Mittwoch, 11. September 2024
Die Geherin.


Viel sieht man nicht. Aber auf dem Foto links am Wegesrand. Ich wollt ihr nicht zu nahe kommen und sie ohne ihren Sanktus abfotografieren wie ein unberührte Landschaft oder ein Tier im Zoo.

Ich wollte nur festhalten dass es sie gibt. Das es sie tatsächlich gibt. Die Geherin. Seit 20 Jahren geht sie über die Donauinsel. Vielleicht noch länger. Aber seit 20 Jahren sehe ich sie gehen. Fast bei jedem Wetter geht sie und geht und geht. Nicht nur ein paar Meter oder gar 10 000 Schritte, aus therapeutischen Gründen, weil man kein Vertrauen mehr hat in die Ewigkeit, und deswegen alles auf eine Karte setzen muss. In diesem einem Leben. Viel zu oft genommen - und viel zu selten in einem großen Fest gegeben.

Geht sie weiter und weiter und weiter. Immer sehr für sich. Die Welt um sie herum scheint ihr nicht so wichtig zu sein. Ich denke nicht das sie regelmäßig Instagram macht oder sonst was mit den Sozialen Medien und sich dort ausstellt. Ganz ohne Schmäh geht's nicht. Und letztens sah ich sie ausnahmsweise mal auf einer Bank sitzen und ein Buch lesen. Da war ich auf einmal ganz neidisch auf alle richtigen Schrifststeller:innen mit richtigen Buchklappentext in der Auslage (des Lebens).

Die Geherin. Ob ihr beim Gehen das Leben entgeht? Ich denke nicht dass sich die Geherin andauernd solche kleinstbürgerliche Fragen stellt. Oder doch? Fragt sie sich auch ob ihr Leben ein sinnvolles und geglücktes Leben ist laut kleinstbürgerlicher Matrix. Hat sie die richtige(n) Pille(n) geschluckt. Anders ist das Leben ja nicht auszuhalten. Endlich kann ich mal in aller Ruhe sagen. Ich weiß es nicht. Und ich muss es auch nicht wissen. Das was ich sehe lang mir völlig. Das scheint überhaupt mein Mantra zu sein. Ich sehe in den Menschen nicht mehr als sie zu zeigen bereit sind.

Die Geherin. Die geht bei fast jeden Wetter, Sauwetter. Die ist nicht so eine Mimose wie ich. Die jammert nicht.
Sie ist seit vielen Jahren einer meiner wenigen Fixpunkte in der Gegenwelt. Grandios wie sie die Außengrenzen des Alleinigen abgeht. Und das in einer Seelenruhe, die ich jetzt in sie hineininterpretiere. So sind wir Menschen. Nicht vertrauenswürdig. Na, na, na. Sehe ich sie gehen geht mir jedesmal das Herz auf. Dann passt das schon so wie es ist. Dann ist nicht mehr alles so fremd. Dann bin ich mir nicht mehr so fremd.

Ende

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Sehr schöne Beobachtung. (Da ich inzwischen selbst auch so eine Art Geherin bin, freue ich mich besonders darüber.)

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Seit mir vor rund 20 Jahren ein Psychiater riet: „Gehen Sie spazieren, mindestens drei mal die Woche, mindestens 30 Minuten; es gibt keine Depressiven Langstreckenläufer!“ gehe ich meist 5 mal die Woche, meist 1-1/2 Stunden. Recht hat er (und Diabetes, Blutdruck, Übergewicht hab ich natürlich auch nicht). Und um als Rentner nicht zu versumpfen habe ich einen strukturierten Alltag und gehe also meist zur gleichen Zeit und treffe immer wieder die selben, natürlich, die Hundehalter ohnehin, aber auch immer wieder, gerade gestern, den Ü80 jährigen der immer Barfuß in Sandalen läuft. Über den freue ich mich besonders.

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Das tut gut
Eine richtige Andacht haben Sie da verfasst. Sehr schöner Text. Auch ein schönes Foto. Man entspannt und entschleunigt schon beim Lesen. Danke.

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Oha. So viel sichtbare Freundlichkeit.
In einem Aufwasch. Ich bin das nicht gewohnt. Vielen Dank. Das ist schon sehr. Nur ich bin das nicht gewöhnt, schrecklich gewöhnlich, und verwöhnt. Na, na, na.

Wir sind und ja nicht völlig fremd. Deswegen bekommen sie folgenden Gedanken den ich hatte auch nicht in den falschen Hals wie man einst sagte.

Nicht dass der Eindruck entsteht. Dem kann man es aber auch nicht recht machen. So ist das nicht.

Aber so sind Herrschaftliche nun mal dachte ich mir. Die paar hellen Momente an dir kassieren sie ein, aber auf der Scheiße lassen sie dich dann in in der Regel sitzen;-)

Und dann lache ich in der Regel ein sehr schiefes Lachen. Aber so ist das halt im Leben. Im Leben teilen sich nur die Zellen. Oder gemeinsam eine Zelle.

Natürlich habe ich ein Beispiel für diese Scheiße. Na nicht der wortgemachte Mist. Für den können sie nix. Na ja.😂

Mich würde interessieren ob es da kulturübergreifende bzw. kulturverbindende Ähnlichkeiten gibt beim Wort und Bildgemachten. Sagen wir zwischen kapitalistischen /sozialistischen Systemen und Naturvölker. Umweltbedingte Faktoren und so. Egal.

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Bei den dunklen und traurigen Geschichten ist man oft rat- und hilflos. Ich zumindest. Was könnte ich schon tun?

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Mir geht es da ähnlich wie Ihnen, c.fabry. Außerdem mag ich nicht mit einem ungeschickten Satz in eine vielleicht schon vorhandene Kerbe hineinschlagen und die Dinge noch schlimmer machen. (Ich bin zumindest froh, dass Sie noch da sind, Herr Schizophrenist, und dass Sie weiterhin schreiben, auch wenn ich nicht immer etwas zu Ihren Texten sagen kann. Manche überwältigen mich einfach, da halte ich dann lieber den Mund.)

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Top Wetter. 😢

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War aber auch viel zu trocken die letzten 5 Wochen.

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War aber auch viel zu trocken die letzten 5 Wochen. Hab gesehen, bei Ihnen hats auch einen Baum erwischt. Dachte bei dem vor der Baustelle - welch ein Zufall..wo doch da in 1-2 Jahren die Bim abbiegen soll...

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Ich war erst jetzt draußen. Da schaut's aus. Das ist nicht meine Welt. Die gehört ganz Herrschaftlichen. Nicht mal Radl fahren geht. Und schreiben auch nicht.

Und das alles wegen der 7% Regel.

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