Donnerstag, 8. Mai 2025
Ein Kniff wie man das Grauen der Anderen leichter aushält.
Das eigene Bewusstsein austricksen muss gelernt sein. Ich habe gelernt. Das ganz große Grauen der Anderen lasse ich mir vorderhorstig über die Insel radelnd vorlesen.

Ein Beispiel.
Titel: Amerikaner Robert Prevost ist neuer Papst Leo XIV.

Das war jetzt nur a Schmäh. Also die Medien hatten den Mann nicht für ganz vorne gereiht. Fürs Leo.

Ich sehe schon wie der Trump tobt. Da kommt so ein dahergelaufener Pfaffe, der sich in seinem Leben noch keine einzige riesen Sauerei gegönnt hat, und stiehlt ihm jetzt die ganz große Show. Das wird der nicht auf sich sitzen lassen.

Aus dem SPIEGEL Nr.19/2025.

Zehn Helfer über israelische Gaza-Blockade
»Wir können helfen, wenn man uns lässt. Aber Israel lässt uns nicht«

Zehn Menschen im Einsatz in Gaza. Sie berichten von Hunger, Wassermangel und sterbenden Kindern. Und fürchten, dass sie in wenigen Wochen ihre Arbeit einstellen müssen, wenn Israel die Blockade fortsetzt.

Sonam Dreyer Cornut, 36, ist Intensivkrankenschwester und medizinische Teamleiterin von Ärzte ohne Grenzen (MSF) in Gaza. Die medizinische Nothilfeorganisation unterstützt dort zwei Krankenhäuser, ein provisorisches Krankenhaus und acht Gesundheitszentren. Die Schweizerin ist seit Anfang März für zwei Monate im Einsatz, überwiegend im Einsatz, überwiegend im Nasser-Krankenhaus in Chan Junis.

Seit dem Ende der Waffenruhe behandeln wir überwiegend Opfer von israelischen Angriffen. Manchmal sind in der Notaufnahme mehr als 80 Prozent der Patienten Kinder. Das ist schwer zu ertragen. Viele von ihnen haben Verbrennungen. Sie leben in Zelten, unter einfachen Plastikplanen.

Die Kinder kommen mit sehr schweren Verletzungen und großflächigen Verbrennungen, die sie ihr Leben lang beeinträchtigen werden – wenn sie überhaupt überleben. Zu uns kommen oft Kinder, die ihre ganze Familie verloren haben. Sie verstehen gar nicht, was geschehen ist. Diese Woche habe ich ein kleines Mädchen behandelt, fünf Jahre alt, dessen gesamte Familie bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen ist. Ihre zwei älteren Brüder und die Eltern waren sofort tot, das Mädchen und seine ältere Schwester wurden zu uns ins Nasser-Krankenhaus in Chan Junis gebracht. Sie hatten beide schwere Brandwunden. Die Jüngere überlebte, aber die Ältere starb nach sechs Tagen. Wir konnten sie einfach nicht retten. Das war furchtbar.

Amjad Shawa, 54, ist Direktor des Palestinian NGO Network (PNGO Net), einem Verbund von 140 palästinensischen Nichtregierungsorganisationen. Israel wirft PNGO Net vor, sich nicht ausreichend von der Hamas und anderen radikalen Organisationen zu distanzieren. Shawas Haus wurde zu Beginn des Krieges zerstört, zusammen mit seiner Frau und seinen vier Kindern floh er in die südliche Hälfte des Gazastreifens. Nach Beginn der Waffenruhe kehrte er nach Gaza-Stadt zurück.

....Frischwasser muss über Tanklaster herangekarrt werden. Abwasser kann nicht ordentlich entsorgt werden. Teilweise steht es direkt zwischen den Zelten. Der Gestank ist extrem. Die Israelis haben vor einigen Tagen 36 Bulldozer zerstört. Ohne diese Maschinen können wir das Abwasser nicht mal mehr abfließen lassen. Vertriebenenlager könnten damit geflutet werden.

Ein riesiges Problem ist auch der Müll: 550.000 Tonnen türmen sich bereits in unmittelbarer Nähe der Lager. Das führt zur massenhaften Vermehrung von Ungeziefer und Nagetieren. Mäuse und Ratten dringen in die Zelte ein, fressen die wenigen Lebensmittel der Familien. Die mangelnde Hygiene und die Unterernährung machen besonders die Kinder anfällig für Krankheiten. Aus kleinen, nicht versorgten Wunden werden schnell gefährlicheInfektionen. All diese Faktoren könnten bald zum Ausbruch von Epidemien führen.

Der Müll genau dachte ich mir. Der ganze Müll liegt in Gaza ja nur so herum. Und der Wortmacher fügte noch an. Die Menschen in Gaza werden wie menschliche Abfall behandelt. Woraufhin ich mir dachte. Bei uns behandelt man Abfall besser. Den bringst du zurück und bekommst dafür 25 Cent pro Flasche. Seit es das Flaschenpfand gibt sehe ich auch wieder viel mehr Menschen im Müll wühlen.

Ein UNRWA-Mitarbeiter, der aus Angst vor Vergeltung anonym bleiben möchte, auch seine Position kann nicht genannt werden.

Für alle Menschen hier gilt: Wir können jederzeit, an jedem Ort getötet werden. Zwischen den Trümmern der Gebäude verwesen Leichen, die nicht geborgen werden können. Das einzige Leben auf den Straßen sind Beerdigungen. Die Toten werden in Gärten, auf Schulhöfen oder einfach am Wegesrand beerdigt, denn die meisten Friedhöfe sind überfüllt, zerstört oder liegen in No-go-Zonen.

Wenn ich über die Insel radle habe ich immer das Gefühl dass ich vor diesem Grauen davon fahre irgendwie. Ich bin ja in Bewegung. Und gucke muss ich auch wo ich gerade entlangfahre und ob mir jemand entgegenkommt. Also ist mir man auch nie ganz so konzentriert oder fokussiert, als wenn man sich so einen Artikel in der Wohnung durchliest oder vorlesen lässt. Das erledigt man entweder im Sitzen oder im Stehen. Und dann fühlt es sich ganz anders an, als draußen, in einer Simulation von Natur. Ich habe auch bemerkt. Damn fühlt man sich diesem Grauen ausgesetzt. Und dann weiß man nicht so genau wie man darauf reagieren soll. Teewasser aufsetzen? Die Blumen gießen falls Blumen vorhanden? Die Post holen oder sich durch Werbematerial blätter? Einen Leserbrief an den lieben Herrgott schreiben. Oder mit dem nächsten Zug ins KZ-Mauthausen fahren und dort zu einem Besucher der Gedenkstätte sagen: "Die Situation ist heute eine andere ". Es bleibt schwierig.

Einfach weiter radeln und sich denken. Es wird wie einst im Irak sein. Da haben verwilderte Hunde Leichen ausgegraben und gefressen.

Olga Cherevko, 47, Sprecherin des Büros der Uno-Nothilfekoordination (OCHA) in Gaza. Die US-Amerikanerin arbeitete bereits zwischen 2014 und 2017 im Küstengebiet und ist seit Januar 2024 wieder vor Ort.

...Es ist schrecklich, mitanzusehen, wie die Menschen hier leiden. Etwa als jetzt Tausende aus Rafah fliehen mussten und dabei angeblich noch beschossen wurden. Wir haben unzählige Leichen geborgen, viele davon waren von Hunden angefressen.

Siehste dachte ich mir. Geschichte wiederholt sich. Aber nicht heute dachte ich mir. Heute vergesse ich nicht schon wieder Äpfel zu kaufen.

Ende

... comment