Freitag, 14. Oktober 2011
Wenn die guten Geister für immer gehen
Er war ein Kleiderschrank von einem Kerl mit wettergegerbten Gesicht
und Händen groß wie Pranken.
Valentin genannt „Volte“ der Tunnelwart vom Loibl.
Er war das Licht dieser Röhre. Dieser Tunnel war sein Kind.
Ohne dem Volte kann ich mir den Loibltunnel nicht denken.
Nur der Volte war in der Lage mit den Toten aus dem KZ, die den Tunnel erbauten, zu sprechen.
Nur er konnte in dieser toten Röhre unbeschadet wandeln.
Ausnahmslos nur der Volte konnte mit all den Leichen in aller Ruhe eine filterlose A 3 rauchen und ihnen erzählen, das neue Tage ins Land gezogen sind und es denn Mördern wieder blendend geht.
Nur der Volte hatte diese gütigen Augen, die mich als Kind immer anlächelten und nie bei Seite schoben.
Einmal bin ich ihm als Kind beim überqueren der Straße beinahe in sein Motorrad gerannt.
Ist noch einmal gutgegangen. Den Männer wie der Volte haben einen Schutzengel. Auch wenn sie nicht daran glauben.
Wie ein Geist verschwand er Tag für Tag im ausgehöhlten Bauch des Berges, wo im Sommer, die Luft dermaßen nach Abgasen stank, dass besorgte Mütter die Autoscheiben schon nach ein paar Metern hurtig nach oben kurbelten, weil sie Angst hatten zu ersticken.
Dem Volte hat das nichts ausgemacht.
Am späten Nachmittag, wenn der Hardy und ich, gleich neben dem Tunnel Fußball spielten, spuckte ihn der Berg wieder aus.
Plötzlich stand er neben uns, eine Zigarette im Mundwinkel, die Schaufel geschultert und lächelnd. Das Rauchen hat er dann irgendwann doch noch sein gelassen.
Er war ein Mann der Berge.
Ein wortkarger Haudegen der dort oben, zwischen der Selenica, der Märchenwiese und der Vertatscha jeden Stein kannte. Ein windisches Urgestein im allein sein geübt und obendrein ein feiner Mensch wie man bei uns zu sagen pflegte.
Der Volte war ein feiner Mensch. Der hielt nichts von spießbürgerlichen Ansichten und kleinkarierten Gedanken.
Das Wort Schaufensterbummel kannte der nicht.
Nur so ein harter Knochen wie er konnte die hässlichen und saukalten Winter im Tunnel aushalten.
"Volte die heutigen Sesselfuzzis und Dauerläufer, ich halt sie nicht aus".
"Wird schon", hätte der Volt geantwortet, "wird schon".
Gestern schrieb mir mein Vater, das sie dem „Volte“, letzte Woche in Windisch Bleiberg die letzte Ehre erwiesen haben.
Ich bin hier in Wien Volte. Mehr als diese Worte kann ich dir auf deiner letzten Reise nicht mitgeben,
2002 führte der ÖAMTC einen großen Tunneltest durch. 30 Tunnel wurden getestet.
Der Loibltunnel erhielt das Prädikat „schwarzes Loch im Berg“.
Wen wundert’s.

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Nur noch eine Manfred Geschichte
Zu jener Zeit, als sich dieses epochale Ereignis zutrug, ging es dem Manfred gesundheitlich noch recht gut. Seine Beine waren noch nicht so dick angeschwollen, der Rotlauf war auch einigermaßen unter Kontrolle und die Hepatitis C, mein Gott die Hepatitis C. Wie die Sonnenblumen in einem Van Gogh Gemälde sah er noch nichts aus. Der Manfred jobbte damals in der Videothek gleich bei mir um die Ecke. Wenn mir der Irrsinn schon den Morgen vergällte und die Paranoia aus mir eine Marionette machte, schaute ich schon am frühen Vormittag beim Manfred in der Videothek vorbei. Vormittag war nicht viel los und man konnte sich ungezwungen unterhalten. Voraussetzung war natürlich dass die Wirkung des Methadons beim Manfred schon etwas nachgelassen hatte und ich mir meinen Tag nicht mit einer zusätzlichen Dosis Neuroleptika erschwerte. Der Fachausdrück , für das außerordentliche Einnehmen von Neuroleptika, wegen inneren Verwerfungen und weiterer Unpässlichkeiten, lautet "aufsatteln". Methadon und Neuroleptika, oder weniger charmant zugedröhnt und aufgesattelt, das ist ein störrischer Gaul denn keine Sprache der Welt zu reiten vermag. Waren wir aber so halbwegs ansprechbar, stand einer angeregten Diskussion nichts im Wege. Gut tat der Unterhaltung bisweilen auch, das sich noch ein dritter Diskutant zu uns beiden hinzugesellte. Der war Alkoholiker. Ohne einer Dosen reinsten Gerstensaft in der Hand, gebraut natürlich nach einer jahrhundertealten Tradition, habe ich diesen guten Mann nie gesehen. Vor dem ersten Bier stockte seine Sprache noch etwas. Aber nach der ersten Dosen, die er mit einen Schluck verdrückte, kam seine Sprachmaschine mächtig in Fahrt. Über was wir uns da s unterhielten? Schwer zu sagen, weil mir so ziemlich jede konkrete Erinnerung an diese Gespräche fehlt. Da müsste ich schon das Prinzip des Ausschließens bemühen. Innenpolitische Themen erweckten unser Interesse nicht wirklich. Ich kann mich nicht erinnern, je die Videothek je mit den Worten, "diese, unsere, deine und meine Republik ist ja moralisch vollkommen verwahrlost", betreten zu haben. Nie hörte ich mich sagen, "Buwog, Polizeifunknetz, die Telekom, die Inseratenaffäre und die Kursmanipulationen an der Börse, damit ein paar Fat-Cats zu ihren Bonis kamen. Dieses Land ist ein einziger Sündenpfuhl". Darauf der Trinker entsprechend empört, "ja und erst unsere Parteienfinanzierung. Die Kontroll- und Prüfinstanzen, sind ein Witz und die Rechenschafts- und Offenlegungspflichten eine Farce. Eine große Staatsreform gehört da her und das bitte pronto". Hierauf der Manfred in den Chor einstimmend: "genau so ist es meine Herren. Landeshauptmänner die sich die Bundesparteien wie einen lästigen Wurmfortsatz halten und niemand wagt es der ihre Besitzansprüche, die sie uns als Föderalismus verkaufen, auch nur irgendwie einzudämmen. Daraufhin wieder ich: "diese elendigen Parvenüs, kriegen ihren Hälse einfach nicht voll usw.". Das die Gespräche in diese Richtung liefen und wir zum Schluss die Frage nach der Unabhängigkeit der österreichischen Justiz erörterten, da die Staatsanwälte gegenüber dem Justizminister weisungsgebunden sind, kann ich heute mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen. Außenpolitische Themen wurden auch eher selten zur Sprache gebracht. Der Trinker sagte nie sichtlich erregt und getroffen, "es ist eine Schande was sich da in Syrien zuträgt. Der Baschar al-Assad und seine korrupten Schergen, prügeln und quälen Kinder zu Tode, schießen auf Frauen, Alte und unbewaffnete Männer und die Welt schaut zu, weil Syrien im Mittleren Osten, geostrategisch eine so bedeutende Rolle spielt. Der Manfred einschwenkend: "Was sich da vor den Augen der Weltöffentlichkeit zu trägt ist unerträglich. Eine Schande ist das. Unsere Weltenlenker, vor dem Iran, Syrien und der Hisbollah scheißen sie sich reihenweisein die Hose". Daraufhin Ich anschließend: "diese Nasrallah, wenn dem der Turban verrutscht, blutet der ganze Libanon und die Israelis wissen auch nicht mehr was sie jetzt tun sollen, wo dem Mubarak auch nichts besseres mehr einfällt, als sich hinter einer dicken Glasscheibe, auf einer Bahre auszuruhen". Der Trinker: "Doch Siedlungen bauen das können die Israelis, damit ihnen bald das ganze Westjordanland gehört". Wieweit das jetzt antisemitisch war, was der Trinker da nie sagte, stellte sich somit nicht. Was ich noch so weiß ist, das der Manfred, so gut wie immer ein aufgeschlagenes Buch vor sich liegen hatte. Über den Inhalt seiner Bücher sprachen wir eher selten, weil ich diese Bücher für völligen Mist hielt. Völlig abstruse Sience Fiktion. "Manfred" sagte ich immer, " was du da immer für einen Scheißdreck zusammen liest, das gibt es doch nicht". Das ist das Schöne, wenn man gewillt ist, sein Leben am untersten Rand der Gesellschaft anzusiedeln. Man muss niemanden unnötig Honig um den Mund schmieren, weil jedes Wort das man irgendwann von sich gegeben hat, zu irgendeinen Zeitpunkt, auf die Goldwaage gelegt werden könnte und wenn es schlecht rennt, für nicht Werthaltig befunden wird. Wenn ich meine Kommentare absonderte lachte der Trinker immer. Der Trinker lachte überhaupt viel und gern. Aber nie vor dem ersten Bier. Ganz viel zu lachen hatte er wenn mich der Manfred mit dem Codewort "und" nach meinen werten Befinden fragte. "Der Hitler ist an allem schuld", war die Standardrechtfertigung, für meinen Untergang. Der Hitler war dann für einige Zeit der Running Gag. Ja der Hitler ist an allem Schuld und schon lachten wird aus unseren rotgeränderten, traurigen und verlebten Augen. An was ich mich noch recht lebhaft erinnere, ist mein Eindruck, dass der Manfred gern einen auf dicken Kerl machte. Das war in Anbetracht seiner Lebenssituation sehr komisch. Gut über einen Toten der sich nicht mehr zu wehren weiß kann man leicht herziehen. Eigentlich war es wie immer wenn Männer aufeinander treffen. Erst einmal wird die Größe der Eier abgemessen. Auch wenn wir schon lange keine mehr hatten. Wer von uns dreien bezieht die höhere staatliche Zuwendung, wäre schon eine eigenartige Art die Größe der Eier festzustellen. Oder wessen Organe werden früher den Geist aufgeben. Egal. Trotzdem liegt es in der männlichen Natur, vor anderen Männer nicht als totaler Schwachkopf oder Verlierer dazu stehen. In so einem unterschwellig geführten Battle, versuchen die mit Hirnschmalz gesegneten Männchen, ihre intellektuellen Fähigkeiten zur Schau zu stelle. Der Rest der Spezies macht auf Erfolg oder Bizeps. Der Trinker gab sich unberechenbar und gefährlich. Was bei der Länge seiner Vorstrafenliste auch gut zu ihm passte. So einen Mann die Frage zu stellen, warum er andauernd erwischt wird, geziemt sich nicht, aber das verstehst sich von selbst. Der Manfred wiederum hatte etwas von einem unnahbaren Buissnes-Man an sich , garniert mit einen Hauch von Scarface. Und ich machte einen auf verwegenen Abenteuer mit hintergründigem Intellekt. Auch wenn meine Abenteurer in letzter Zeit vor allem darin bestanden, in der Nacht im Tablettentaumel , nicht die ganzen Toilette voll zu pissen. Wenn wir mit dem "Adi" durch waren und der Manfred mich mit seinem "und" prüfte, antwortete ich mit "Schuldig euer Ehren. Im Sinne der Anklage schuldig" und schon hatten wir wieder was zu lachen. Über Filme, was ja sehr naheliegend ist wenn man in einer Videothek herumhängt, redeten wir gerne. Da konnten wir alle drei mit sachdienlichen Hinweisen glänzen. Zu Filmen fiel uns immer was ein. Während wir also so herum standen, über Filme redeten und uns geschlossen unwohl fühlten, kamen auch ganz normale Leute in die Videothek, die Filme ausborgten und wieder zurückbrachten. Viele , wie schon angemerkt, waren das zu der recht frühen Stunden noch nicht. Das schien auch einen Mann ganz gut in Konzept zu passen, der immer mit seinem Kumpel in die Videotheken kam, der im Rollstuhl saß und ganz offensichtlich ziemlich plemm plemm war. Dem sein Kopf hing immer seitlich weg, die Hände hatte er auch nicht wirklich unter Kontrolle und angesabbert war er auch. "Oh" sagte der Manfred, "der Herr Kommerzienrat und sein Adjutant der Spastie sind auch wieder da". Der Herr Kommerzienrat gesellten sich nie zu uns um mit uns die Probleme dieser Welt, wie zum Beispiel die jetzige Finanzkrise, nicht zu erörtern. Nein der hatte ganz andere Interessen. Die wahre Leidenschaft des Herr Kommerzienrat war nämlich das reichliche Inventar des Pornokammerls. In Videotheken gibt es für die Erwachsenenfilme ja immer einen eigenen Raum, der ganz dezent durch einen Vorhang gekennzeichnet wird. Seinen Lebensgefährten, den Adjutanten,, ließ der Herr K. während seines Ausflug in die Welt der Erotik unbeaufsichtigt zurück. Der Rollstuhl stand dann mitten in der Videothek. Der Adjutant, allein und auf sich gestellt, fuchtelte dann etwas mit seinen unbeaufsichtigten Ärmchen herum und quietschte leise, wenn nicht sogar vergnügt vor sich hin. Der Kommerzienrat hingegen war unüberhörbar. Der war so eine Art Maulwurf und die Erde die er zu durchwühlen hatte waren die leeren VHS und DVD Hüllen. VHS war damals im Abverkauf. Während wir uns unterhielten und die Tiefe unseren Wunden ironisch umschifften, schwappten seltsame Laute aus dem Pornokammerl, über die Trennwand zu uns herüber. "Was ist denn mit dem Besten da drinn los?" fragte ich den Manfred. "Der grunzt ja wie a Sau". "Warte nur", antwortete der Manfred a bisserl angewidert, " nur noch ein paar Minuten und dann wichst sich der Herr Kommerzienrat, da drinnen lautstark einen herunter". "Du machst einen Scherz oder". "Nein", antwortete der Manfred, "der holt sich da drinnen wirklich einen herunter". "Und da unternimmst du gar nichts?". "Geh ist doch mir scheiß egal wir haben eh eine Putzfrau". Und wirklich. Das Grunzen ging schön langsam in ein lautes Gestöhne über". "Der ist so pleite", erklärte mit der Trinker, während er eine frische Dose öffnete, "der schaut sich die Covers an und dann schabelt er drauf los". Ich wollte das eben gehörte nicht ganz glauben. Nur die Töne aus dem Erwachsenenfilmeberich waren zu eindeutig und deswegen leicht zuzuordnen. "Hey du alte Sau"; rief der Manfred ins Pornokammler. " warte ich nur wenn ich dich erwisch, dann schneid ich dir einen kleinen Pimmel ab". Der Trinker nahm eine leere Dose und warf sie über die Trennwand. Nach dem der Kommerzienrat, der Geräuschkulisse nach, abgedrückt hatte, stürmte er aus dem Kammerl auf seinen Lebensgefährten zu, wirbelte den Rollstuhl samt Inhalt herum, das es den Spastie nur so durchrüttelte und stürmte fluchend aus der Videothek. "Na ist das ein Wichser oder ist das ein Wichser", sagte ich lachend zum Manfred und zum Trinker. "Der kommt sicher nie mehr wieder". Da fingen sie beide zu lachen an.

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