Dienstag, 6. Mai 2014
Eine kläffende Seele
Recht tief in möglichen Weltzusammenhängen versunken, die sich andauernd ineinanderschieben wie überschüssige Hautlappen, saß ich auf der Donauinsel, auf meinem weltberühmten Klappstuhl. Thomas Piketty Werk „Das Kapital im 21. Jahrhundert“, soll ja in der Welt der Weltzusammenhang-Menschen wie eine Torte eingeschlagen haben, die man jemanden ins Gesicht knallt/drückt, weil man diese Person für einen schamlosen oder gierigen Weltzusammenhang-Profiteur hält. Die Hauptaussage dieses Buches soll ja sein, das die Rendite des Kapitals die Wachstumsrate der Wirtschaft schlägt. Logisch das dann die dünn besiedelte Kaste der Kapitaleigner immer a bisserl vermögender werden, als jener recht Große Masse von Menschen, deren ihr ganzes Kapital über das sie verfügen, nur die eingesetzte Arbeitskraft/Wissen ist. In einem Interview mit dem Spiegel gab mir der werte Professor Piketty zu verstehen, das die hohen Wachstumsraten in Europa der Nachkriegszeit, die in den späten Siebzigern zu Ende gingen, lediglich dem Nachholbedarf zu verdanken waren, den die Kriegsfolgen geschaffen hatten. Danach brach das Wirtschaftswachstum wieder ein und pendelte sich so bei 1 bis 1,5% ein, (über einen längeren Zeitraum gerechnet) während die Kapitalrendite zwischen 4 bis 5 % betrug und beträgt. Während ich mir gerade die Überschrift "was wir dem Adolf Hitler und seinem Holocaust alles so zu verdanken haben" ausmalte, kam ein Hund auf mich zugerannt. Sehr schlank, kurzes, grau-braunes Fell, mittelgroß, irgendein Mischling, A bisserl sah der Köter wie ein Hirtenhund aus. In Rassenfragen bin ich ja nicht besonders bewandert oder beschlagen. Ich kann höchstens so einen Paris-Hilton Gedenkkläffer von einem Collie, oder einen Westeuropäer von einem Asiaten unterscheiden. Bei einem Asiaten mit einem P-H Gedenkkläffer bekomm ich schon ernsthafte Zuordnungsprobleme, woraufhin ich einfach sage: Also da war einer/eine mit an (einen) Hund. Dieser Hirtenaufseher kam schnurstracks auf mich zu und setzte sich einfach neben mich. Aber gleich ziemlich eng, so als ob ich sein Herrchen wäre. Der Hund schaute mich an, ich schaute den Hund an und dann streichelte ich ihn und dann saßen wir da halt eine Zeitlang, während ich mir natürlich die Frage stellte, in welchen Weltzusammenhängen dieser Hund wohl dring steckt. Ein Halsband hatte her. Da kam ein Mann, Mitte-Ende Zwanzig, mit einem anderen Hund an der Leine. „Ah da ist er ja der Streuner. Der haut immer ab wenn er Futter bekommen hat, das versteckt er dann“. Aha dachte ich mir, der Hund ist a bisserl verhaltensoriginell. „Was ist mit dem Hund?“. „Der war mal ein verwilderter Straßenhund. Seine derzeitige Besitzerin kümmert sich nicht so recht um ihn und ich gehe ab und zu mit ihm spazieren“. „Ah sehr schön verwildert. Der hat sich sicher so seine neuronalen Eigenwilligkeiten wie ein vernachlässigtes Kind“. Ganz wusste der Mann nicht auf was ich da hinaus wollte und wie sollte er auch. Wir praktizierten ein wenig Mensch-Hund-Mensch Small Talk. Der Mann nahm den Hund, der noch immer neben mir saß, an die Leine und ging weiter. In den Jahren um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert waren die Privatvermögen in Europa sechs- bis siebenmal so groß wie das jährliche Nationaleinkommen. Heute sind sie vier- bis sechsmal so hoch. Plötzlich kam der einst verwilderte Straßenhund wieder auf mich zugelaufen und setzte sich genau wieder so hin wie vorher. Mir fiel nichts Besseres als ihn wieder zu streicheln. Der kannte keine Scheu. Da bildete ich mir doch glatt ein, dass mich dieser ehemalige Straßenhund einfach durchschaut hatte. Der wusste einfach wer ich war und vor allem wie ich tickte. Da versuche ich mich jahrelang meinen Mitmenschen auf irgendeine Art zu erklären oder mitzuteilen und nichts Befriedigendes schaut dabei heraus und dann kommt dieser halbverwilderte Hund und ich mich beschleicht das komische Gefühl, das der so ziemlich alles versteht, woum es in meinem Leben geht. Mir war diese Vertrautheit die dieser Hund ausstrahlte beinahe ein wenig peinlich. Doch wie besagt ein bis auf die Knochen abgekautes Sprichwort: „Gleich und Gleich gesellt sich recht gern“. Gestern sah ich in der Glotze die Disney Doku „Schimpansen“. Dieser Film soll angeblich eine ziemlich Happy-End-Verarsche sein. Wurscht. Da war ein kleiner Affe, Oscar hieß der, der hatte angeblich keine Mama mehr, die hatte der Dschungel gefressen und anstatt wie seine Mamma auch von Wildnis verspeist zu werden, nimmt sich ein Alpha-Männchen ein Herz und kümmert sich um den kleinen Oscar. Der ist ja an sich sehr blöd, wie ein ganz kleiner Mensch. Lernen kann der Oscar nur durch Nachahmung. Sehr rührend der Film. Der Hund und ich saßen also so da und taten so als wir in ein und demselben Weltzusammenhang lebten. Für einen Moment zumindest. Gott sei Dank hab ich einen alten Kater an der Backe. Ansonsten hätte ich den Hund doch glatt adoptiert, wo doch er auf mich zukam und nicht anders rum. Irgendwann kam dann wieder der Mann mit der Leine. Kopfschüttelnd nahm er den Hund an Selbige und ging seines Wegs. Ich sah ihnen dann noch hinterher. Schön ordentlich an der Leine gehen sagte dem Donauinsel-Oscar überhaupt nicht zu. Andauernd zuckt er zusammen und immer zog es ihn vom Leinendasein weg. Die nächste große Krise soll ja laut Piketty eher eine politische und keine ökonomische werden, weil ein großer Haufen Habennichtse, in ihrer Begehren ziemlich unberechenbar sein kann. Die suchen dann an den eigentümlichsten Orten, nach Fressen, Zukunft und Genugtuung. Meistens werden sie auch fündig. Und dann drohen eine zeitlang wieder außergwöhnlich hohe Wachtumsraten.

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