Mittwoch, 8. Juni 2016
Meine Fäuste können nicht treffen was meine Augen nicht sehen.
der imperialist, 21:13h
(Frei nach Muhammed Ali)
Umtauschen wollte ich was bei einer Supermarktkassiererin. Ich hab Histamin. Geht nicht weg die Schizo-Sache. Scheint so dass ich immer etwas habe muss. Entweder war ich unhöflich, laut, fordernd, oder gelinde gesagt nicht Kleinstbürger-kompatibel. In der Regel trage ich kein Schild um den Hals auf dem steht: „Bitte vermessen sie mich nicht mit ihrem kleinstbürgerlichen Maßstab“. Da kommt nix gescheites dabei herum. Kann durchaus sein dass mein Anliegen ein Müsli umzutauschen was von einem Überfall hatte. Die Supermarktkassiererin meinte ich sei arrogant. Arroganz komme bei ihr gar nicht gut an. Diese Kassiererin macht das noch nicht lange mit mir. Kassiererinnen mit Erfahrung fragen mich nicht mehr jeden Tag ob ich eine Kundenkarte habe. Seit Menschheitsgedenken, oder wenigstens der neolithischen Revolution, werde ich vom Kassapersonal nach meiner Kundenkarte gefragt. Scheiße ich hab keine und ich will auch keine. Was soll ich mit einer Kundenkarte. Ich habe ja nicht einmal ein Hemd zum Anziehen. Ein einfaches Nein akzeptiert die Supermarkt-NSA nicht. Die denken niemand ist zu klein und unbedeutend für Big Data. Sagt man zum Kassenpersonal bitte fragen sie mich nicht nach der Kundenkarte, machen die trotzdem unbeirrt weiter. Ah ja sagen die dann, sie werden dazu gezwungen. Also von mir nicht. Stellen sie sich einfach mal folgende Situation vor. Jeden Morgen fragt sie ihr Lebensmensch oder Lebensabschnittspartnermensch, ob sie Zucker in ihrem Kaffee möchten, und sie antworten 10 Jahre lang stoisch mit nein. Das halten sie niemals 10 Jahre durch. So groß kann ihre Liebe gar nicht sein. Früher oder später greifen sie zum Küchenmesser oder und dann hat der Ferdinand von Schirach einen spannenden Fall mehr auf seinem Tisch liegen, der dann im deutschen Staatsfernsehen landet, gestrafft zu einer 45 Minuten Folge, während sie noch 12 Jahre hinter vor sich haben, bei guter Führung. Jene Kassiererin, die bei mir Arroganz aber nicht diagnostizierte, ist die neue Miss Supermarkt unter den Kassiererinnen. Die fragt immer nach der Kundenkarte. Recht fesch ist sie auch. Deswegen geht die auch sehr offensiv und mit viel Selbstvertrauen an die Männer heran. Hab schon einige Kerle erröten sehen. Wäre die Frau ein Mann würde man sie als ziemlich taktlos bezeichnen. Dass unattraktive Männer heute noch bei recht feschen Frauen erröten hielt ich eigentlich für ausgeschlossen. Aus Frauen wird der Mann einfach nicht klug. Die einen wollen nicht auf ihr Aussehen reduziert werden, andere wiederum kokettieren mit nix anderem. Vielleicht war die Kassiererin auch im Recht was mein Auftreten betraf. Wirklich übel war die Sache mit meiner Arroganz nicht. Die Leute um uns herum bekamen nix mit. An sich ein gutes Zeichen. Normal kriegen Leute die sich vor einer Kasse die Beine in den Bauch stehen alles mit. Ich könnte den Spieß auch mal umdrehen und mich beim Marktleiter über die arrogante Kassiererin beschweren. Von einer dahergelaufenen Supermarktkassiererin lasse ich mir doch nicht die Leviten lesen und mich ins Kleinstbürgertum einweisen. Einweisen lasse ich mich vielleicht mal in die Klapse. Bin aber weiterhin gewillt mich mit aller Macht dagegen zu. Mit Marktleiter mache ich aber prinzipiell nix. Über den Umweg Marktleiter, also über die Hierarchiebande, gehe ich doch nicht auf Supermarkangestellte los. Niemals. Ich dachte mir nur, hier also in einem Supermarkt an einer Kasse gegen 14 30 Uhr, geht es nicht mehr weiter für mich.
Einen Stock über mir wohnt ein mit Sohn. Wohnen schon sehr lange in dem Haus. Kleinstbürger aus dem Mittelstand, beide berufstätig, über die Fünfzig, keine Akademiker. Trotzdem langt das Familieneinkommen zu einem schönen Mittelklassewagen, der extra in einer Garage geparkt wird, und einem ganz annehmlichen Leben. So soll es auch sein finde ich. Ein schöner Mittelklassewagen, ne prima Glotze und 2 Wochen all inklusive sollte für das nicht akademische Proletariat schon noch drin sein. „Ne“ ist wie das Kärntnerische „a“. Die Deutschen sagen "ne prima Glotze" und ich "a klassa Fernseha". Er ist jetzt im wohlverdienten Ruhestand wie es aussieht. Hat glaube ich mit seiner Hüfte zu tun. Die ist kaputt, nachgemacht, oder sitzt nicht richtig. Beim Skifahren soll es ihn mal übel erwischt haben. Schwere Freizeitunfälle sind ja die neuen Arbeitsunfälle des postheroischen Zeitalters. Über die Frau kann ich nicht viel erzählen das ihnen weiterhelfen könnte. Der englische Gentleman macht gerne Witze über sie, weil sie angeblich so einen fetten Arsch hat. Sehr frauenfeindlich wenn der englische Gentleman über den Arsch seiner Nachbarin spricht. Aber auch irgendwie lustig. Ein überzeugter Chauvinist wie der englische Gentleman ist aufrichtig entsetzt über den fetten Arsch seiner Nachbarin. Der zeigt dann mit den Händen, die er weit vom Körper streckt, wie fett dieser Hintern ist. Der englische Gentleman macht da keine Gefangenen. Der drückt lieber jedes Monat 600 Euro für seine Escort-Service Zwillinge mit Instagram-Figur ab, bevor er hilflos mitansehen muss wie so ein Arsch immer fetter und fetter wird. Gut er kriegt dafür andauernd Ausschlag. Das mit dem fetten Arsch kann ich jetzt weder bestätigen noch dementieren. Ich schau mir die Frau Ehefrau aus dem 4. Stock nicht so genau an. Nur a Scherz. Die täuscht in der Regel links an und geht rechts an mir vorbei wenn sie mich grüßt. Kleinstbürgerliche Freundlichkeit, das übliche Schauspiel kennen sie eh. Man tut kurz so als ob und denkt sich seinen Teil. Ich nix, sie gemeine Sachen. Er steht gut im Fleisch das kann ich mit Gewissheit behaupten. Der Sohnemann ist inzwischen selbst ein erwachsener Mann und wie es aussieht wohnt der noch zu Hause. Über den kann ich auch nix sagen. Ich schau mir in der Regel nur die Irren wie den Sohn vom fetten Polen der eigentlich Bulgare ist genauer an. Manchmal sehe ich die beiden, also das Ehepaar, Hand in Hand die Straße runter marschieren . Nach all den Ehejahren nicht schlecht. Die haben sich ihr Glück bewahrt, auch schön. Kleinstbürgerliches Glück mit gemeinsamen Schlafzimmer ist ja eher nix für mich. Ich brauch Fläche, leere Fläche. Nur ab und zu wenn der Scheißhausdämon seinen Mantel öffnet, renne ich vor dieser Leere davon und krieche ich zu meiner Liebsten unter die Decke. Beim Wirten an der Straßenecke sitzt die beiden recht gerne . Hat er genug getankt, kommt er mir manchmal blöde, weil ich mit dem Rad auf dem Gehsteig fahre. Ich wechsle da immer mittels Gehweg die Straßenseite und die letzen 100 Meter bis zum Haus, fahre ich dann auf verbotenem Terrain am Wirt vorbei. Sie lacht dann spöttisch oder glücklich wenn er mich mal wieder anraunzt. Wahrscheinlich weil sie so einen mutigen und rechtschaffenden Mann an ihrer Seite weiß. Ich verstehe schon dass der sich im Recht wähnt. Nur was soll ich von einem Menschen halten der sich den Mut zum Recht herbei saufen muss. Nüchtern kommt ja eher weniger von ihm. Ich war eine Zeitlang sehr ähnlich drauf. Unbeschwertheit und beste Laune musste ich mir schon herbei saufen, die viel nicht vom Himmel. So wie sich andere Leute einen One-Night-Stand schön saufen, habe ich mir mein Leben ins richtige Format eines Postkartenwetters gesoffen. War mein Leben dann im richtigen Format, habe ich mir natürlich auch meinen ONS schön gesoffen oder wurde schön gesoffen. Auf Schwächere gehe ich prinzipiell nicht los. Niemals. Der Mann hinkt und schwitzt beim Atmen. Nach all den Jahren wissen die beiden natürlich dass ich nicht wie sie zur Miete wohne. Kommt gar nicht gut . Die halten das für eine ziemliche Sauerei. Die fühlen sich von mir oder den Verhältnissen ins Knie . Rackern sich ein Leben lang für einen netten Mittelklassewagen, einen (angeblich) dicken Hintern und eine kaputte Freizeithüfte ab und wohnen trotzdem nur zur Miete, während ich zu den Eigentümern gezählt werde und einfach nur so herum sitze. Ich kann den Groll der beiden gut verstehen. Nur was soll ich jetzt machen. Die Tabs absetzen, in die Unbeschwertheit am Praterstern flüchten und auf eine Parkbank umziehen, von der die Farbe blättert, wo ich eigentlich hin gehöre, ginge es allein nach meinen Fähigkeiten und Temperament. Der englische Gentleman hält den „Hüfti“ für einen üblen Geizkragen und entsetzlich kleinstbürgerlich. Der dreht angeblich jeden Euro drei Mal um und kauft immer das billigste Zeugs. Der englische Gentleman macht es einem aber auch nicht leicht. Hat einen exklusiven Deckenventilator aus der Kolonialzeit über dem Bett hängen, der normal in die Strandvilla eines Hedgefondsmanager oder eines Lords aus dem britischen Oberhaus gehört, verbringt aber seinen Lebensabend in der Bronx bei den Pinguinfrauen. Ich habe versucht heraus zu finden warum die Briten aus der EU raus wollen. Einen tieferen Sinn hat das Referendum nicht. Die Stahlindustrie in Wales wird ja gerade von den Chinesen bedroht und nicht von der EU. Ist eher was Emotionales und Postkoloniales. Zu viele Fremde. Die dachten nach der EU-Osterweiterung würden um die 13 000 Menschen übers Meer kommen und einen Job auf der Insel suchen. Gekommen sind dann 3,1 Millionen. An sich zahlen die Ost-EU-Menschen mehr in die Sozialtöpfe ein als sie herausbekommen. Nur darum scheint es nicht zu gehen. Die Teesackerl, da vor allem die älteren Semester denken, wir haben doch nicht den Krieg gewonnen und Europa von den "Krauts" befreit, um genau von diesem undankbaren Europa, und den Krauts, in Geiselhaft genommen zu werden. Über das Ehepaar habe ich mir noch keine abschließende Meinung gebildet. Nicht bewusst zumindest. Über den englischen Gentleman auch nicht. Vielleicht hatte der bei der Party damals, kaum hatten ich mich hingesetzt schon durfte ich mir seine Escort-Service-Kunstfotografie ansahen, auch nur einen schlechten Tag. Das Ehepaar und der englische Gentleman wohnen ja nicht nur Tür an Tür, die sind trotz des unterschiedlichen Zugangs zur eigenen Selbstverständlichkeit, auch miteinander befreundet. Zumindest angefreundet haben die sich. So viele Kumpels hat der englische Gentleman hier in der Bronx ja nicht. Ich habe mich da ja eher als Enttäuschung erwiesen. Am Samstag gingen die drei zusammen einkaufen. Ich war auch gerade auch am einkaufen. Kein sehr schönes Deutsch ich weiß. Als ich die Wohnungstür aufmachte, hörte ich die drei im Stiegenhaus. Auf dem kürzesten Weg zum Supermarkt hätte ich an den drei vorbei müssen. Noch dazu mit dem . Nee, dachte ich mir, das bringe ich heute nicht. Ausgeschlossen das ich das bringe. Ich kann an denen nicht vorbei. Nicht das der Hüfti wieder den harten Kerl mimt und mir zeigt wo der Kleinstbürgerbartl den harten Kerl-Most verschüttet. Das kann ich mir nicht antun. Denn dort wo die drei gerade entlanggingen konnte ich nicht sein. Dort ging es einfach nicht weiter für mich.
Am F.E.-Platz hole ich mir einmal in der Woche Pizza. Ich schwing mich aufs Rad und fahr hin. Noch einmal Rad-Smiley bringe ich nicht. Immer wieder mal denke ich mir auf der Hinfahrt dass ich weiter als nur bis zum F.E.-Platz radeln sollte. Raus aus mir sollte ich radeln, raus aus diesem Leben, der Bronx, ohne mich umzudrehen, einfach weg von allem. Aber dann fällt mir ein, dass dieses alles kaum was ist außer ein tolles . Trotzdem könnte es noch klappen. Noch ist dieser Funken nicht erloschen. Wenn es windig ist, und die Höhenwinde nicht auslassen, könnte der schon noch einen Flächenbrand der Leidenschaft in mir entfachen. Es heißt ja im Leben soll man für eine Sache brennen sonst habe man nicht wirklich gelebt. Ich habe eh geleuchtet in der Kneipe an der Theke, meistens bis zur Sperrstunde. Danach sah ich immer aus wie eine heruntergebrannte Kerze. Wer wird denn so verzagt sein rede ich mir dann sein. Dem eigenen Horizont kann ich locker noch ein Loch in den Zaun schneiden und durchschlüpfen. Dafür langt es allemal. Es muss mal gut sein mit der kleinstbügerlichen Demontage. Nicht einmal wenn ich mich bei den Kleinstbürgern dankbar zeige und die mit der Erkenntnis verwöhne gescheitert zu sein, weswegen ich mich aufrichtig schäme, kann ich die wirklich milde stimmen. Sage ich zu denen das es mir aufrichtig leid tut nicht lange genug hart gearbeitet zu haben, und die auf mein Blog verweise, habe ich schon wieder den Scherben auf . Radle ich dann am Schild meiner Medikamentendealerin vorbei, nee die nennt man Vertrauensärztin, beginne ich innerlich einzuknicken wie der Stängel einer Blume wenn eine Kuh gähnt. Spätestens auf Höhe der hässlichsten Einkaufspassage Wiens, schraubt die Gewissheit dass stumpfe Bajonette wieder ab und mir wird bewusst, dass ich eher keine Bastille mehr stürmen werde. Nicht bei diesen Brotpreisen. Weit ist es dann nicht mehr zur Gewissheit dass es hinter dem Kebab/Pizza-Stand am F.E.-Platz für mich einfach nicht mehr weiter geht.
.
Ich hatte einen wirklich schlechten Tag und der S. kam vorbei. Normal ruft der vorher an. Nicht in diesem Fall. Der stand einfach vor der Tür. Hätte er vorher angerufen, wäre uns das was folgte natürlich erspart geblieben. Ich hatte meine knapp bemessene Lebenszeit stundenlang einem Backgammon-Algorithmus gewidmet. Mensch gegen Maschine. Also zum John Connor habe ich kein Talent. Obschon ich wusste das der Algorithmus mit mir Katz und Maus spielte und ich nach dem 3 Zug so gut wie keine Chance mehr hatte, machte ich stur weiter. Stur nicht beharrlich. Offensichtlich ist das meine Bestimmung. Nach 3 Zügen verloren zu haben und einfach stur weiterzumachen. Hatten wir ein Streitgespräch über eine Lappalie. In einem guten Zustand wäre ich da locker heraus gekommen. Nur war ich in keinem guten Zustand. Ich sagte zum S., 10 000 Euro jedes Wochenende geht nicht. Das sind 40 000 Euro im Monat, beinahe eine halbe Mille im Jahr. Unmöglich das der jedes Wochenende 10 000 macht. Der S. beharrte aber darauf dass der Typ 10 000 bringt. Das Thema hatte ja der S. mit in die Wohnung gebracht. Eigenes Thema hatte ich keines. Ich, niemals, unmöglich. Einfach aufhören und das Thema wechseln ging auch nicht. Ich hing da voll in den 10 000 drin. Nach gut einer ¼ Stunde hatten wir uns argumentativ nicht einen Millimeter von der Stelle oder aufeinander zu bewegt. Der S., der so kleine Reibereien nicht mag, mit seiner Streitkultur steht es nicht zum Besten, genauer gesagt hat der keine, war der mit den Nerven schon ziemlich durch. Der bettelte schon fast darum das ich endlich aufhöre. Später stellte sich heraus das er 1000 gemeint hatte und nicht 10 000. Das Thema war aber irgendwann nicht mehr die 1000 oder 10 000 sondern mein Zustand. Im Gesicht vom S. stand das blanke Entsetzen. Offensichtlich konnte er dort wie ich gerade war auch nicht sein.
Am Dach. Dach ist wie mein Leben. Egal wohin ich auch gehe. Immer sind es nur ein paar Schritte bis zum Abgrund. Schizophrenie ist psychische Überdehnung, dachte ich mir in meinem Klappstuhl sitzend. So nach und nach reißen alle Bindungen. Auch die Verbindung zu mir selbst. Egal wie sehr ich mich auch auflehne. Die Verbindung zu mir und der Welt geht verloren und ich weiß nicht wo ich suchen soll. Eingesperrt in mir und der Schizophrenie wie ein Eisbär dem die Scholle unter den Tretern wegschmilzt. Dort wo ich bin, kann (zuweilen, zu oft) nicht einmal ich sein. .
Signiert:
Umtauschen wollte ich was bei einer Supermarktkassiererin. Ich hab Histamin. Geht nicht weg die Schizo-Sache. Scheint so dass ich immer etwas habe muss. Entweder war ich unhöflich, laut, fordernd, oder gelinde gesagt nicht Kleinstbürger-kompatibel. In der Regel trage ich kein Schild um den Hals auf dem steht: „Bitte vermessen sie mich nicht mit ihrem kleinstbürgerlichen Maßstab“. Da kommt nix gescheites dabei herum. Kann durchaus sein dass mein Anliegen ein Müsli umzutauschen was von einem Überfall hatte. Die Supermarktkassiererin meinte ich sei arrogant. Arroganz komme bei ihr gar nicht gut an. Diese Kassiererin macht das noch nicht lange mit mir. Kassiererinnen mit Erfahrung fragen mich nicht mehr jeden Tag ob ich eine Kundenkarte habe. Seit Menschheitsgedenken, oder wenigstens der neolithischen Revolution, werde ich vom Kassapersonal nach meiner Kundenkarte gefragt. Scheiße ich hab keine und ich will auch keine. Was soll ich mit einer Kundenkarte. Ich habe ja nicht einmal ein Hemd zum Anziehen. Ein einfaches Nein akzeptiert die Supermarkt-NSA nicht. Die denken niemand ist zu klein und unbedeutend für Big Data. Sagt man zum Kassenpersonal bitte fragen sie mich nicht nach der Kundenkarte, machen die trotzdem unbeirrt weiter. Ah ja sagen die dann, sie werden dazu gezwungen. Also von mir nicht. Stellen sie sich einfach mal folgende Situation vor. Jeden Morgen fragt sie ihr Lebensmensch oder Lebensabschnittspartnermensch, ob sie Zucker in ihrem Kaffee möchten, und sie antworten 10 Jahre lang stoisch mit nein. Das halten sie niemals 10 Jahre durch. So groß kann ihre Liebe gar nicht sein. Früher oder später greifen sie zum Küchenmesser oder und dann hat der Ferdinand von Schirach einen spannenden Fall mehr auf seinem Tisch liegen, der dann im deutschen Staatsfernsehen landet, gestrafft zu einer 45 Minuten Folge, während sie noch 12 Jahre hinter vor sich haben, bei guter Führung. Jene Kassiererin, die bei mir Arroganz aber nicht diagnostizierte, ist die neue Miss Supermarkt unter den Kassiererinnen. Die fragt immer nach der Kundenkarte. Recht fesch ist sie auch. Deswegen geht die auch sehr offensiv und mit viel Selbstvertrauen an die Männer heran. Hab schon einige Kerle erröten sehen. Wäre die Frau ein Mann würde man sie als ziemlich taktlos bezeichnen. Dass unattraktive Männer heute noch bei recht feschen Frauen erröten hielt ich eigentlich für ausgeschlossen. Aus Frauen wird der Mann einfach nicht klug. Die einen wollen nicht auf ihr Aussehen reduziert werden, andere wiederum kokettieren mit nix anderem. Vielleicht war die Kassiererin auch im Recht was mein Auftreten betraf. Wirklich übel war die Sache mit meiner Arroganz nicht. Die Leute um uns herum bekamen nix mit. An sich ein gutes Zeichen. Normal kriegen Leute die sich vor einer Kasse die Beine in den Bauch stehen alles mit. Ich könnte den Spieß auch mal umdrehen und mich beim Marktleiter über die arrogante Kassiererin beschweren. Von einer dahergelaufenen Supermarktkassiererin lasse ich mir doch nicht die Leviten lesen und mich ins Kleinstbürgertum einweisen. Einweisen lasse ich mich vielleicht mal in die Klapse. Bin aber weiterhin gewillt mich mit aller Macht dagegen zu. Mit Marktleiter mache ich aber prinzipiell nix. Über den Umweg Marktleiter, also über die Hierarchiebande, gehe ich doch nicht auf Supermarkangestellte los. Niemals. Ich dachte mir nur, hier also in einem Supermarkt an einer Kasse gegen 14 30 Uhr, geht es nicht mehr weiter für mich.
Einen Stock über mir wohnt ein mit Sohn. Wohnen schon sehr lange in dem Haus. Kleinstbürger aus dem Mittelstand, beide berufstätig, über die Fünfzig, keine Akademiker. Trotzdem langt das Familieneinkommen zu einem schönen Mittelklassewagen, der extra in einer Garage geparkt wird, und einem ganz annehmlichen Leben. So soll es auch sein finde ich. Ein schöner Mittelklassewagen, ne prima Glotze und 2 Wochen all inklusive sollte für das nicht akademische Proletariat schon noch drin sein. „Ne“ ist wie das Kärntnerische „a“. Die Deutschen sagen "ne prima Glotze" und ich "a klassa Fernseha". Er ist jetzt im wohlverdienten Ruhestand wie es aussieht. Hat glaube ich mit seiner Hüfte zu tun. Die ist kaputt, nachgemacht, oder sitzt nicht richtig. Beim Skifahren soll es ihn mal übel erwischt haben. Schwere Freizeitunfälle sind ja die neuen Arbeitsunfälle des postheroischen Zeitalters. Über die Frau kann ich nicht viel erzählen das ihnen weiterhelfen könnte. Der englische Gentleman macht gerne Witze über sie, weil sie angeblich so einen fetten Arsch hat. Sehr frauenfeindlich wenn der englische Gentleman über den Arsch seiner Nachbarin spricht. Aber auch irgendwie lustig. Ein überzeugter Chauvinist wie der englische Gentleman ist aufrichtig entsetzt über den fetten Arsch seiner Nachbarin. Der zeigt dann mit den Händen, die er weit vom Körper streckt, wie fett dieser Hintern ist. Der englische Gentleman macht da keine Gefangenen. Der drückt lieber jedes Monat 600 Euro für seine Escort-Service Zwillinge mit Instagram-Figur ab, bevor er hilflos mitansehen muss wie so ein Arsch immer fetter und fetter wird. Gut er kriegt dafür andauernd Ausschlag. Das mit dem fetten Arsch kann ich jetzt weder bestätigen noch dementieren. Ich schau mir die Frau Ehefrau aus dem 4. Stock nicht so genau an. Nur a Scherz. Die täuscht in der Regel links an und geht rechts an mir vorbei wenn sie mich grüßt. Kleinstbürgerliche Freundlichkeit, das übliche Schauspiel kennen sie eh. Man tut kurz so als ob und denkt sich seinen Teil. Ich nix, sie gemeine Sachen. Er steht gut im Fleisch das kann ich mit Gewissheit behaupten. Der Sohnemann ist inzwischen selbst ein erwachsener Mann und wie es aussieht wohnt der noch zu Hause. Über den kann ich auch nix sagen. Ich schau mir in der Regel nur die Irren wie den Sohn vom fetten Polen der eigentlich Bulgare ist genauer an. Manchmal sehe ich die beiden, also das Ehepaar, Hand in Hand die Straße runter marschieren . Nach all den Ehejahren nicht schlecht. Die haben sich ihr Glück bewahrt, auch schön. Kleinstbürgerliches Glück mit gemeinsamen Schlafzimmer ist ja eher nix für mich. Ich brauch Fläche, leere Fläche. Nur ab und zu wenn der Scheißhausdämon seinen Mantel öffnet, renne ich vor dieser Leere davon und krieche ich zu meiner Liebsten unter die Decke. Beim Wirten an der Straßenecke sitzt die beiden recht gerne . Hat er genug getankt, kommt er mir manchmal blöde, weil ich mit dem Rad auf dem Gehsteig fahre. Ich wechsle da immer mittels Gehweg die Straßenseite und die letzen 100 Meter bis zum Haus, fahre ich dann auf verbotenem Terrain am Wirt vorbei. Sie lacht dann spöttisch oder glücklich wenn er mich mal wieder anraunzt. Wahrscheinlich weil sie so einen mutigen und rechtschaffenden Mann an ihrer Seite weiß. Ich verstehe schon dass der sich im Recht wähnt. Nur was soll ich von einem Menschen halten der sich den Mut zum Recht herbei saufen muss. Nüchtern kommt ja eher weniger von ihm. Ich war eine Zeitlang sehr ähnlich drauf. Unbeschwertheit und beste Laune musste ich mir schon herbei saufen, die viel nicht vom Himmel. So wie sich andere Leute einen One-Night-Stand schön saufen, habe ich mir mein Leben ins richtige Format eines Postkartenwetters gesoffen. War mein Leben dann im richtigen Format, habe ich mir natürlich auch meinen ONS schön gesoffen oder wurde schön gesoffen. Auf Schwächere gehe ich prinzipiell nicht los. Niemals. Der Mann hinkt und schwitzt beim Atmen. Nach all den Jahren wissen die beiden natürlich dass ich nicht wie sie zur Miete wohne. Kommt gar nicht gut . Die halten das für eine ziemliche Sauerei. Die fühlen sich von mir oder den Verhältnissen ins Knie . Rackern sich ein Leben lang für einen netten Mittelklassewagen, einen (angeblich) dicken Hintern und eine kaputte Freizeithüfte ab und wohnen trotzdem nur zur Miete, während ich zu den Eigentümern gezählt werde und einfach nur so herum sitze. Ich kann den Groll der beiden gut verstehen. Nur was soll ich jetzt machen. Die Tabs absetzen, in die Unbeschwertheit am Praterstern flüchten und auf eine Parkbank umziehen, von der die Farbe blättert, wo ich eigentlich hin gehöre, ginge es allein nach meinen Fähigkeiten und Temperament. Der englische Gentleman hält den „Hüfti“ für einen üblen Geizkragen und entsetzlich kleinstbürgerlich. Der dreht angeblich jeden Euro drei Mal um und kauft immer das billigste Zeugs. Der englische Gentleman macht es einem aber auch nicht leicht. Hat einen exklusiven Deckenventilator aus der Kolonialzeit über dem Bett hängen, der normal in die Strandvilla eines Hedgefondsmanager oder eines Lords aus dem britischen Oberhaus gehört, verbringt aber seinen Lebensabend in der Bronx bei den Pinguinfrauen. Ich habe versucht heraus zu finden warum die Briten aus der EU raus wollen. Einen tieferen Sinn hat das Referendum nicht. Die Stahlindustrie in Wales wird ja gerade von den Chinesen bedroht und nicht von der EU. Ist eher was Emotionales und Postkoloniales. Zu viele Fremde. Die dachten nach der EU-Osterweiterung würden um die 13 000 Menschen übers Meer kommen und einen Job auf der Insel suchen. Gekommen sind dann 3,1 Millionen. An sich zahlen die Ost-EU-Menschen mehr in die Sozialtöpfe ein als sie herausbekommen. Nur darum scheint es nicht zu gehen. Die Teesackerl, da vor allem die älteren Semester denken, wir haben doch nicht den Krieg gewonnen und Europa von den "Krauts" befreit, um genau von diesem undankbaren Europa, und den Krauts, in Geiselhaft genommen zu werden. Über das Ehepaar habe ich mir noch keine abschließende Meinung gebildet. Nicht bewusst zumindest. Über den englischen Gentleman auch nicht. Vielleicht hatte der bei der Party damals, kaum hatten ich mich hingesetzt schon durfte ich mir seine Escort-Service-Kunstfotografie ansahen, auch nur einen schlechten Tag. Das Ehepaar und der englische Gentleman wohnen ja nicht nur Tür an Tür, die sind trotz des unterschiedlichen Zugangs zur eigenen Selbstverständlichkeit, auch miteinander befreundet. Zumindest angefreundet haben die sich. So viele Kumpels hat der englische Gentleman hier in der Bronx ja nicht. Ich habe mich da ja eher als Enttäuschung erwiesen. Am Samstag gingen die drei zusammen einkaufen. Ich war auch gerade auch am einkaufen. Kein sehr schönes Deutsch ich weiß. Als ich die Wohnungstür aufmachte, hörte ich die drei im Stiegenhaus. Auf dem kürzesten Weg zum Supermarkt hätte ich an den drei vorbei müssen. Noch dazu mit dem . Nee, dachte ich mir, das bringe ich heute nicht. Ausgeschlossen das ich das bringe. Ich kann an denen nicht vorbei. Nicht das der Hüfti wieder den harten Kerl mimt und mir zeigt wo der Kleinstbürgerbartl den harten Kerl-Most verschüttet. Das kann ich mir nicht antun. Denn dort wo die drei gerade entlanggingen konnte ich nicht sein. Dort ging es einfach nicht weiter für mich.
Am F.E.-Platz hole ich mir einmal in der Woche Pizza. Ich schwing mich aufs Rad und fahr hin. Noch einmal Rad-Smiley bringe ich nicht. Immer wieder mal denke ich mir auf der Hinfahrt dass ich weiter als nur bis zum F.E.-Platz radeln sollte. Raus aus mir sollte ich radeln, raus aus diesem Leben, der Bronx, ohne mich umzudrehen, einfach weg von allem. Aber dann fällt mir ein, dass dieses alles kaum was ist außer ein tolles . Trotzdem könnte es noch klappen. Noch ist dieser Funken nicht erloschen. Wenn es windig ist, und die Höhenwinde nicht auslassen, könnte der schon noch einen Flächenbrand der Leidenschaft in mir entfachen. Es heißt ja im Leben soll man für eine Sache brennen sonst habe man nicht wirklich gelebt. Ich habe eh geleuchtet in der Kneipe an der Theke, meistens bis zur Sperrstunde. Danach sah ich immer aus wie eine heruntergebrannte Kerze. Wer wird denn so verzagt sein rede ich mir dann sein. Dem eigenen Horizont kann ich locker noch ein Loch in den Zaun schneiden und durchschlüpfen. Dafür langt es allemal. Es muss mal gut sein mit der kleinstbügerlichen Demontage. Nicht einmal wenn ich mich bei den Kleinstbürgern dankbar zeige und die mit der Erkenntnis verwöhne gescheitert zu sein, weswegen ich mich aufrichtig schäme, kann ich die wirklich milde stimmen. Sage ich zu denen das es mir aufrichtig leid tut nicht lange genug hart gearbeitet zu haben, und die auf mein Blog verweise, habe ich schon wieder den Scherben auf . Radle ich dann am Schild meiner Medikamentendealerin vorbei, nee die nennt man Vertrauensärztin, beginne ich innerlich einzuknicken wie der Stängel einer Blume wenn eine Kuh gähnt. Spätestens auf Höhe der hässlichsten Einkaufspassage Wiens, schraubt die Gewissheit dass stumpfe Bajonette wieder ab und mir wird bewusst, dass ich eher keine Bastille mehr stürmen werde. Nicht bei diesen Brotpreisen. Weit ist es dann nicht mehr zur Gewissheit dass es hinter dem Kebab/Pizza-Stand am F.E.-Platz für mich einfach nicht mehr weiter geht.
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Ich hatte einen wirklich schlechten Tag und der S. kam vorbei. Normal ruft der vorher an. Nicht in diesem Fall. Der stand einfach vor der Tür. Hätte er vorher angerufen, wäre uns das was folgte natürlich erspart geblieben. Ich hatte meine knapp bemessene Lebenszeit stundenlang einem Backgammon-Algorithmus gewidmet. Mensch gegen Maschine. Also zum John Connor habe ich kein Talent. Obschon ich wusste das der Algorithmus mit mir Katz und Maus spielte und ich nach dem 3 Zug so gut wie keine Chance mehr hatte, machte ich stur weiter. Stur nicht beharrlich. Offensichtlich ist das meine Bestimmung. Nach 3 Zügen verloren zu haben und einfach stur weiterzumachen. Hatten wir ein Streitgespräch über eine Lappalie. In einem guten Zustand wäre ich da locker heraus gekommen. Nur war ich in keinem guten Zustand. Ich sagte zum S., 10 000 Euro jedes Wochenende geht nicht. Das sind 40 000 Euro im Monat, beinahe eine halbe Mille im Jahr. Unmöglich das der jedes Wochenende 10 000 macht. Der S. beharrte aber darauf dass der Typ 10 000 bringt. Das Thema hatte ja der S. mit in die Wohnung gebracht. Eigenes Thema hatte ich keines. Ich, niemals, unmöglich. Einfach aufhören und das Thema wechseln ging auch nicht. Ich hing da voll in den 10 000 drin. Nach gut einer ¼ Stunde hatten wir uns argumentativ nicht einen Millimeter von der Stelle oder aufeinander zu bewegt. Der S., der so kleine Reibereien nicht mag, mit seiner Streitkultur steht es nicht zum Besten, genauer gesagt hat der keine, war der mit den Nerven schon ziemlich durch. Der bettelte schon fast darum das ich endlich aufhöre. Später stellte sich heraus das er 1000 gemeint hatte und nicht 10 000. Das Thema war aber irgendwann nicht mehr die 1000 oder 10 000 sondern mein Zustand. Im Gesicht vom S. stand das blanke Entsetzen. Offensichtlich konnte er dort wie ich gerade war auch nicht sein.
Am Dach. Dach ist wie mein Leben. Egal wohin ich auch gehe. Immer sind es nur ein paar Schritte bis zum Abgrund. Schizophrenie ist psychische Überdehnung, dachte ich mir in meinem Klappstuhl sitzend. So nach und nach reißen alle Bindungen. Auch die Verbindung zu mir selbst. Egal wie sehr ich mich auch auflehne. Die Verbindung zu mir und der Welt geht verloren und ich weiß nicht wo ich suchen soll. Eingesperrt in mir und der Schizophrenie wie ein Eisbär dem die Scholle unter den Tretern wegschmilzt. Dort wo ich bin, kann (zuweilen, zu oft) nicht einmal ich sein. .
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