Mittwoch, 25. Juni 2014
"Der Letzte aus dem Fight-Club macht die Tür hinter sich zu"
Vor ein paar Tagen rief mal wieder der Weiße an. Ein Freund aus den wilden Spätzwanzigern. Der Weiße, der Mille und ich hackelten/malochten damals in der Nachtschicht in einer Fabrik. A elendige scheiß Hackn wenn man mich fragt. Hirnlos, stupid, monoton, auf Dauer tödlich. Aber zu einer sinnvolleren und beruflich erfüllteren Tätigkeit, fehlte, uns, vor allem mir, ganz einfach die Qualifikation. Und einem wie mir zahlte der Staat keine Ein oder Herumschulung, in ein normal-niederschmetterndes 40 Stunden-Leben. Egal. Wenn ich Männer als Freunde oder Kumpels bezeichne rede ich sie gerne mit Nachnamen an. Der Mille und ich waren alte UNO-Veteranen und den Weißen lernten wir in der Fabrik kennen. Alle drei und doch jeder für sich, versteckten wir uns in den späten Zwanzigern hinterm König Alkohol. In den späten Zwanzigern hielt dieser König seine schützende Hand über uns und das war gut so. Der Trockenste von uns war ich. Der Weiße litt immer ziemlich darunter, dass er nicht besonders gut aussah. Die Haare gingen ihm auch aus. Kreisrunder Haarausfall und da war er noch keine dreißig. Weil der Weiße nicht blöd war wusste er ganz genau, dass er bei den Ladys nur dann wie eine Bombe einschlagen würde, wenn er einen auf Hamas oder ISIS für Einsteiger/Anfänger machen würde. Die Klugen von der Hamsas oder ISIS lassen sich natürlich keinen Bombengürtel umschnallen. Das ist das niederschmetternde an jeder Rebllion. Die Generäle sterben noch immer fett und glorreich in ihren Betten. Nur zu verständlich das dem Weißen, diese verwichste Gegenwart, die sich auf Richtung Zukunft machte, ziemlich zusetzte. Verunstaltet wie ich nun einmal bin, konnte ich ihn von dieser Last auch nicht befreien. Ganz im Gegenteil. Wenn der Weiße völlig zu Recht über diese/seine scheiß Welt klagte, meine war anders Scheiße, machte ich den Handrevolver, den ich mir mit den Worten, „Weißer schau“, in den Mund steckte oder an meine Schläfe hielt. A Hetz hatten wir natürlich auch. Unvergessen wie der Mille und ich bei einer meiner Umsiedlungen, mitten im Wiener Großstadtverkehr, fluchend hinter seiner Schrotkarre herliefen, weil der scheiß Goarn (Kärntnerisch für Schrottkiste) nicht mehr ansprang. Ein paar Jahre lang zogen wir um die Häuser und dann hörte ich Jahre nichts mehr von ihm, weil jeder von uns drei verzweifelt versuchte am Leben zu bleiben. Ist man in diesem Daseinstzustand angelangt wird man ganz auf sich zurückgeworfen. Die anderen gehen einem da nur noch auf die Nerven. Wir waren auch wirklich angeschlagen. Der Mille, a gescheiter und cooler Bursche, versuchte auch trocken zu werden und vor allem zu bleiben. Ich sattelte vom Schnaps auf Neuroleptika um. Und der Weiße? Vor ein oder zwei Jahren meldete sich er sich mal wieder bei mir. Zehn Jahre oder länger hatte ich nichts von ihm gehört. Er kam vorbei und ich freute mich aufrichtig ihn zu sehen. Dass seine Hände zitterten und die Augen rot und glasig waren, war mir ehrlich gesagt wurscht. Er war noch am Leben und das war alles was zählte. Nach dem Besuch hörte ich wieder längere Zeit nichts von ihm. Monate vergingen. Bis er letzte Woche mal wieder in der Leitung war. „Imperialist“, rief der Weiße angeheitert ins Telefon, „diese Wichser haben mich gerade von hinten bis vorne beschissen. Ich huck/sitz da in der stinkigen Wettbude und hab 5 Euro auf einen Gaul in Kempton gesetzt, und da war ein anderer Gaul, der ist quer zur Laufrichtung unterwegs gewesen und hat meinen Gaul gesperrt. 6:1 hab ich für den scheiß Klappergaul bekommen. Und was machen die Teesackel (Ausdruck für einen Bewohner der britischen Insel) von der scheiß Rennleitung. Werten das Rennen nach dem Einlauf. Des ist ja ein einziger Beschiss“. Und dann lachte er diese typische Weißer-Lachen, das ich nicht näher analysieren möchte, weil der Weiße mein Freund ist. Warum er in diesem Moment gerade mich anrief liegt wahrscheinlich daran, dass ich jahrelang mit dem Zocken meinen Lebensunterhalt bestritt und eine einfach zu merkende Festnetznummer hab. „Weißer“, fragte ich, „wie geht’s da/dir?“. „Ah jo wie soll es mir schon gehen. Seit 11 Jahren steh ich jeden Tage um 5 Uhr in der Früh auf und kriech in die scheiß Bude. Im letzten Winter hab ich mir den Meniskus eingerissen und bevor sie dich aufschneiden, nehmen sie dir ja Blut ab. Da ist der Orthopäde gekommen und hat zu mir gesagt, Herr Weiß, wenn sie weiter so saufen, dann sind`s spätestens in zehn oder fünfzehn Jahren hin (tot). Der Orthopäde sagte das zu mir“. Und dann lachte er wieder sein Lachen, weil zum Weinen hat der Weiße genauso viel Talent wie ich. „Weißer wos is (wie wäre es)“, sagte ich, „wenn einmal kurz mit dem Saufen aussetzt und einen Entzug machst. Musst ja nicht für immer aufhören, sondern nur vorübergehend, so dass die Leber wieder a bisserl abschwillt und zum Durchatmen kommt“. „A scheiß drauf. Ob ich noch zehn oder fünfzehn Jahre zu leben hab ist mir doch völlig blunzen. (egal) Mit dem Schnaps gehe ich a bisserl rücksichtsvoller um, aber aufhören werde ich nimmer“. „Weißer“, sagte ich, „du warst da schon immer radikaler und mutiger als ich“. Ich hätt des nicht gebracht. Ich kann denen nicht den Diener machen. Ich krieg das einfach nicht hin. Ich kann denen keine fettarme Wurst in den Sonnenuntergang hinein schneiden. Des bring ich einfach nicht. Mir wär in deiner Situation nur der schnelle Abschied geblieben. „Ja“, sagte der Weiße, „ich weiß“. Und dann lachten wir beide gegen die Stille/Leere/Angst an. „Vielleicht komm ich nächste Woche einmal bei dir vorbei“. „Jo Weißer mach des. Kannst ruhig an Sprit (Alkohol) mitbringen. Mir macht des nichts (mehr) aus. „Ja wenn dir des nichts ausmacht“. Ende des Telefonats.

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