicht ist das nicht die entscheidende Frage in einem Skandal, der viel über jüdische Normalität in Deutschland und die neue Empörungskultur erzählt.

Der deutsche Musiker und Schauspieler Gil Ofarim hatte in einem Video berichtet, am 4. Oktober im Hotel The Westin Leipzig beim Einchecken seiner jüdischen Identität wegen beleidigt worden zu sein. »Packen Sie Ihren Stern ein«, habe es geheißen. Gemeint sei seine Halskette mit dem Davidstern gewesen. Eine von der Hotelleitung beauftragte Anwaltskanzlei befragte Zeugen, die der Darstellung Ofarims widersprachen. Er habe aus einem harmlosen Konflikt eine antisemitische Provokation gemacht. Ofarim bleibt bei seiner Darstellung. Aussage steht gegen Aussage. Quelle: DER SPIEGEL 47/2021

Prozess gegen Sänger
So kam es zu Ofarims Geständnis
Gil Ofarim hielt an seiner ungeheuerlichen Lüge fest, lange und scheinbar unerschütterlich. Warum erzählte er endlich doch die Wahrheit?

»Mit einer Lüge zu leben, das erdrückt dich irgendwann, du kriegst Bauchweh oder Migräne. Das gilt alles auch, wenn du dich ›nur‹ selbst belügst. Keiner von uns belügt sich absichtlich selbst, aber jeder kennt das. Je größer der Stress wird, der Druck, je mehr du dich in die Ecke gedrängt fühlst, umso tiefer verfängst du dich und findest keinen Ausweg mehr.«

Als Gil Ofarim diese Sätze veröffentlicht, ist seine Lüge noch vier Monate entfernt. Im Juni 2021 bringt er seine Biografie heraus, verfasst gemeinsam mit einer Co-Autorin. Das Werk trägt den schönen Titel »Freiheit in mir« und umfasst mehr als 200 Seiten. »In seinem Buch dürfen wir den Musiker auf einer Reise durch die Extreme eines Lebens begleiten«, so wirbt der Verlag dafür, bis heute.

Dabei ist alles, was im Leben des Gil Ofarim bis zu diesem Zeitpunkt geschehen war, nichts gegen das, was ab Oktober 2021 folgt. Da veröffentlicht Ofarim jenes Video, das ihn zuerst in die Schlagzeilen und dann vor Gericht bringt. Das Video mit der Lüge, an der er gut zwei Jahre lang festhalten wird: dass er, ein Jude, in einem Leipziger Hotel antisemitisch beleidigt worden sei.

Am Dienstag hat Ofarim nun der Lüge ein Ende gesetzt und vor Gericht eingeräumt, dass er den Vorfall nur erfunden hat: »Die Vorwürfe treffen zu.« Wie aber kam es, nach zwei Jahren, zu diesem Geständnis? Drückte ihn die Lüge zu sehr, hatte Ofarim Bauchweh oder Migräne bekommen? Oder war es vielmehr der Prozessverlauf, der ihm kaum einen anderen vernünftigen Ausweg mehr ließ? Quelle: DER SPIEGEL 49/2023

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Das ist völlig bekloppt.

Es gibt keine unbeschwerte jüdische Identität. Sie trägt immer die leidvolle Geschichte des Judentums auf den Schultern. Und dann entscheiden andere, ob du bei einem internationalen Musikwettbewerb überhaupt mitmachen darfst, oder eben nicht. „Falls du auf Spanisch singst, sind wieder mal die Juden schuld, dass aus deiner internationalen Karriere nichts wird“, höhnte ich auf dem Weg zum Einkaufen. Das ist völlig bekloppt.
Neben Spanien verweigern auch Irland, die Niederlande und Slowenien die Teilnahme am nächsten Eurovision Song Contest, weil Israel auftreten darf. In Wien - Vienna - Mutterland der "Wiener Reibpartien".

Wegen Israels Vorgehen im Gazakrieg hatten einige Sender den Ausschluss des Landes von dem Wettbewerb gefordert, darunter auch RÚV. Der Sender teilte nun mit, es sei angesichts der öffentlichen Debatte auf Island sowie der Reaktionen auf die Entscheidung der EBU klar, dass im Falle einer isländischen Teilnahme am ESC weder Freude noch Frieden herrschen würden. Deshalb werde der Sender die EBU davon in Kenntnis setzen, dass man am nächsten ESC nicht teilnehmen werde.

Island nimmt wegen Israel nicht am Wiener Song Contest teil

Der Eurovision Song Contest genießt in Island eigentlich hohen Stellenwert. Im Ort Húsavík gibt es ein eigenes Eurovision-Museum, und auch die Filmkomödie »Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga« mit Hollywoodstars wie Will Ferrell spielt in der kleinen Gemeinde im abgeschiedenen Norden der Nordatlantikinsel.

Also mir kommt das alles nur noch Spanisch vor.

Und der/die/das israelische Teilnehmer/im am ESC wird in Wien dann von einer ganzen Polizeispezialeinheit abgeschirmt werden. Vor der antisemitischen Außenwelt. Sämtliche verfügbaren Spezialkräfte der hiesigen Polizei werden wegen einer einzigen Stimme im Einsatz sein. Das ist völlig bekloppt. Da muss ein Lied von einer Heerschar von Bodyguards geschützt werden. Vor der antisemitischen Außenwelt. Selbst Israel wird zig Mossad-Agent:innen nach Wien verschieben. Wegen einem Lied, das drei Minuten dauert. Das kann man sich nicht ausdenken. Auf so etwas muss man erst einmal kommen. Das können nur wir Menschen. Unglaublich, wie bekloppt wir sind, dachte ich mir beim Wäsche aufhängen. Jetzt ist schon die Tonleiter politisch oder eine Schlagzeug. Selbst der Rhythmus eine Songs ist politisch. Und im Refrain des israelischen Beitrag darf der Oktober nicht vorkommen. Zu politisch. Ist es das? Ja.

Der israelische Beitrag zum ESC ist also eine militärische Operation. Für viele ist der Beitrag Israels zum ESC der Staatsfeind Nummer 1.. Ein Auftritt wie ein kriegerischer Kriegsakt. Israel schmort in einem Topf mit Russland, das einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt und gewillt ist, die Ukraine als Nation und als eigenständigen Staat auszulöschen. Irgendwann wird Russland wieder zur Staatenfamilie gehören, während Israel weiterhin als Paria gelten wird.

So wird das sein mit deiner jüdischen Identität. Dachte ich mir auf dem Weg zum Einkaufen. Zuvor hatte ich in der "Presse"/Spektrum einen Essay von Vladimir Vertlib gelesen, mit dem Titel:

Ohne den Staat Israel wäre für Juden alles schlimmer dran. Die Teilhabe an dem, was zu mir gehört – die europäische Kultur und Geschichte, Sprache und Mentalität –, können mir weder die Identitären noch die Pro-Palästina-Demonstrierenden, weder Rechte noch Linke, weder zugewanderte Antisemiten noch ignorante Antizionisten wegnehmen.

Naturgemäß dreht sich in diesem Essay alles um seine jüdische Identität.

"Auffallend ist, dass für manche Menschen das Kriegsende viel zu rasch gekommen ist. Einige Tage nach dem 10. Oktober fanden in Spanien noch mehrere „Pro-Palästina“-Demos statt, die von Ausschreitungen begleitet wurden. Auf diesen Kundgebungen wurden ein „Ende des Genozids“ in Gaza, das Ende der Kampfhandlungen (sic!) und ein Palästinenserstaat „From the river to the sea“, also die Zerstörung Israels, gefordert. Manchen Aktivistinnen und Aktivisten passt die Realität nun einmal nicht ins Konzept, am wenigsten dann, wenn ein Teil ihrer Forderungen plötzlich tatsächlich erfüllt wird. Was bleibt dann noch von der eigenen Wichtigkeit? Wie soll man da den „bösen jüdischen Kolonialstaat“ bekämpfen? Wäre es zudem nicht schade gewesen, die eben erst so schön gefertigten Plakate in den Müll zu werfen?

Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr gelange ich zur Überzeugung, dass die Terrorgruppe Hamas diesen Krieg gewonnen hat. Militärisch wurde sie zwar besiegt, doch ihr Ziel, Israel zu destabilisieren, zu traumatisieren, zu radikalisieren, international zu desavouieren und zu isolieren, hat sie erreicht. Wurde die Hamas zudem vor dem 7. Oktober 2023 gemeinhin als brutale Terrorgruppe wahrgenommen, so wird sie heute nicht nur in arabischen Ländern, sondern auch von vielen „engagierten“ Menschen im Westen als Widerstandsgruppe angesehen, deren Methoden zwar fragwürdig, deren Ziele aber legitim seien. So hat ein brutales Massaker an Frauen und Kindern samt Folter, Vergewaltigung und der Entführung Hunderter von Menschen letztlich das Ansehen der Täter verbessert. Die Hamas hat dem Antisemitismus weltweit einen neuen Schwung verliehen und ein modisches Kleid verpasst. Heute ist es in vielen Kreisen nicht nur cool, „Zionisten“ zu hassen, weil sie ja „kleine Kinder im Gazastreifen ermordet haben“, sondern eine Grundvoraussetzung dafür, um akzeptiert zu werden und dazuzugehören.

Auf einer Tagung zum Thema „Antisemitismus nach dem 7. Oktober 2023“ in Stuttgart, an der ich im November dieses Jahres teilgenommen habe, hat die linke, feministische deutsche Journalistin Veronika Kracher erzählt, wie Menschen, die sich – wie sie selbst – gegen Antisemitismus stellen, schnell ins Fadenkreuz antiisraelischer Aktivistinnen und Aktivisten geraten. In einem Artikel für das deutsche Nachrichtenportal Belltower.News beschreibt sie, wie sich die oftmals aus der linken politischen Ecke kommende Wut gegen Netanjahu und seine Regierung, gegen Israel und den Zionismus auch gegen antisemitismuskritische Linke richtet. „Oft bleibt es auch nicht bei empörten Kommentaren […]“, schreibt sie, „sondern mündet in konkreten Gewaltaufrufen oder tätlichen Handlungen.“ Antisemitismuskritische Linke verlieren dabei in vielen Fällen ihre politische Heimat, ihr berufliches Umfeld und ihren Freundeskreis.

Bei der oben erwähnten Stuttgarter Tagung wurde eine jüdische Interviewpartnerin aus Deutschland, Anfang dreißig, zitiert, die über den Antisemitismus nach dem 7. Oktober 2023 gesagt hatte: „Das ist nicht normal (…), das ist aber so, und das weiß jeder. (…) Das kennen wir, aber ich habe es noch nie so krass mit jeder Faser meines Körpers gespürt, dass ich nicht sicher bin (…) Als Jude ist man nirgends sicher, das habe ich jetzt verstanden.“

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Siehste, dachte ich mir. Als Jude wirst du zu Tagungen eingeladen, mit dem Thema, was es bedeuten eine jüdische Identität zu haben, nach dem 7.10.2023. Das ist völlig bekloppt. Es gibt keine Tagungen zur Frage, was es bedeutet, eine armenische Identität zu haben, nach der Vertreibung aus Bergkarabach. Nicht einmal mehr die Frage, was es bedeutet, als Südtirolerin oder Südtiroler eine italienische Identität zu haben, wird heute noch diskutiert. Oder eine sudetendeutsche Identität nach der Vertreibung aus dem Sudetenland.

Es gibt keine Tagungen darüber, was es bedeutet, eine jesidische Identität zu haben nach dem Genozid durch den Islamischen Staat.
Es gibt keine Tagungen darüber, was es bedeutet, eine tigrayische Identität zu haben nach den Massakern in Äthiopien.
Es gibt keine Tagungen darüber, was es bedeutet, eine rohigyaische Identität zu haben nach der Vertreibung aus Myanmar.
Es gibt keine Tagungen darüber, was es bedeutet, eine kurdische Identität zu haben nach Jahrzehnten der Unterdrückung in mehreren Staaten. Na,ja.
Es gibt keine Tagungen darüber, was es bedeutet, eine bosniakische Identität zu haben nach Srebrenica. Na, ja.

Aber was es in dieser Sache gibt sind Lustmörder.
Sarajevo Safari:
Reiche Männer die sich eine Sniper-Safari gönnten und in Sarajevo auf Menschen schossen. Kinder galten als die begehrtesten Ziele. Ist kein Fake-News.
Edin Subasic ist ein gefragter Mann. Wie er per E-Mail persönlich mitteilt, arbeitet er seit einigen Tagen mit den Staatsanwaltschaften in Mailand und Sarajevo zusammen. Mit der Presse dürfe er deshalb nicht mehr sprechen – zum Schutz der laufenden Verfahren. Denn der 62-jährige Bosnier hat brisanten Erzählstoff, wie aus früheren Interviews und selbstverfassten Kolumnen hervorgeht. Nun ist er einer der Hauptzeugen in den Ermittlungen der italienischen und bosnischen Staatsanwaltschaften zu den verstörenden Vorwürfen, dass während des Bosnienkrieges Jagdausflüge auf Menschen stattgefunden haben sollen. Die Rede ist von «Sniper-Tourismus». Reiche Europäer sollen hohe Summen gezahlt haben, um während der Belagerung Sarajevos zwischen 1992 und 1996 aus serbischen Stellungen Menschen zu erschießen. Quelle: "NZZ"

Es gibt keine Tagungen darüber, was es bedeutet, eine ruandische Tutsi Identität zu haben nach dem Genozid von 1994.
Es gibt keine Tagungen darüber, was es bedeutet, eine palästinensische Identität zu haben nach Jahrzehnten von Besatzung, Vertreibung und Blockade.
Es gibt keine Tagungen darüber, was es bedeutet, eine tamilische Identität zu haben nach dem Bürgerkrieg in Sri Lanka.

Möglicherweise gibt es die schon. Aber nicht in Deutschland, wo das Schicksal Israels zur Staatsräson gehört. Was allerdings nicht bedeutet, dass Deutschland die rechtsrechtsgedachte israelische Regierung Netanjahus zur Räson gebracht hätte, als die Gaza in Schutt und Asche legten und tausende Kinder töteten, hinter deren kleinen Schatten sich ein Kämpfer der Hamas versteckte. Diese Regierung wird von ultranationalistischen Kräften geprägt, die ein Israel vom Fluss bis zum Meer anstreben. Die eine Annexion des gesamten Westjordanlands befürworten. Die alle Palästinenser am liebsten vertreiben würden.

"Vor Kurzem bezeichnete mich (Vladimir Vertlib) jemand – wieder einmal – als Verbrecher und Völkermordleugner. Der Anlass für diese Beleidigung war mein öffentlich geäußertes Bekenntnis zum Zionismus und zum Existenzrecht Israels als jüdischer Staat. Dass ich mich oftmals als Gegner des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu und seiner rechtsradikalen Regierung deklariert und nicht nur den letzten Gaza-Krieg, sondern auch die vorangegangenen oftmals kritisiert habe, hat dabei keine Rolle gespielt. Wörter wie „Jude“, „Zionismus“ oder „Israel“ genügen schon, um bei vielen Menschen heftige Gefühlsregungen auszulösen. Das Interesse am Gazastreifen mag geringer geworden sein, der als Antizionismus getarnte Antisemitismus ist jedoch geblieben, und es spricht nichts dafür, dass er in absehbarer Zeit wieder auf das Vorkriegsniveau sinken würde."

Vladimir Vertlib arbeitet seit Ende der 1990er Jahre regelmäßig mit Schulen zusammen: Er ist Gast in Haupt- und Berufsschulen, Gymnasien, BHS und deutschen Realschulen, hält Lesungen und leitet Schreibwerkstätten für Jugendliche ab 13 Jahren. Als langjähriger Integrationsbotschafter des Projekts XChange und ehemaliger Übungsleiter am Institut für Sprachkunst der Universität für angewandte Kunst Wien bringt er seine Erfahrung auch in die Zeitschrift Zwischenwelt ein, wo er Texte junger Autorinnen und Autoren betreut. 2015/16 engagierte er sich als freiwilliger Flüchtlingshelfer in Salzburg. Seit 2022 leitet er gemeinsam mit Alma Mannsberger und Babiker Ahmad das OeAD‑Projekt „Über den fremden Schatten springen. Feindbilder überwinden“ und ist zudem Obmann des gleichnamigen Vereins.

Das Projekt behandelt Themen wie Vorurteile, Klischees, Rassismus, Ausgrenzung, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Nahostkonflikt und Krieg ... Ziel ist es, eine realistische und differenzierte Sicht des Gegenübers zu gewinnen, einander näherzukommen und Feindbilder zu überwinden. Am Beginn stehen kurze Lesungen, Überlegungen zum Thema, biographische Hinweise, persönliche Geschichten und Erfahrungen. Danach setzen sich die Schüler*innen mit den jeweiligen Themen in kreativen Arbeitsaufträgen und Gruppenarbeiten auseinander. Unter anderem würden sie dabei über eigene Vorurteile und vorgefasste Meinungen sprechen sowie über deren Überwindung durch Kontakt, Begegnung und Übertragung. Nach längeren Projekten in Schulen könnte eine gemeinsame künstlerische Arbeit entstehen, die das Projekt symbolisch abrundet. Quelle: https://extremismuspraevention.oead.at/ep/angebote?angebot=FftxAiti2qeVqC8fGUvE

Scheiße, dachte ich mir. Die jüdische Identität ist so unglaublich mit Sinn und historischer Last überfrachtet. Das ist ja völlig bekloppt. Für den Mann ist seine eigenen jüdischen Identität, eine Lebensaufgabe. Alles dreht sich darum. Der Mann hat keine Prostata. Der hat eine jüdische Prostata. Das ist kein Witz. Antisemiten würden von einem Geschäftsmodell sprechen. Vom Geschäftsmodell meiner jüdische Identität. Die viel mehr zu dir gehört als der Bauch zu einer Frau. Und das will was heißen. Was der Wortmacher auch getan hat. Der sprach von einem Geschäftsmodell. Weshalb ich vor dem Pfandautomaten kurz auflachen musste. In jeden steckt ein Antisemit. Woraufhin mich eine junge Frau streng ansah. Die dachte wohl ich lache übe sie, weil sie zwei großen Müllsack mit Pfandfalschen vor sich am Boden stehen hatte. Die hatte dafür einen halben Samstag-Nachmittag eingeplant. Die Frau hat wenigstens ein schönes Hobby spottet der Wortmacher über mich.

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Das ist doch alles völlig bekloppt. Als Nicht-Jude kannst du mit Juden nicht mal frei von der Leben weg dummes Zeug reden, total belangloses. Nicht einmal Fußball geht. Unter der Woche spielte der VfB Stuttgart gegen Maccabi Tel Aviv. Endstand: 4:1.

Hunderte Einsatzkräfte aus ganz Baden-Württemberg
Hochrisikospiel VfB - Maccabi Tel Aviv: Große Ausschreitungen bleiben aus.

Der Einsatz rund um die als Hochrisikospiel eingestufte Europa-League-Begegnung VfB Stuttgart gegen Maccabi Tel Aviv (Endstand 4:1) ist laut Einsatzkräften "geordnet und reibungslos" verlaufen. Dies teilten Polizei, Bundespolizei, Feuerwehr und die Einsatzleitung für Rettungsdienste und Bevölkerungsschutz übereinstimmend am Freitagmorgen mit. Seit Mittwoch waren vor allem in der Stuttgarter Innenstadt und in Bad Cannstatt Hunderte Personen im Einsatz. Die Polizei war teilweise auch mit Maschinenpistolen bewaffnet.

Mit Maschinenpistolen. Das ist ja völlig bekloppt. Einen Fußball mit Maschinenpistolen bewachen. Dachte ich mir. Bis ich heute morgen folgendes las:

Schüsse am Bondi Beach in Sydney – Berichte über Angriff auf jüdische Chanukka-Veranstaltung
In der australischen Millionenmetropole Sydney läuft ein Polizeieinsatz am beliebten Strand Bondi Beach. Örtliche Medien berichten von Toten. Israels Staatspräsident Isaac Herzog spricht von einem »grausamen Angriff auf Juden«.

Bei einem Anschlag auf eine jüdische Feier am Bondi Beach in Sydney am Sonntag wurden mindestens elf Menschen getötet. Die Behörden sprachen von einem Terroranschlag. Einer der Angreifer kam dabei ums Leben, wie die Polizei mitteilte.

Australische Juden hatten sich am Sonntag am Bondi Beach in Sydney zu einer Veranstaltung zum Auftakt von Chanukka versammelt, als Bewaffnete das Feuer direkt in die Menge eröffneten.

Ein Zeuge, ein Jugendlicher, der aus Sicherheitsgründen anonym bleiben wollte, gab an, gesehen zu haben, wie die Bewaffneten gezielt auf jüdische Menschen schossen, die sich zum Feiern des Feiertags versammelt hatten. Er sei nur wenige Meter entfernt gewesen, als er sah, wie Bewaffnete aus einem kleinen silbernen Schrägheckwagen stiegen, der an einer Brücke in Strandnähe geparkt war, und das Feuer eröffneten.

Die antisemitischen sind mal wieder ganz in ihrem Element. Das ist nicht zu glauben. Jüdisch sein ist eine scheiß Challenge. Ein verfluchter Höllenritt. Ob du willst oder nicht.

Und kein Ende in Sicht, nirgends.

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