Dienstag, 23. November 2021
"Ghosttown im 4ten Lockdown". Oder eine Pandemie ist keine Privatsache.
Ort wo sehr viel Ghost war und Down, endlos Down, der Milleniumstower in der Bronx. Als ich den von der Donauinsel kommend betrat, ist wie Hintereingang, wo ich inzwischen auch gegen mein Verschwinden als Schreibender angehe, so wie ich schreibend gegen meine analoge Auslöschung anschreibe, was sich dann gegenseitig irgendwie aufhebt, nur nicht für später, stand vor dem Eingangsbereich eine lange Menschenschlage. Auffallend lang war diese Schlange sogar. Oder auch nur ungewohnt lang. Der Milleniumstower in der Bronx ist an sich kein Ort wo es "Must-Haves" gibt für es sich sich auszahlt sich endlos anzustellen. In dieser Schlange standen ausnahmslos "Ungeimpfte". Ich fragte extra nach. Allerdings mit ein wenig Abstand. So eine lange Menschenschlage Ungeimpfter sind wie Nitroglycerin. Die atmen dich noch weiter ins Aus. Diese Schlang zog sich dann durch den ganzen Tower bis zur Impfstelle. Als Billa+ vor einigen Wochen eine Corona-Impfstelle eröffnete Ende September wollte sich unter der Woche kaum jemand impfen lassen. Zeitweise war die unter der Woche sogar geschlossen. Erst seit die Daumenschraube angezogen und ein "endlos Lockdown für Ungeimpfte" + "einer Impfpflicht ab Februar" angekündigt wurde, naturgemäß von der Regierung, geht es mit der hiesigen Erstimpfquote sichtbar voran. Allerdings in der Menschenschlage vor dem Millenniums-Tower nur schleppend. "Impfen im Supermarkt" ist nicht das Austria Center Vienna. Wohl auch weil man sich ohne Termin impfen lassen kann. Und Lockdown ist halt auch. Also hatten viele wohl nichts Besseres zu tun. Natürlich hätte ich diese Menschenkette auch fotografieren oder mit dem "Smartphone" filmen können. Aber das wäre unredlich. Heute weiß man ja nie. Eventuell laufen irgendwo im "Bekannten Unbekannten" K1-Programme zur Gesichtserkennung wie im Westjordanland und schon hat es sich mit der kleinstbürgerliche Reputation, da man zu jenen gehört die sich nur unter Zwang wohl verhalten im Sinne eines Gemeinwesen. So eine Person stellt man lieber nicht ein oder gewährt lieber keinen Kredit und mit einem Mietvertrag schaut es auch schlecht aus. Im Westjordanland machen israelische Soldaten Fotos von Anwohnern, um diese in eine Gesichtserkennungssoftware einzuspeisen und Verdächtige zu identifizieren. Die dabei eingesetzte App ist unter dem Namen "Blue Wolf" bekannt. Ein ehemaliger israelischer Soldat sagte der "Washington Post", im Jargon der Armee handele sich um das geheime "Facebook der Palästinenser". "Facebook der Ungeimpften". Lieber nicht. Ich bin sowieso eher Kategorie einsamer Wolf der alleinig in die Dunkelheit des Internets hineinheult. Wenngleich ich unlängst ein Foto von vier Bronx-Kochtuchfrauen im Pinguinstyle machen wollte. Natürlich nur von hinten fotografiert. Die hatten den perfekten Pinguinstyle drauf. Weltklasse wie die daher watschelten in ihren dunklen, bestens gefüllten Mänteln, schön mit Kopftuch, für die unlängst der Europarat warb, das "Freiheit und Freude" bedeutet. Besser geht's nicht um diese "Freiheit und Freude" in ein Bild zu setzen. Die Versuchung war groß. Natürlich habe ihr nicht nachgegeben. Trotzdem habe ich in mich hineingeflucht. Einen auf "Mutter Courage" zu machen ist scheiß anstrengend und unbefriedigend. Wirklich "systemrelevant" fühlt sich die Vernunft nicht an. Immer nur die Würde der Anderen. Da kommt man zu gar nichts. Aus Mangel an Alternativen schlachtet man dann nur sich selbst aus. Dabei sind auch andere Menschen seltsam. Egal. Abgesehen von der Ungeimpften-Schlange, die endlos durchs ganze Areal der Millenniums-City zog war der weihnachtlich dekorierte und festlich beleuchtete Millenniums-Tower wie ausgestorben. Eben wegen dem 4ten Lockdown in Österreich, der wiederum direkt mit der Ungeimpften-Schlange korreliert, hatten ja fast alle Geschäfte geschlossen, bis auf die Apotheke, die beiden Drogeriemärkte, die Bäckerei und den Supermarkt. Ich habe ein Foto gemacht aus dem ersten Obergeschoss. Natürlich falsch herum. Dort war so gut wie niemand. Nicht mal im Selbstbedienungsportal der Bank Austria war Betrieb.



Kurz gesagt. Es war total spooky. Einerseits, der wie "ausgestorben" wirkende und gleichzeitig auf weihnachtlich geschmückte Milleniumstower. Und anderseits eine einzige Menschenkette, die sich schier endlos durch das ganze Areal des Millennium-Center zog, im Schlepptau ein Massensterben, und auf den ersten Blick nirgendwohin führte, in einem ausgewiesenen Konsum und Fress-Tempel, der fürs Vergnügen und das Amüsement gemacht ist. Anstatt sich diese Menschenschlage umgehend auflöste und in die Geschäfte, Kaffees Imbiss und Restaurants strömte, zwecks Zerstreuung und Hyperkonsum, um sich als lebendig zu erfahren, ist der einfachste Weg, standen die Menschen wie gelähmt zu einer langen Menschenschlage zusammengefasst. Als Wartende in einer Schlange waren sie fast jeder Individualität beraubt. Anstellen ist das Gegenteil von Individualismus. Der in Österreich allerdings in einer Form gelebt wird das er während einer potentiell tödlichen Pandemie unterbunden werden musste. In Österreich ist das Emanzipationskonzept der Aufklärung zum "Kult des Individuums" geschrumpft. Schneller als Gletscher oder der Umfang meiner Hoden. Apropos Hoden. Die Rapperin Nicki Minaj soll zu der Sache auf Twitter eine Anekdote erzählt haben: Im September fantasierte sie über einen Freund ihres Cousins auf Trinidad und Tobago, dem wegen der Impfung die Hoden angeschwollen seien. Weil die Frau "Fame" ist muss sogar der Gesundheitsminister des Inselstaats ausrücken und erklären, dass kein solcher Fall bekannt sei. Das hat doch Style. Im Zeitalter von Fake-News müssen auch noch die abstrusestes Behauptung entkräftet werden. Sehr zeitraubend. Eine einsame Menschenschlage, bewacht von Security-Personal, in einem menschenleeren weihnachtlichen Einkaufstempel, an einem nebeligen und feuchten Montag Ende November. Schreibend und mit meinem Möglichkeiten lässt sich dieser Eindruck niemals so gut einfangen wie der unmittelbare Anblick und der Gang durchs das menschenleere Obergeschoss eines Einkaufscenter voller Produkt in den Auslagen, bis hin zur Bäckerin, der ich dann von der gespenstischen Schlange erzählte. Die guckte auch. Ich hätte auch einen Titel für die Ungeimpften-Parade gehabt. "You gotta vakzin for your right to party".

Ende

Gespeist wurde allerdings trotzdem. Allein von Montag dem 22.11.2021 auf Dienstag dem 23.11.2021 hat sich das Virus 78 Menschen einverleibt. Zur Auffrischung: ganz Spanien vermeldete letzte Woche nur 137 Corona-Tote bei 47, 16 Millionen Einwohner. Österreich 8,917 Millionen.

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