Montag, 2. September 2013
Postkartenwetterstimmug
der imperialist, 21:12h
Auf der Fähre von Split nach Hvar war mein Hirn schon völlig im Arsch. An sich hätte ich schon in Split umdrehen und in den nächsten Zug Richtung Heimat steigen sollen. So schlimm wie die Halluzination in der Nacht zuvor waren. Nur so funktioniere ich nicht. Voreilige klein beigeben gehört nicht zu meinen Primärtugenden. Ich kann einiges wegstecken. Zum Spaß habe ich mal eine Wurzelbehandlung ohne Spritze durchgezogen. Ein höllisches Unterfangen. Mit hat es die Tränen vor Schmerz in die Augen getrieben und kurz wurde mir schwarz vor Augen. Blöd lachend bin ich von Stuhl gestiegen und der Zahnarzt hat nur den Kopf geschüttelt. Ist mein Hirn zu vielen Reizen ausgesetzt beginnt es zu rebellieren und produziert nur noch kleine Hasstiraden. Das Wetter war prächtig. Die kroatischen Inseln eine schöner wie die andere. Neben uns auf der riesigen Fähre stand ein junges deutsche Ehepaar mit ihren beiden kleinen Söhnen, wie aus einem Werbeplakat der CDU-CSU oder SPD. Worin sich das Familienbild der großen Volksparteien heute unterscheidet kann eh keiner mehr so genau sagen. Der globale Markt frisst eh jedes Familienbild. Die vier machten einen recht glücklichen, entspannten und zufriedenen Eindruck auf mich. Harmonisch ist vielleicht der richtige Ausdruck. Doch ich dachte mir nur: "Alter, schmeiß deine saublöden, auf Artigkeit getrimmten Nachwuchs doch endlich in die Fluten". Und deine frigide Alte, ein selten hässlichen Weib, solltest du auch gleich in der Adria versenken. Euer blödes, selbstzufriedenes Gegrinse hält doch niemand aus. Das ist doch abartig". Dann wollte ich kurz das ganze Boot sprengen. Alles sollte absaufen. Am besten gleich die ganze Welt, einfach absaufen. An solch abartige Gedanken habe ich mich mit den Jahren gewöhnt. Die Kunst ist es diese hässliche Welt, oder unangenehmen Gefühle einfach an sich vorüber ziehen zu lassen. Bei mir ziehen sie immer von links nach rechts. Schuldgefühle zu entwickeln sollte man tunlichst unterlassen. Die helfen überhaupt nicht weiter. Die treiben dich nur recht in den Wahnsinn. Ich stand nur da und lächelte die vier an. Neben mir an der Reling stand oder lehnte ein Mann. Anfang fünfzig, braun gebrannt, gut geschnittene Fresse, Desingnerbrille, das schüttere Haar nach hinten gekämmt. In der einen Hand hatte er eine fette Zigarre an der er kräftig saugte. An der linken Hand hing eine goldene Uhr. Ziemlich teures Ding, Ich hatte mich inzwischen einen älteren Ehepaar zugewandt die aus Österreich kamen. Ununterbrochen redete die Frau auf den Mann ein. Irgendetwas hatte ihren Zorn entfacht. Die Frau quasselte und quasselte und der Mann stand nur da. Stoisch, anteilnahmslos, beinahe abwesend. Was ist dachte ich wenn die beiden glücklich sind. Wenn das einfach die Dynamik ihrer Beziehung ist. Der Mann imponierte mir. Seine Gelassenheit. Ich hätte die alte Funzen schon längst im Scheißhaus ertränkt. Dem Typ mit der Zigarre sah man an das er sich in seiner Haut pudelwohl fühlte. Da ich ja wie ein Surflehrer aussehe hielt mich der Mann für die geeignete Person um ein bisschen Smalltalk zu veranstalten. Er sprach mich an. Und weil er es so haben wollte kamen wir ins Gespräch und es kristallisierte sich schnell heraus, das er gern über sich sprach. (was an sich schon in Ordnung geht) Ich konnte da natürlich nicht mithalten. Er war Engländer, sprach ausgezeichnet Deutsch und war für den europäischen Rat oder die EU im Kosova tätig. Die Einhaltung oder Gewährung der Menschenrechte war sein Gebiet. Selbstzufrieden zog er zwischendurch an seiner Zigarre. Ich weiß ja über das Stabilisierung und Assoziationsabkommen bescheid und stellte ein paar einigermaßen kluge Fragen, zur wirtschaftlichen Struktur des Kosovo, wie es mit der Korruption aussieht und wie es mit der serbischen Minderheit weitergeht. Bereitwillig gab er Mann Auskunft. Natürlich tat er so als ob er nicht alles erzählen könnte. Wir redeten und redeten und er erzählte, das er vor ein paar Jahren ein Haus auf Hvar gekauft hatte. Und jetzt war er auf dem Weg dorthin. Seine Frau war schon seit Juni im Haus und blablabla. Der Mann muss man sich als einen glücklichen Menschen vorstellen. Er gab mir dann noch ein paar Information zu Hvar und wo und wie usw. Wir redeten und redeten und taten klug und lässig und wir hätten auch noch weiter geplaudert. Nur ich wollte dann nicht mehr. Denn die ganze Zeit über hatte ich nur einen Gedanken "Fick dich".
... comment