Sonntag, 23. Oktober 2011
230 PS und ein Grab voller Helden
createur badminton, 20:30h
In Gedenken an Marco Simoncelli der heute tödlich verunglückte.
Das ist es. Von der ersten Sekunde an wusste ich, dass es das ist. Motorradrennen. Es gibt nichts verrückteres, waghalsigeres und abgefahrenes, als ein Motorradrennen. Ein Helm, eine Lederkombi und 230 PS unterm Hintern, die andauernd ausbrechen wollen. Wirklich schnell Motorradfahrern ist eine Grenzerfahrung. Wirklich Weltklasse Motorradfahrer, das Talent ist natürlich die Grundvoraussetzung, sind eine ganz spezielle Mischung aus Risikobereitschaft, Feingefühl und Verstand. Zwischen diesen drei Eigenschaften gilt es die richtige Balance zu finden. Gehst du zu viel Risiko ein, stürzt du, bremst du zu spät oder zu früh, verlierst du Zeit und kannst du deine Maschine nicht entsprechend abstimmen oder bist du kein guter Taktiker auf der Strecke, kannst du noch so an den Kabeln ziehen, es klappt nicht mit dem Siegen. Nachdem ich das erste Rennen gesehen hatte, gewann ich folgenden Eindruck. Wer auf zwei Räder, binnen ein paar Sekunden, von 320 auf 70 herunter bremst und in Schräglage, mit dem Knie am Boden schleifend, das die Funken der Knieschoner nur so sprühen, um eine Ecke brettert, hat einfach nicht alle Tassen im Schrank. Das war mein Ding. Auf Motorradrennen wetten und vor der Glotze hocken. Das Risiko das die Fahrer eingingen, hatte sich schon nach kürzester Zeit auf meine Wetten übertragen. Ich wettete Kopf und Kragen. Mit feuchten Händen und vollen Hosen saß ich dann da und betete zu Fortuna und all den anderen Götter, an die ich nicht wirklich glaube, das diese Jungs, bei meiner Art des russischen Roulettes, dafür sorgten das kein Schuss fiel. Und wirklich diese Jungs , auf dem Feuerstühlen mit dem Benzin im Blut, haben mich nie im Stich gelassen, nie. Wenn nichts mehr in meinem Leben ging und ich Angst hatte, den Kitt aus den Fensterrahmen fressen zu müssen, irgendeiner dieser Jungs erbarmte sich meiner. Manchmal taten sie es auch, indem sie sich einfach nur alle Knochen brachen. Mike Doohan. 5 mal war er schon Weltmeister und noch immer hungrig und kaum zu schlagen. In Spanien, verletzte er sich an seinem eh schon gebrochen und nur schlecht zugeheilten Bein so schwer, das er seine Karriere beenden musste. Sein rechtes Bein, nur noch von Platten und Schrauben zusammen gehalten, sieht heute aus, wie das Ersatzteillager einer KFZ-Werkstätte. Ohne "Quick Mike" veränderten sich die Quoten und schon im dem einen Rennen, in dem es sich so schwer verletzte, kassierte ich groß ab. Das war das jämmerliche an meiner Leidenschaft, das ich vom Leid und Schmerz anderer, die für eine Sache alles gaben, profitierte. Es gibt keinen Motorradfahrer, ausnahmslos keinen, der sich in seiner Karriere nicht irgendwann einmal schwer verletzt. Manche müssen es dann ganz sein lassen. Ich hab Rennen gesehene, hunderte Seiten könnte ich jetzt vollschreiben, die warenganz großes Theater. "The Doktor" Valentino Rossi, "Mad Max" Biaggi und Loris Capirossi, vor gut 120 000 durch geknallten Tifosis, Rad an Rad, fuhren sie beim Großen Preis von Italien in Mugello, in die letzte Runde und nur einer kam durch. In diesem Fall war das Loris Capirossi. Der fuhr ein paar Saisonen zuvor, den Tetsuja Harada, der obendrein auch noch sein Teamkollege war, einfach so vom Bock, um Weltmeister der 250ccm Klasse zu werden. Der Schuhmacher hat das auch mal gemacht, nur bei den Motorräder sieht das noch wesentlich verrückter aus. Das waren Gladiatorenspiele vom allerfeinsten, da kann das alte Rom geschlossen einpacken. Dass der Tod, bei diesem Leckerbissen, für das gelangweilte Volk, ein stetiger Begleiter ist, ist jedem klar, der damit auch nur im entferntesten zu tun hat. Nur wie jeder einzelne der Fahrer damit umgeht, weiß ich nicht. Annehmen, ablehnen, verdrängen ich habe keine Ahnung wie die damit klar kommen. Wegen mir müssen sie nicht sterben. In meinem Ideal, fahren sie, stürzen sie, stehen wie wieder auf und fahren wieder weiter, immer weiter, mit 90 in die nächste Kurve, das die Knieschoner in Flammen aufgehen und der Motor wie eine gekränkte Geliebte losheult. Jahrelang lief alles ganz gut. Das Drehbuch bestand aus grandiosen Siegen, geschundenen Körper und zerstörte Karrieren. Und dazwischen versteckt, all die anderen Fahrer, über die man nur selten spricht, weil sie über den 9 Platz nie hinaus kommen und im Grunde nur die lebendige Kulisse für die Show der Stars und der allgegenwärtigen Werbemaschinerie sind. Irgendwer, den ich nicht kenne und nicht unbedingt kennenlernen möchte, schrieb 2003 das Drehbuch um. Da erwischte es Daijirō Katō. Superschneller und superkleiner Japaner. Überlegener 250 ccm Weltmeister. Mit 190 Sachen krachte er in Suzuka in eine Mauer. Die gehörte da einfach nicht hin. Er hinterließ eine Frau und zwei kleine Kinder. Im Sport muss immer wer sterben, damit sich an den Sicherheitsvorkehrungen was ändert. Heute wird die Motorrad WM nicht mehr in Suzuka sondern in Motegi gefahren. Meinen absoluten Lieblingsfahrer erwischte es 2007. "Norik", Norifumi Abe. Der Kerl war eine Sensation. Den Arsch voll Talent aber eigentlich nicht in der Lage sein Motorrad perfekt abzustimmen. Den in ein Werkteam zu stecken machte nicht viel Sinn, weil er aus den sich bietenden Möglichkeiten nichts das Maximum heraus holen konnte. Aber wehe, dieser Mann hatte seinen Tag. In Suzuka fuhr er einmal Kreise um die Elite. 2007 verunglückt er nach der Karriere bei einem Verkehrsunfall mit seinem Motorrad tödlich. Ein scheiß LKW hatte einfach so auf der Straße gewendet. Voriges Jahr starb Shoya Tomizawa. Über den weiß ich nicht viel. Ich saß vor der Glotze und sah wie er beim Grand Prix von San Marino, bei hoher Geschwindigkeit, nach einer Kurve wegrutschte, ein an sich harmloser Sturz, aber von den nach ihm kommenden Fahrer, die keine Chance mehr hatten auszuweichen, einfach überfahren wurde. Vor mir am Bildschirm ein lebloser Körper. Jeder der genau hinsah wusste sofort das es ihn ganz schwer erwischt hatte. So etwas sieht und spürt man. Der Körper wird einfach hin und her geschleudert. Als ob da niemand mehr drinn steckt. Wenn man stürzt gibt es Reflexe und Abwehrmechanismen. Vor vielen Jahren kam die österreichische Skirennläufer Ulrike Maier, bei einem Weltcup Ski-Rennen in Garmisch Partenkirchen, ums Leben. Die prallte gegen einen Holzblock der neben der Strecke stand. Wer das damals gesehen hat, weiß wie das aussieht wenn ein Mensch stirbt. Heute starb der ehemalige 250 ccm Weltmeister Marco Simoncelli, bei einem Rennunfall in Sepang. Der Junge war einer der aggressivsten und verrücktesten Fahrer, die es je in die Weltspitze des Motorradsports geschafft hatten. Ein großgewachsener, schlaksiger, Wuschelkopf. Die postmoderne Ausgabe des Struwwelpeters. So etwas wie Angst auf der Strecke kannte der nicht. Der überholte auch an den unmöglichsten Stellen und eine Zeitlang auch ohne Rücksicht auf Verluste. In dem Jahr als er 250ccm Weltmeister wurde, gab es da ein paar Rennen, mit atemraubenden zwei und drei Kämpfen zwischen ihn und den Spaniern, Hektor Barbera und Alvaro Bautista. Da hatte ich auch die Hosen voll weil man sehen konnte, das die drei mit dem Messer zwischen den Zähnen fuhren. Das war reines Testosteron, total irre was die drei da aufführten. Aber alles ging gut und der Struwwelpeter machte auch in der Königsklasse der MotoGP genau so weiter. Der wollte den großen Stars wie Rossi, Stoner, Lorenzo und Pedrosa einfach zeigen wo der Bartl den Most herholt. Ein Rebell vom Scheitel bis zu Sohle mit 230 PS unterm Arsch die immer ausbrechen wollen. Man fragte sich immer wie lange das noch gut gehen wird. Der Sinneswandel wurde ihm dann mehr oder minder befohlen. Nachdem er seinen Markenkollegen und Werksfahrer, Dani Pedroso, in typische Simoncelli Manier aus dem Sattel geholt hatte, und der sich deswegen wieder einmal das Schlüsselbein brach, haben in die Chefs von Honda höchstwahrscheinlich das Messer an die Kehle gesetzt und mit dem Rausschmiss gedroht. Seit dem Vorfall fuhr er vorbildlich. Nicht langsamer aber weniger aggressiv. Wie es aussah müssen manche zu ihrer Balance gezwungen werden. Er war auf dem richtigen Weg, Nicht das er vorher völlig falsch lag. Nur jetzt ist er trotzdem tot. Überfahren, nach einem harmlosen Sturz, mit gar nicht mal so hoher Geschwindigkeit. Der Edwards erwischte in voll und sogar sein großes Idol aus der Jugendzeit Valentino Rossi, konnte nicht mehr abbremsen. Der Hem flog über die Piste. Und auf der Strecke lag dann sein sterbender Körper. Für die Regie war das noch nicht genug an Dramatik. Die blendeten auch noch seine Freundin ein. Der war auch anzusehen, das sie instinktiv spürte was sich da auf der Rennstrecke zugetragen hatte. Ich hab das Leben, was für ein freudscher Versprecher, das Rennen nicht live gesehen. Ich muss schlafen so lange es geht, sonst komme ich nicht über den Tag. Aufgenommen habe ich das Rennen und gleich wieder gelöscht. Natürlich hatte ich gewettet. Heute gab es auch noch in der Türkei ein Erdbeben mit vielen Toten und in Tunesien fanden demokratische Wahlen statt. Aber das ist eine andere Geschichte. Ich weiß, der Zirkus wird weiter gehen und ein paar tote Motorradfahrer sind gut für das Geschäft. Nur Marco du wirst fehlen. Dein Platz in der Staraufstellung mit der Nummer 58 wird für immer frei bleiben.
Wie schrieb die große Ingeborg Bachmann:
Bald musst du den Schuh schnüren
und die Hunde zurückjagen in die Marschhöfe.
Denn die Eingeweide der Fische
sind kalt geworden im Wind.
Ärmlich brennt das Licht der Lupinen.
Dein Blick spurt im Nebel:
die auf Widerruf gestundete Zeit
Das ist es. Von der ersten Sekunde an wusste ich, dass es das ist. Motorradrennen. Es gibt nichts verrückteres, waghalsigeres und abgefahrenes, als ein Motorradrennen. Ein Helm, eine Lederkombi und 230 PS unterm Hintern, die andauernd ausbrechen wollen. Wirklich schnell Motorradfahrern ist eine Grenzerfahrung. Wirklich Weltklasse Motorradfahrer, das Talent ist natürlich die Grundvoraussetzung, sind eine ganz spezielle Mischung aus Risikobereitschaft, Feingefühl und Verstand. Zwischen diesen drei Eigenschaften gilt es die richtige Balance zu finden. Gehst du zu viel Risiko ein, stürzt du, bremst du zu spät oder zu früh, verlierst du Zeit und kannst du deine Maschine nicht entsprechend abstimmen oder bist du kein guter Taktiker auf der Strecke, kannst du noch so an den Kabeln ziehen, es klappt nicht mit dem Siegen. Nachdem ich das erste Rennen gesehen hatte, gewann ich folgenden Eindruck. Wer auf zwei Räder, binnen ein paar Sekunden, von 320 auf 70 herunter bremst und in Schräglage, mit dem Knie am Boden schleifend, das die Funken der Knieschoner nur so sprühen, um eine Ecke brettert, hat einfach nicht alle Tassen im Schrank. Das war mein Ding. Auf Motorradrennen wetten und vor der Glotze hocken. Das Risiko das die Fahrer eingingen, hatte sich schon nach kürzester Zeit auf meine Wetten übertragen. Ich wettete Kopf und Kragen. Mit feuchten Händen und vollen Hosen saß ich dann da und betete zu Fortuna und all den anderen Götter, an die ich nicht wirklich glaube, das diese Jungs, bei meiner Art des russischen Roulettes, dafür sorgten das kein Schuss fiel. Und wirklich diese Jungs , auf dem Feuerstühlen mit dem Benzin im Blut, haben mich nie im Stich gelassen, nie. Wenn nichts mehr in meinem Leben ging und ich Angst hatte, den Kitt aus den Fensterrahmen fressen zu müssen, irgendeiner dieser Jungs erbarmte sich meiner. Manchmal taten sie es auch, indem sie sich einfach nur alle Knochen brachen. Mike Doohan. 5 mal war er schon Weltmeister und noch immer hungrig und kaum zu schlagen. In Spanien, verletzte er sich an seinem eh schon gebrochen und nur schlecht zugeheilten Bein so schwer, das er seine Karriere beenden musste. Sein rechtes Bein, nur noch von Platten und Schrauben zusammen gehalten, sieht heute aus, wie das Ersatzteillager einer KFZ-Werkstätte. Ohne "Quick Mike" veränderten sich die Quoten und schon im dem einen Rennen, in dem es sich so schwer verletzte, kassierte ich groß ab. Das war das jämmerliche an meiner Leidenschaft, das ich vom Leid und Schmerz anderer, die für eine Sache alles gaben, profitierte. Es gibt keinen Motorradfahrer, ausnahmslos keinen, der sich in seiner Karriere nicht irgendwann einmal schwer verletzt. Manche müssen es dann ganz sein lassen. Ich hab Rennen gesehene, hunderte Seiten könnte ich jetzt vollschreiben, die warenganz großes Theater. "The Doktor" Valentino Rossi, "Mad Max" Biaggi und Loris Capirossi, vor gut 120 000 durch geknallten Tifosis, Rad an Rad, fuhren sie beim Großen Preis von Italien in Mugello, in die letzte Runde und nur einer kam durch. In diesem Fall war das Loris Capirossi. Der fuhr ein paar Saisonen zuvor, den Tetsuja Harada, der obendrein auch noch sein Teamkollege war, einfach so vom Bock, um Weltmeister der 250ccm Klasse zu werden. Der Schuhmacher hat das auch mal gemacht, nur bei den Motorräder sieht das noch wesentlich verrückter aus. Das waren Gladiatorenspiele vom allerfeinsten, da kann das alte Rom geschlossen einpacken. Dass der Tod, bei diesem Leckerbissen, für das gelangweilte Volk, ein stetiger Begleiter ist, ist jedem klar, der damit auch nur im entferntesten zu tun hat. Nur wie jeder einzelne der Fahrer damit umgeht, weiß ich nicht. Annehmen, ablehnen, verdrängen ich habe keine Ahnung wie die damit klar kommen. Wegen mir müssen sie nicht sterben. In meinem Ideal, fahren sie, stürzen sie, stehen wie wieder auf und fahren wieder weiter, immer weiter, mit 90 in die nächste Kurve, das die Knieschoner in Flammen aufgehen und der Motor wie eine gekränkte Geliebte losheult. Jahrelang lief alles ganz gut. Das Drehbuch bestand aus grandiosen Siegen, geschundenen Körper und zerstörte Karrieren. Und dazwischen versteckt, all die anderen Fahrer, über die man nur selten spricht, weil sie über den 9 Platz nie hinaus kommen und im Grunde nur die lebendige Kulisse für die Show der Stars und der allgegenwärtigen Werbemaschinerie sind. Irgendwer, den ich nicht kenne und nicht unbedingt kennenlernen möchte, schrieb 2003 das Drehbuch um. Da erwischte es Daijirō Katō. Superschneller und superkleiner Japaner. Überlegener 250 ccm Weltmeister. Mit 190 Sachen krachte er in Suzuka in eine Mauer. Die gehörte da einfach nicht hin. Er hinterließ eine Frau und zwei kleine Kinder. Im Sport muss immer wer sterben, damit sich an den Sicherheitsvorkehrungen was ändert. Heute wird die Motorrad WM nicht mehr in Suzuka sondern in Motegi gefahren. Meinen absoluten Lieblingsfahrer erwischte es 2007. "Norik", Norifumi Abe. Der Kerl war eine Sensation. Den Arsch voll Talent aber eigentlich nicht in der Lage sein Motorrad perfekt abzustimmen. Den in ein Werkteam zu stecken machte nicht viel Sinn, weil er aus den sich bietenden Möglichkeiten nichts das Maximum heraus holen konnte. Aber wehe, dieser Mann hatte seinen Tag. In Suzuka fuhr er einmal Kreise um die Elite. 2007 verunglückt er nach der Karriere bei einem Verkehrsunfall mit seinem Motorrad tödlich. Ein scheiß LKW hatte einfach so auf der Straße gewendet. Voriges Jahr starb Shoya Tomizawa. Über den weiß ich nicht viel. Ich saß vor der Glotze und sah wie er beim Grand Prix von San Marino, bei hoher Geschwindigkeit, nach einer Kurve wegrutschte, ein an sich harmloser Sturz, aber von den nach ihm kommenden Fahrer, die keine Chance mehr hatten auszuweichen, einfach überfahren wurde. Vor mir am Bildschirm ein lebloser Körper. Jeder der genau hinsah wusste sofort das es ihn ganz schwer erwischt hatte. So etwas sieht und spürt man. Der Körper wird einfach hin und her geschleudert. Als ob da niemand mehr drinn steckt. Wenn man stürzt gibt es Reflexe und Abwehrmechanismen. Vor vielen Jahren kam die österreichische Skirennläufer Ulrike Maier, bei einem Weltcup Ski-Rennen in Garmisch Partenkirchen, ums Leben. Die prallte gegen einen Holzblock der neben der Strecke stand. Wer das damals gesehen hat, weiß wie das aussieht wenn ein Mensch stirbt. Heute starb der ehemalige 250 ccm Weltmeister Marco Simoncelli, bei einem Rennunfall in Sepang. Der Junge war einer der aggressivsten und verrücktesten Fahrer, die es je in die Weltspitze des Motorradsports geschafft hatten. Ein großgewachsener, schlaksiger, Wuschelkopf. Die postmoderne Ausgabe des Struwwelpeters. So etwas wie Angst auf der Strecke kannte der nicht. Der überholte auch an den unmöglichsten Stellen und eine Zeitlang auch ohne Rücksicht auf Verluste. In dem Jahr als er 250ccm Weltmeister wurde, gab es da ein paar Rennen, mit atemraubenden zwei und drei Kämpfen zwischen ihn und den Spaniern, Hektor Barbera und Alvaro Bautista. Da hatte ich auch die Hosen voll weil man sehen konnte, das die drei mit dem Messer zwischen den Zähnen fuhren. Das war reines Testosteron, total irre was die drei da aufführten. Aber alles ging gut und der Struwwelpeter machte auch in der Königsklasse der MotoGP genau so weiter. Der wollte den großen Stars wie Rossi, Stoner, Lorenzo und Pedrosa einfach zeigen wo der Bartl den Most herholt. Ein Rebell vom Scheitel bis zu Sohle mit 230 PS unterm Arsch die immer ausbrechen wollen. Man fragte sich immer wie lange das noch gut gehen wird. Der Sinneswandel wurde ihm dann mehr oder minder befohlen. Nachdem er seinen Markenkollegen und Werksfahrer, Dani Pedroso, in typische Simoncelli Manier aus dem Sattel geholt hatte, und der sich deswegen wieder einmal das Schlüsselbein brach, haben in die Chefs von Honda höchstwahrscheinlich das Messer an die Kehle gesetzt und mit dem Rausschmiss gedroht. Seit dem Vorfall fuhr er vorbildlich. Nicht langsamer aber weniger aggressiv. Wie es aussah müssen manche zu ihrer Balance gezwungen werden. Er war auf dem richtigen Weg, Nicht das er vorher völlig falsch lag. Nur jetzt ist er trotzdem tot. Überfahren, nach einem harmlosen Sturz, mit gar nicht mal so hoher Geschwindigkeit. Der Edwards erwischte in voll und sogar sein großes Idol aus der Jugendzeit Valentino Rossi, konnte nicht mehr abbremsen. Der Hem flog über die Piste. Und auf der Strecke lag dann sein sterbender Körper. Für die Regie war das noch nicht genug an Dramatik. Die blendeten auch noch seine Freundin ein. Der war auch anzusehen, das sie instinktiv spürte was sich da auf der Rennstrecke zugetragen hatte. Ich hab das Leben, was für ein freudscher Versprecher, das Rennen nicht live gesehen. Ich muss schlafen so lange es geht, sonst komme ich nicht über den Tag. Aufgenommen habe ich das Rennen und gleich wieder gelöscht. Natürlich hatte ich gewettet. Heute gab es auch noch in der Türkei ein Erdbeben mit vielen Toten und in Tunesien fanden demokratische Wahlen statt. Aber das ist eine andere Geschichte. Ich weiß, der Zirkus wird weiter gehen und ein paar tote Motorradfahrer sind gut für das Geschäft. Nur Marco du wirst fehlen. Dein Platz in der Staraufstellung mit der Nummer 58 wird für immer frei bleiben.
Wie schrieb die große Ingeborg Bachmann:
Bald musst du den Schuh schnüren
und die Hunde zurückjagen in die Marschhöfe.
Denn die Eingeweide der Fische
sind kalt geworden im Wind.
Ärmlich brennt das Licht der Lupinen.
Dein Blick spurt im Nebel:
die auf Widerruf gestundete Zeit
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