Freitag, 30. Dezember 2011
Zum Warten muss man Zeit haben
der imperialist, 19:03h
Mit zwei Leibchen, aus der Kategorie "No Name, 5 Euro das Stück", seit bald dreißig Jahren trage ich nur solch erlesene Wäsche, stand ich an der Kasse und dachte ernsthaft darüber nach, ob der biblische Vorschlag, seinen Nächsten wie sich selbst zu lieben, einfach nur ironisch gemeint war. Vor mir hatte gerade eine Dame, jede Menge Wäsche in Bezahlung gegeben, die ausnahmslos preisreduziert war . Hinter mir hatte sich inzwischen ein alter Mann mit Gehstock eingereiht. Das Gesicht dieses Knaben war dermaßen von Runzeln und Falten in Beschlag genommen, das man bei seinem Anblick zwangsläufig an einen gefährlichen Ausschlag dachte, denn so alt wie dem sein Gesicht war, kann eine Haut normal nicht werden. Der Mann war grob geschätzt so alt wie "Juppie" Heesters 2003 im Sommer, während der großen Hitzewelle. Der selten hässlichen Angestellten, mit dem Button Textilabteilung auf der etwas nach unten gerutschten Brust, tat der alte Herr ganz offensichtlich leid. Schuld an so einer Haltung soll ja angeblich die Spiegelneuronen oder das Hormon Oxytocin sein, oder gar beide, in trauter Eintracht vereint. Vielleicht ist es aber so wie Westermarck behauptete, das die Moral keine Grundsätze braucht um erfolgreich zu wirken. Während sie diese komischen Diebstahlsicherungen von der Wäsche trennte, fragte sie mich ob ich diesen betagten Herren nicht vorlassen möchte. Auf mich machte der Alte nicht unbedingt den Eindruck das er gleich zusammenbrechen würde. Außerdem hatte er auch so einiges aufgeladen und weil davon so gut wie alles Preisreduziert war, dauerte das an der Kasse, warum auch immer länger. "Nein das möchte ich nicht unbedingt", antwortete ich , "denn ihr Aussehen ist ein tätlicher Angriff auf mein ästhetisches Empfinden". Den zweiten Teil meiner Antwort habe ich natürlich für mich behalten. Was kann denn diese nette Tante da dafür, dass die Natur so sorglos mit ihr umging. "Das ist aber nicht sehr nett von ihnen", belehrte mich die Tante mit dem Textilbutton. Weil sie so gemein zu mir war, stellte ich sie mir einen Augenblick lang nackt vor. Bis auf den Textilabteilungsbutton natürlich. Ich gestehe, ein wirklich schöner Anblick war das nicht. Picasso wäre fluchend in die nächste Stierarena abgehauen, um sich so vor seiner Verantwortung zu drücken. "Schaun`s", sagte ich zum" Button" im Tonfall eines honorigen Dozenten, "ich warte auf das Leben und der werte Herr hinter mir auf den Tod. Deswegen sind wir sozusagen Brüder im Geiste und in innerfamiliäre Angelegenheiten sollen sich Außenstehende nicht einmischen". Völlig verdutzt schaute mich die Muse Picassos an, während der Methusalem hinter mir grinste. Inzwischen bezahlte ich meine beiden Leibchen bei der Kollegin mit einem Zehner, was keine 30 Sekunden dauerte.
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