Dienstag, 27. Januar 2015
Etwas über das Grauen, über mein ganz persönliches Grauen
Am 27.Jänner jährt sich die Befreiung des Konzentration und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee zum 70. Mal. Primär wurde ja nicht das Lager befreit sondern die Insassen. Die Baracken stehen heute noch dort, als Mahnmal und Anschauungsmaterial für die interessierte Nachwelt. Heute kann man Touren noch Auschwitz im Internet buchen. Einige nennen das Katstrophentourismus. Ich würde nicht hinfahren. Bin sowieso kein gewissenhafter Tourist. Ich schaue mit ja prinzipiell nichts an. Erklären kann ich dieses Prinzip nicht. Ich will einfach nicht. Akropolis nicht mit mir. Ich saß lieber in einer abgefuckten Kneipe im Hafen. Das ehrwürdige Kolosseum im Rom. Was geht mich diese Mörderbude an. Keine Ahnung warum mir gerade jetzt die Ungeheuerlichkeit „Jedem das Seine“, in dem Sinn kommt. „Jedem das Seine“ steht über dem Eingangstor zum KZ-Buchenwald. Spreche ich es nicht aus, werde ich diese Ungeheuerlichkeit auch nicht mehr los und diese Ungeheuerlichkeit verfolgt mich wie ein Wahnsinniger überall hin, bis ich es nicht mehr ertrage und ich meine Angst endgültig durchzudrehen in Seroquel ertränken muss. Nach Auschwitz-Birkenau wurden in den Jahren 1940-1945 wie jeder weiß 1,1 Millionen Juden, 140 000 Polen, 20 000 Roma und Sinti, 10 000 russische Kriegsgefangene, politische Gefangene, Homosexuelle, unnütze Esser deportiert. Meine Liste ist wie mein Wissen natürlich unvollständig. Aber dafür gibt es ja das Internet. Überlebt hat dieses Martyrium nicht einmal 10% der Insassen. Ganz genau weiß ich es nicht. Es gab ja registrierte und nichtregistrierte Häftlinge. Die nichtregistrierten Häftlinge wurden ja zumeist sofort nach der Ankunft in Auschwitz ermordet/vergast. Ich bin ja gebürtiger Kärntner, Jahrgang 1968. Kärnten ist jener Fleck Erde, der zu Lebzeiten Jörg Haiders liebstes Spielzeug war. Jörg Haider war wahrscheinlich der schillerndste Rechtspopulist Europas. Der Jörg Haider hat versucht den Nationalsozialismus an die moderne Zeit anzupassen. Kurz musste er einmal von seinem liebsten Spielzeug lassen, weil er die Beschäftigungspolitik im Dritten Reich für ziemlich vorbildlich hielt. Was der Mehrheit der KärntnerInnen einen schönen Applaus und gut 43% der Stimmen wert war. In der Angelegenheit Aufklärung Drittes Reich/Holocaust/ war Kärnten nie ein guter Ort. In Kärnten hat es das Dritte Reich nie so recht gegeben. Den 2.Weltkrieg schon, aber das Dritte Reich nicht wirklich. Am kärntner Unglück und den möglichen Verirrungen und Unmenschlichkeiten in die das Land der Berge und Seen verwickelt wurde, waren in meiner Erinnerung irgendwie immer die kärntner Slowenen schuld. Dabei waren es die Nazis, die führende Funktionäre der slowenisch/windischen Minderheit, wie z.B. den Pfarrer und ehemaligen Vorsitzenden des Kulturverbandes, Vinko Poljanec inhaftierten. Bald nach seiner Haftentlassung starb der an den Folgen der Haft und gilt als erstes NS-Opfer unter den Kärntner Slowenen. In meiner kärntner Kindheit drehte sich das unterkärntner Geschichtsbewusstsein immer nur um den 10. Oktober 1920, an dem die KärntnerInnen, in einer Abstimmung dafür votierten, für immer frei und ungeteilt von der slawischen Rasse zu bleiben. Dann hätte der Goadfather aber meine leibliche Mami nie schwängern dürfen. Und heute brauchst wenn nach Slowenien fährst nicht einmal mehr einen Reisepass. Der 10. Oktober ist die Legende die uns Kinder ins Bewusstsein gestrickt wurde. Als Kind verstand ich nur Bahnhof. Meine windischen (windisch für wenden der Sprache) Verwandten gingen meinen deutschen Verwandten bewusst aus dem Weg. Umgekehrt natürlich auch. Die Feindschaft/Abneigung war für mich als Kind spürbar. Körperlich spürbar. In meinem kärntner Pflichtschule-Geschichtsbuch stand über den 2. Weltkrieg nur das dieser von 1939-1945 dauerte. Fragen nach dem Warum stellten wir nicht. Woher sollte dieses Warum auch kommen. An anderer Stelle habe ich ja erwähnt dass wir die letzte „bis zum Vergasen“ Generation waren. Konnten wir ungestraft sagen. Wir taten dies bis zum Vergasen und jenes bis zum Vergasen. Unsere Geschichtslehrerin, eine an sich weitgereiste Frau, eine weltoffene Lady, die auch Englisch unterrichtete, und der auch vom übrigen Lehrpersonal anders gegenübergetreten wurde, distanzierter, förmlicher, oder sagen wir weniger volkstümlich, hielt sich strikt an den vorgegeben Lehrplan. Zu Hause wurde das Dritte Reich nur über Umwege angesprochen. Meistens in Wort und Sinnfetzen oder angelernten Phrasen, mit denen man uns Kinder zum reibungslosen Funktionieren und zur einer unverständlichen Einsicht/Bekenntnis bekehren wollten, dass der Krieg ihrer Väter und Mütter ein guter und gerechter Krieg war. So wurde auch den Entbehrungen der Nachkriegszeit ein Sinn umhängt, der wunderbar zur eigenen Befindlichkeit passte. Ich hatte keine Ahnung was mir die UM2 (oberkärtner Herrenbäuerin) genau mitteilen wollte, wen sie mir ins Gewissen brüllte, das sie sich als Kind alle fünf Finger abgeleckte hätte, für so ein schönes Eck Butter. Die Supermärkte quollen über von echter Butter. Für mich ergab die kärntner Wirklichkeit, die ja wie jeder Wirklichkeit nur eine Inszenierung eben dieser war, keinen rechten Sinn und erschien mir völlig absurd. Von der KriegsveteranenInnen-Generation erfuhr man sowieso nichts. Die schwieg beharrlich oder nahm uns Kinder nicht ernst. Über die sagte man nur die oder der ist eigen. Nichts gab es in Kärnten zu wissen.Und auf die Frage wer den der Mann auf dem Bild im Schlafzimmer vom Goadfather sei, der ungefähr so aussah wie ich, antwortete der Goadfather nur kurz und angebunden, des ist dein Großvater.

Der ist in Russland krepiert. Das klang für mich dann so als ob die Russen daran schuld waren. Die kärntner Eltern die meine Generation in die Welt setzen und die im Krieg und in den Jahren um den Krieg herum geboren wurde, oder in diesen Jahren ihre Kindheit erlebte, wurde ja noch von ehemaligen, mehr oder minder schwer belasteten Nazis unterrichtet. Offensichtlich war das Unterrichtsministerium noch Jahre später „fest in deutscher Hand“. Eine typische kärntner Redeweise. In deren Pflichtschul-Schulbücher müssen wirklich schlimme Sachen gestanden haben, wenn ein promovierter Staatsrechtler wie der Jörg Haider sich unwidersprochen, (von der Masse) so eine eigenartige Weltsicht zusammen schustern konnte. Anita Lasker-Wallfisch sagt im aktuellen Spiegel: „Nach unserer Befreiung (aus Auschwitz) dachten Renate und ich das sich die Welt jetzt ändern würde. Aber in den folgenden Jahren stellte uns kaum jemand Fragen, niemand wollte etwas wissen. Nach Auschwitz kam das große Schweigen“. Die Aufgabe meiner Vorgängergenerationen wäre es gewesen genau dieses Schweigen zu durchbrechen, zum Lebensthema zu machen und zur Sprache zu bringen. Wenn`s geht nicht verlogen, einseitig, bewusst selektiv, sondern schonungslos und offen. Nur die taten das nicht. Die duckten sich einfach weg, verdrängten, schwiegen und kümmerten sich um ihr kleinbürgerliches, verlogenes Glück. Die taten so als ob das Dritte Reich und der Holocaust nur ein kleiner Betriebsunfall der Geschichte war. Nichts Ernstes. Eine falsche Abzweigung die zufällig in den millionenfachen Massenmord führte. Nicht einmal der Krieg wurde so ganz verloren. Und von ihrem hirnlosen Antisemitismus wollten sie auch nicht kuriert werden. Irgendwann setzte sich die Meinung durch das man „Vergasen“ nicht mehr sagen sollte. Wahrscheinlich wegen des Fremdenverkehrs. In Kärnten macht man ja Urlaub bei Freunden. Also liebe Sachsen. Die Juden waren an ihrem Schicksal immer Mitschuld. Und wenn die Juden an ihrem Schicksal nicht direkt Schuld hatten, dann hatte der Nationalsozialismus doch auch sein Gutes. Ich spreche jetzt gar nicht über die nationale, österreichische Geschichtsklitterung. Mit der Neutralität haben wir anscheinend auch unser Gewissen neutralisiert. Sondern von der ganz persönlichen Verantwortung jedes einzelnen, damit sich die Geschichte, nicht wiederholt, nicht einmal als Farce. Wobei ich nicht behaupten kann das Ruanda eine Farce war. Nicht sehr einfallsreich, anstatt Gasduschen gabs Macheten, aber ein billiger Abklatsch eines Genozids war das nicht. Die Aufgabe dieser Generationen wäre es gewesen, etwas von dieser Verantwortung zu übernehmen, sozusagen auf sich laden, um es den folgenden Generationen ein wenig leichter zu machen. Nur das haben die in der Regel nicht getan. Der Umgang früherer Generation mit dem Dritten Reich und dem Holocaust war einfach nur schäbig. Der Umgang der 2. Republik Österreich, der ehemaligen Ostmark, war über Jahrzehnte jämmerlich und schäbig. Und der Umgang Kärntens sowieso. Die echten, deutsch-sprachigen Kärntner, rissen in den Siebziger-Jahren des letzten Jahrhunderts noch wutentbrannt zweisprachige Orttafeln aus dem deutschsprachigen Boden. Deswegen hat mich der 2.Weltkrieg/Drittes Reich/Holocaust in seinem ganzen Grauen, oder sagen wir, wie sich mir dieses Grauen offenbarte, völlig unvorbereitet getroffen. In einer halbwegs funktionierenden Demokratie mit Meinungsfreiheit ist es unvermeidlich das entsprechende Literatur entsteht. Ich habe mir alles reingezogen. Ganze Bibliotheken habe ich über das Dritte Reich und den Holocaust leergelesen. (Standardwerke, Romane, Studien, Dokumentationen usf.) Und das Grauen, das nackte Grauen das aus den Worten und Bildern stieg, ist mir durch und durchgegangen. Über jeder einzelnen der Zeilen lag/liegt der Gestank des Todes. Es heißt ja nicht umsonst, die Dosis macht das Gift. Meine Dosis Grauen war eindeutig zu hoch. Könnte man falsch verstehen. Ich wusste einfach nichts. Es wurden ja die falschen Generationen geschont. Ich kann nichts dafür das Österreich, zum Erholungsgebiet für Spione aller Art und Nationen wurde und Deutschland zum geopolitischen Spielball und plötzlich andere Interessen im Vordergrund standen und nicht dieses Grauen. Des Weiteren benötigte die Holocaust-Forschung auch Zeit um alle Winkel dieses brutalsten aller Menschenverbrechen entsprechend auszuleuchten. Der Holocaust ist ja der bestdokumentierte Genozid/Massenmord/Verbrechen der Menschheitsgeschichte. 1.Weltkrieg, Kriegsschuldartikel 231 des Versailer Vertrags, Demokratische Machtergreifung, Nürnberger Rassengesetze, Enteignung, Unternehmen Barbarossa, die Schlucht von Babij Jar, und all die anderen verfluchten Orte im Osten, Wahnseekonferenz, Deportation, Selektion, Vernichtung, System der KZs, das Muselmanentum, usw. Irgendetwas ist da in mir zerbrochen. Eine Art Grundvertrauen in die Welt ist weg und ich werde es wohl auch nicht mehr erfinden. Einerseits war mir dieses Grauen zu viel, ( es muss einem zu viel sein) anderseits konnte ich nicht davon lassen. Es war wie eine Sucht. Wie von Sinnen bin ich diesem Grauen hinterher gerannt, weil ich es unbedingt zu fassen bekommen wollte. Nur das geht nicht, denn schneller als man er wahrzuhaben will, wird aus dem Jäger ein Gejagter und das Grauen ist hinter dir her. Auf emotionaler Ebene bleibt dieses Grauen immer unerklärlich/fremd/bedrohlich. Der Holocaust lässt sich emotional nicht ganz begreifen. Immer wieder steht man diesem Grauen ohnmächtig gegenüber, wenn schon Anita Lasker-Wallfisch sagt, „Es war besser, als Verbrecher in Auschwitz anzukommen denn als unschuldiger Bürger“. Und in dieses Grauen mischte sich die Empörung wie sich meine Vorfahren, die eine Mitschuld an diesem Verbrechen trugen, eben dieses Grauen vom Leib hielten. Selber schuld sagten die. Wir haben dich nicht dazu gezwungen all diese Dinge zu tun. Wegen uns musst kein Buch lesen. Unsere Weltvertauen ist ungebrochen. Daraus entstand ein unglaublicher Verdruss und Weltekel. Und diese Weltekel wird auch nicht wirklich weniger, wenn Juden heute noch auf den Straßen dieses ach so humanen Europas ermordet werden. Nicht das ich mich für etwas Besonderes halte, aber für diese Menschheit schäme ich mich. (und ja ich weiß das des 20. Jahrhundert statistisch betrachtet, gar nicht mal so übel war) Der deutsche Soziologe Wolfgang Sofsky schrieb in seiner Studie Zeiten des Schreckens, Wollt man die Gewalt aus der welt schaffen, man müsste die Menschen ihrer Erfindungsgabe berauben". Ich habe gelesen, das sich ein 18 jähriges, deutsches Mädchen, oder junge Frau, persönlich bei einer Überlebenden des KZs Auschwitz entschuldigt hat. So schön und rührend diese Geste auch sein mag. Aber ein 1997 geb. Mensch sollten sich zu so einer Geste des Anstandes nicht mehr verpflichtet fühlen. Das hätte ganz andere Jahrgänge erledigen sollen. Und sich nicht mit den Worten "Sieg Heil" bei einer öffentlichen Lesung erschießen. (Der Willy zählt nicht. Obwohl seine Geste weltklasse war) Weil mir die junge Frau sehr imponiert, doch nicht nur deswegen, empfinde ich es auch als meine ganz eigene Menschen-Pflicht, mich bei den Überlebenden des Holocaust und deren Nachfahren zu entschuldigen.

Mein barbarisches Auschwitz Gedicht:

Rechts, rechts, links, rechts,
Rechts, links, rechts, rechts
Links, links, rechts, rechts,
Links, rechts, rechts, r……

Der Ulrichsberg, an dessen Hängen sich jahrzehntelang ganz offiziell ehemalige SS-Angehörige und Wehrmachtsoldaten trafen liegt ja auch in Kärnten, auf halber Strecke zwischen Klagenfurt und St.Veit an der Glan.

... comment

 
ich verneige mich.
nicht ohne ihnen in den arsch zu treten

... link  

 
Der Text gehört auch durchgestrichen, so wie du des machst. Durchstreichen und leserlich lassen.

... link  


... comment