Freitag, 13. April 2012
Männersache
12 Jahre hatte meine beste Freundin, die Christine, ihren Stiefvater weder gesehen noch getroffen. Jetzt stand er am Parkplatz vor ihrem Wohnsilo und steckte sich eine Zigarette nach der anderen an. Ihre Mutter war zu Besuch und hatte ihren Stiefvater mit den sie schon seit Jahren nicht mehr zusammen unter einem Dach lebt einfach mitgenommen, weil der mit seinen 75 Jahren, allein nirgendwohin mehr kommt. Möglicher Beginn diese kurze Geschichte.

Variante zwei:
Der Stiefvater, meiner besten Freundin der Christine, muss ein jämmerlicher Landschaftspfleger gewesen sein. Das Feuchtgebiet zwischen den Beinen ihrer Mutter war dermaßen ausgetrocknet, das die Frauenärztin Probleme hatte einen Abstrich zu nehmen. Beweisen lässt sich diese Anschuldigung natürlich nur schwer. Immerhin leben die beiden schon seit Jahren getrennt und ich kenne die beiden nur aus Erzählungen. Scheiden lassen wollte er sich auf gar keinen Fall. Der Stiefvater, soll laut den Erzählungen von der Christine, ein selten geiziger Mensch sein, der auf seiner Kohle hockt wie eine Glücke über ihrem Ei. In der Zeit, in der er noch die Funktion eines Stiefvaters bekleidete , soll er nicht einen müden Groschen für seine Stiefkinder herausgerückt haben. Wenn die, stolze vier an der Zahl, Kleidung, Schulsachen oder sonst etwas benötigten, das sich mit Geld leicht herbei schaffen ließe, musste immer die Mutter ihre schmale Brieftasche öffnen. Sogar seine Lebensmittel hatte er wie ein leibhafter König mit einem Siegel versehen. Und wehe da fehlte auch nur ein Krümel Brot oder ein Stück von der fetten Dauerwurst. Dann gab es die Hucke voll. 12 Jahre hatte die Christine, ihren Stiefvater weder gesehen noch getroffen oder war ihn sonst ganz zufällig über den Weg gelaufen. Jetzt stand dieser krankhaft geizige und herzlose Mann plötzlich unter ihren Fenster am Parkplatz und rauchte einen nach der anderen. Ihre Mutter war kurz zu Besuch und hatte ihn mitgenommen. Als die Christine ihren Stiefvater rauchend am Parkplatz stehen sah, fragte sie ihre Mutter ziemlich eingeschüchtert ob sie ihn herauf bitten sollte. "Nein, auf gar keinen Fall", antwortete die Mutter beinahe schon erbost, "der stinkt von oben bis unten nach Pisse. Diesen Gestank bekommst nur noch schwer aus den Möbeln heraus". Bei einer schnellen Tasse Kaffee begann die Mutter kurz zu erzählen. Bis zu 16 verschieden Tabletten muss er jetzt täglich nehmen. Seine Wohnung sei völlig versieft, die Toilette von oben bis unten zugeschissen. Waschen tut er sich auch nicht mehr regelmäßig und die Wäsche wechselt er auch nur noch alle heiligen Zeiten einmal. Den ganzen Tag sitzt er nur noch da raucht wie ein Schlot und starrt in die Glotze. Überall in der Wohnung sollen ausgedrückte Zigarettenstummel herum liegen und das Bettlacken hat die Farben eine Butterblume. Früher, hat mir die Christine einmal erzählt, soll ihr Stiefvater immer einen auf strammer Heinrich gemacht haben. Im Wirtshaus hat er immer über alle gelacht und gelästert, die am Monatsende weniger als er am Lohnzettel stehen hatten. Im Lager war er so eine Art Vorarbeiter und Lokale wo schon das Ambiente, auf ein Publikum mit anderen Lohnvorstellungen hinweist, besuchte er nicht. Er ging immer nur in seine zwei, drei Stammkneipen. Dort spottete er über Leute die nichts Rechtes auf die Reihe kriegten. Die bezeichnete er vornehmlich nur als elendiges Gesindel oder widerwärtiges Geschmeiß. Ständig hetzte er gegen Ausländer und Juden. Unterm Hitler, hätte es seiner fachkundigen Einschätzung nach, so etwas wie heute nicht gegeben. Ein nettes oder wenigstens halbwegs freundliches Wort kam ihm nie über die Lippen. Zu seinen eigenen Kindern hatte er keinen Kontakt, weil die alle ja nur an sein Geld wollten. Diesen Mann, der auf dem Papier ja noch ihr Ehemann war, nahm die Mutter von der Christine einmal zum Schwammerl klauben mit, weil er allein sonst nirgendwo mehr hin kommt. Im Wald wollte er dann nicht mehr mitgehen. Rauchend und wie angewurzelt soll er dagestanden sein. Gut zureden wolle ihn niemand. Deshalb ließen sie ihn einfach beim Auto zurück. Dort stand er dann und auf einmal machte es rums und er hatte sich von oben bis unten angeschissen. Die Unterhose entsorgte er im Wald. Trotz herunter gelassenen Seitenscheiben stank es auf der Heimfahrt im Wagen fürchterlich. Alle hielten sich die Nase oder schimpften," du alter Trottel das ist ja kaum auszuhalten, du stinkst ja wie eine offene Jauchengrube, was bist den du für eine Sau". Vor seiner Haustür luden sie ihn ab. Ein paar Tage später, erzählte die Mutter, hatte er noch immer die selbe Hose an. Der Gestank in der Wohung war dementsprechend. Die Christine wollte das nicht glauben. Dieser Kerl da unten am Parkplatz, der in ihrer Erinnerung überlebensgroß erschien und vor dem sie jahrelang die Hosen voll hatte, soll heute nur noch ein alter Tattergreis sein, denn schon ein leiser Windhauch umhaut? Ihre Erinnerung spielte ihr einen Streich. Vielleicht waren es Rachegelüste oder einfach nur Neugierde um sich dieses weltweit bekannte Phänomen des Verfalls, aus nähester Nähe anzusehen . Zügigen Schritts lief sie hinunter auf den Parkplatz. Am Telefon erzählte sie mir mit hörbarer Genugtuung , das ihre Mutter völlig recht hatte. "So wie der beieinander ist", erzählte die Christine, "verpestet der dir die ganze Wohung, Denn kannst du nirgends mehr rein lassen".

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